Ethnische Minderheiten haben es oft schwer mit der eigenen Identität. Wohin gehören sie, wem fühlen sie sich zugehörig? Der in der heute zu Serbien gehörenden Vojvodina geborene ungarische Schriftsteller László Végel kennt diese Fragen, und sie haben ihn ein Leben lang begleitet. Nicht nur ihn, auch seine Eltern und Großeltern, unter diversen politischen Regimen. In seinem autobiografischen Roman „Unsere unbegrabene Vergangenheit“ schreibt Végel darüber.
Begonnen hat alles mit dem Vertrag von Trianon, einem jener Pariser-Vororte-Verträge, die die Friedensordnung in Europa nach dem Ersten Weltkrieg festlegten. Jener von Trianon regelte die künftigen Grenzen Ungarns, das dadurch große Teile seines Staatsgebiets verlor, etwa die Vojvodina, die an das neu entstandene Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen ging. Die dort lebenden Ungarn, darunter die Großeltern des 1941 geborenen Végel, hatten sich auf einmal völlig umzustellen und mussten sich plötzlich als Minderheit in einem von Slawen dominierten Staat zurechtfinden.
Der Autor selbst wuchs im Gegensatz dazu bereits in einem Jugoslawien auf, das den Minderheiten umfassende Rechte zubilligte. Végel wird wie automatisch eingesogen in das jugoslawische System, wird früh Parteimitglied, bleibt aber trotz staatlicher Wohltaten und gutem Auskommen skeptisch.
Er wird Schriftsteller, doch scheint er sich nicht wohl zu fühlen, fast wirkt es beim Lesen, als suche er selbst nach Worten, nach einer Definition dafür, was ihm im politischen und gesellschaftlichen System abgeht. Mit Ungarn fremdelt Végel allerdings ebenfalls.
Als Tito 1980 stirbt, beginnt die Zeit der Wendehälse. Gänzlich in die Opposition begibt sich der Autor, als Jugoslawien schließlich zerbricht und Serbiens Präsident Milosevic neue Kriege anzettelt. Végels Traum mag der eines dritten Weges sein. Aus seinen tastenden Fragen und leiser Ironie wird zornige Kritik, wenn es um den zügellosen Kapitalismus geht, der heute sein Land beherrscht.