Zeitsprung in die späten 60er-Jahre: Die Welt ist im Umbruch. Das Echo des Zweiten Weltkriegs ist längst nicht verhallt, die Wunden noch nicht verheilt. Neben politischen und gesellschaftlichen Veränderungen ist es vor allem die Musik, die die Fesseln der Vergangenheit abstreift, auf alte Regeln pfeift und ein neues Zeitalter einläutet. Die Jugend rebelliert gegen das Establishment.
David Bowie, Jimi Hendrix oder Leonard Cohen werden wie beiläufig in David Mitchells neuen Roman eingewoben, dessen Haupthandlung sich um die fiktive Band Utopia Avenue dreht, die 1968 vom ehrgeizigen Musikmanager Levon Frankland zusammengestellt wird. Mit Bassist und Frauenheld Dean Moss, dem niederländisch-stämmigen Gitarren-Genie Jasper De Zoet, der Folksängerin Elf Holloway sowie Jazz-Drummer Griffin, nur Griff genannt, bahnen sich Utopia Avenue den Weg aus dem Untergrund ins grelle Licht der Glitzerheldenwelt.
Wer den britischen Autor David Mitchell und seine Romane kennt, weiß, dass er selten linear schreibt. Alles wird aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Während „Der Wolkenatlas“, internationaler Bestseller und bekanntestes Werk Mitchells, verschiedene Zeitperspektiven miteinander verband, sind es bei „Utopia Avenue“ die Perspektiven der Musiker, aus denen der Autor ein atmosphärisch dichtes Zeitkolorit der 60er-Jahre komponiert.
Dabei ist Musik nur ein Faden, der alles zusammenhält. Im Laufe des Buches erfährt man mehr über die persönlichen Biografien von Dean, Jasper, Elf und Griff und gerät unweigerlich in einen Sog, den man gemeinhin als Lesevergnügen bezeichnet. Richtig interessant und spannend wird es, wenn Mitchell Elemente aus seinen Romanen „Die Knochenuhren“ und „Die Tausend Herbste des Jacob de Zoet“ in Jaspers Geschichte einbaut.
Wer auf die progressive Musik der Sixties steht, wird bei Utopia Avenue eine Menge Referenzen finden. Aber nicht nur Musik-Nerds werden begeistert sein. Ein berauschendes Buch.