Der Roman „Das Land der Anderen“ macht einen Sprung in die 50er-Jahre in die Zeit des französischen Kolonialismus: In Mulhouse treffen sich Mathilde, eine junge Elsässerin, und Amine, ein Marokkaner, der in die französische Armee eingetreten ist. Sie heiraten und ziehen zusammen in einen Gutshof in der Nähe der marokkanischen Stadt Meknès. Ihre Unterschiede machen das Paar einzigartig, denn sie sind mit sehr unterschiedlichen Wertvorstellungen aufgewachsen.
Auf dem marokkanischen Land, weit weg von ihrer elsässischen Heimat, versucht Mathilde hilflos, ihren Platz in Amines Familie zu finden. Sie beugt sich neuen Sitten, einer neuen Kultur und einer anderen Religion. Seinerseits kann Amine seine patriarchale Geringschätzung gegenüber Frauen nicht ablegen. Er hatte erwartet, mit einer unterwürfigen Frau zu leben, doch Mathilde träumt von Emanzipation. Trotz alledem gestattet ihre Liebe ihnen, die Hindernisse des Kolonialsystems und die harte Realität zu überwinden, während außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs die Gewalt mit dem wachsenden Wunsch der Marokkaner nach Unabhängigkeit zunimmt. Man taucht in die Welt des gemischten Paars ein. Eine Welt, in der sich alle, Kolonisten oder Einheimische, fühlen wie „im Land des anderen“. Mathilde wird von den französischen Siedlern verachtet, weil sie einen Marokkaner geheiratet hat, und von den Separatisten zurückgewiesen, weil sie nicht zu ihnen gehört.
Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani – Preisträgerin des berühmten „Prix Goncourt“ für ihren Roman „Chanson Douce“ („Dann schlaf auch Du“, 2016) – erzählt in „Das Land der Anderen“ eine intime Geschichte, inspiriert von ihren Großeltern. Zwischen Identitätsverlust, Entkolonialisierung und Kulturschock beschreibt sie mit scharfem Schreibstil das Marokko der Nachkriegszeit, ohne eine politische Position einzunehmen.
Der Roman ist der erste Teil einer Familien-Trilogie, der zweite Band erschien 2022, der dritte ist für 2024 geplant.