Sabine Scholl ließ sich für ihr Buch von realen Biografien inspirieren und knüpft an die gemeinsame Flucht vor den Nazis der österreichischen Schauspielerin Hertha Pauli, des Juristen Karl Frucht und des deutschen Satirikers Walter Mehring an. Es geht über Frankreich nach Übersee. Als im Roman ein Vierter aus der Gruppe in Paris von einem Baum erschlagen wird, denkt man an das gleiche Schicksal Ödön von Horváths 1938, der großen Liebe von Hertha Pauli.
Im Roman sind es Ava, eine hübsche, aber wenig erfolgreiche Schauspielerin aus Wien, die sich die Männer angelt, wie es ihr gerade gefällt, Conrad, ein junger Mann aus begüterter Familie, und Billy, ein Autor aus Berlin. Sie müssen alles zurücklassen und fliehen mit nur wenig Gepäck nach Paris. Der nächste Fluchtpunkt Marseille ist bereits mehrfach ausgeleuchtet worden, in Buchform von Anna Seghers bis Uwe Wittstock und in dem Film „Transit“ von Christian Petzold.
Nachdem sie über die Grenze nach Spanien geschmuggelt worden und von dort nach Portugal gelangt waren, begann für die Menschen auf der Flucht das Warten. Warten auf das Visum, Warten auf die Schiffskarte zur Überfuhr, zumeist in die USA. Lissabon wird zum Wartesaal. Die Stadt ist bald übervoll mit Geflüchteten. Das Regime unter Diktator Salazar bringt die Neuankömmlinge an Orten außerhalb der Hauptstadt unter, in noblen Hotels, heruntergekommenen Pensionen, leerstehenden Gebäuden.
Sabine Scholl schafft mit ihren Protagonisten drei unterschiedliche Charaktere, die jeweils anders mit der ihnen aufgezwungenen Situation umgehen, stellvertretend für die vielen, die sich damals auf der Flucht befanden. „Transit Lissabon“ ist ein Porträt von Menschen auf der Flucht, die, nahezu allem beraubt, ihre Würde verteidigen wollen. Aber es ist auch das Porträt einer Stadt, die damit umgehen muss, dass plötzlich andere Kulturen in ihren gewohnten Alltag einbrechen, dies aber trotz aller Reibungen akzeptiert.