Besondere Bücher zeichnen sich durch eine ganz individuelle Sprachrhythmik aus, die einen durch die Erzählung führt, wie ein Zauberer, der die verblüfften Zuschauer immer wieder mit seinen magischen Kabinettstückchen in den Bann zieht. Die Magie eines Buches liegt in den Worten, wie man diese in Sätzen anordnet, damit sie einen Sinn ergeben, eine Spannung erzeugen und den Leser umgarnen.
Dem rumänischen Autor Flavius Ardelean ist mit „Der Heilige mit der roten Schnur" ein im wahrsten Sinne des Wortes fantastischer Kunstroman gelungen, der sich als faustdicke Überraschung und echter Geheimtipp für alle Liebhaber besonderer Literatur entpuppt. Hier hat ein junger Schriftsteller, dessen klangvollen Namen man sich merken sollte, seine Stimme gefunden.
Im noch kleinen Homunculus Verlag erschienen, entfaltet „Der Heilige mit der roten Schnur" seine Wirkung aus der ungewöhnlichen Erzählperspektive eines lebendigen Skeletts, das sich selbst Bartholomäus Knochenfaust nennt. Das Skelett nimmt einen Pilger auf seiner Kutsche mit und erzählt ihm die unglaubliche Lebensgeschichte des Heiligen Taush. Wie er geboren wird, wie er Wunder wirkt und wie er sich aufmacht, um die Welt vor der „un’Welt" zu schützen. Zwischen den Kapiteln tauchen immer wieder morbide Illustrationen auf, welche die abgründige Atmosphäre des Buches unterstreichen und von Ecaterina Gabriela gezeichnet wurden.
Von der ersten bis zur letzten Sekunde will man weiterlesen und erfahren, was es mit diesem Heiligen auf sich hat und was das lebendige Skelett Bartholomäus Knochenfaust damit zu tun hat.
Nicht unerwähnt sollte auch die Übersetzerin Eva Ruth Wemme bleiben. Beim Lesen wird – auch ohne ausgeprägte Rumänisch-Kenntnisse – klar, dass sie sich sehr viel Mühe gemacht hat, dem rumänischen Autor eine adäquate deutsche Stimme zu geben. „Der Heilige mit der roten Schnur" ist große Literatur in Form eines morbiden Schauermärchens.