Mut statt Wut
Ein Krabbenfischer hört über Funk, dass eine Jacht in Gefahr ist. Sie hat keinen Strom mehr, treibt vor sich hin und ist unbeleuchtet, also unsichtbar. Was tödlich enden wird, wenn nicht schnell Hilfe kommt. Denn die Jacht befindet sich in der Fahrrinne der Ozeanriesen. Ausweichen können die 400 Meter langen Frachter kaum, auch nicht frühzeitig genug bremsen. Es ist fraglich, ob es die Küstenwache rechtzeitig bis zur Jacht schafft. Der Kutter ist näher dran. Und sein Kapitän zögert nicht. Er eilt zu Hilfe. In letzter Minute gelingt es ihm, die Jacht aus der Gefahrenzone zu schleppen. Dann fährt er zurück, wirft die Netze wieder aus. Als ein Reporter, der die Berichte der Küstenwache liest, sich bei dem Fischer zu Hause meldet, ist seine Frau überrascht. Sie wusste nicht, was ihr Mann getan hat. Er sei noch auf See, habe aber ein Handy dabei. Als der Reporter den Fischer so erreicht, ist auch der überrascht: Es sei gefährlich gewesen, ja, aber doch selbstverständlich. Wenn Menschen in Not sind, hilft man ihnen.
Der Reporter ist Stefan Kruecken. Er steigt mit dieser Geschichte in sein Buch ein. Ein Buch, das er in eine Welt wirft, in der Mitmenschlichkeit, Solidarität und Selbstlosigkeit offenbar nicht mehr Normalität sind. Der Titel: „Das muss das Boot abkönnen – Durch Sturm und Krise – was wir von Kapitänen lernen können.“
„Was die Kapitäne angeht, so ist ihre Sicht auf die Dinge das genaue Gegenteil der lauten Aufgeregtheit unserer Zeit. Tugenden wie Bescheidenheit, Zurückhaltung, eine, wie soll man sagen: Demut“, schreibt Kruecken. Er berichtet von Kapitänen in Krisensituationen, die die Nerven behielten, mutig waren. Als Antwort auf das rechtsextreme Geplärre, auf das so viele Menschen reinfallen, zitiert er einen polnischen Kapitän: „Sobald du an Bord eines Schiffes gehst, ist deine Nationalität egal. Deine Hautfarbe, deine Religion, alles ist egal. Dann bist du nur noch Seemann.“ Für Stefan Kruecken ist die Antwort auf die Krisen, in denen wir gerade stecken: „Mut statt Wut.“ Und genau das macht sein Buch: Mut in einer Zeit voller Hass, Egoismus und Unmenschlichkeit.