Der T1-Transporter von VW genießt bis heute Kultstatus. Mit dem elektrischen ID.Buzz will der Autokonzern an die Oldie-Legende anknüpfen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Plötzlich stehen sie da. Eine Frau, drei Männer, viele neugierige Blicke. Es ist Montagabend, Autobahnkreuz Hilden, nur ein kurzer Stopp an der Ladesäule. Doch die Truppe, die mein Testfahrzeug umkreist, hat anderes im Sinn. „Dürfen wir uns mal reinsetzen?“, fragt der Erste. Schon gehen alle Türen auf, die Sitze werden umgeklappt, Schalter betätigt, Design-Elemente inspiziert. „Und jetzt noch eine kleine Runde? Das wäre schon toll …“
Das Objekt der Begierde nennt sich ID.Buzz. Nüchtern betrachtet handelt es sich um einen Kleintransporter aus dem Hause VW. Schon das macht ihn zu etwas Besonderem, denn elektrische Vans kann man bislang an einer Hand abzählen – und wenn, dann kommen sie entweder nicht weit (Toyota Proace) und/oder basieren auf Verbrennern (Mercedes EQV). Ganz anders beim ID.Buzz, der speziell als E-Auto entwickelt wurde. Wahre Fans schwärmen gar vom „Bulli des Elektrozeitalters“. Also von der modernen Version des legendären T1-Transporters, der von 1950 bis 1967 in Wolfsburg gebaut wurde. Ist der Vergleich gerechtfertigt?
Schickes Design, bequeme Sitze
Um diese Frage zu beantworten, bildet die Gruppe, die in Hilden einsteigt, ein Expertengremium. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Mitglieder des Vereins Klingenstromer: ein Verband von E-Mobilisten aus Solingen, benannt nach den vielen Messern, die dort produziert werden. Stefan fährt Tesla, genau wie sein Vater Rigo, der seit Jahrzehnten ein großer Bulli-Fan ist. Diana und Stefan (ja, es heißen beide so) fahren ebenfalls schon ewig elektrisch. Stefan fragt sich, ob er mit dem ID.Buzz seine Faustball-Mannschaft samt Gepäck transportieren könnte.

Ich selbst halte mich erst mal zurück, weil in mir noch Ärger schlummert. Beinahe hätte die Testfahrt gar nicht starten können, weil der ID.Buzz beim Rückwärtsfahren immer wieder stehen blieb und abrupt ausging. Ein Anruf bei VW klärte die Sache: Der „Buzz“ fährt nur dann, wenn man angeschnallt ist, selbst beim Rangieren. Wieder was gelernt.
Die Klingenstromer widmen sich zuerst der Optik – und sind begeistert. Schickes Design, bequeme Sitze, viel Platz auf der Rückbank! Selbst wenn man die Vordersitze ganz nach hinten fährt, genießen die Beine Freiheit. Auch der Kofferraum mit Zwischenboden stößt auf Wohlwollen: Klappt man die Rückbank um, entsteht eine ebene Fläche, die man zum Beispiel als Nachtlager nutzen kann. Selbst Stefan, ein 1,90-Meter-Mann, liegt bequem. Wirklich familientauglich ist der ID.Buzz dennoch nicht, dafür fehlt eine dritte Sitzreihe. Die gibt es erst, wenn die Langversion mit größerem Akku und höherer Ladeleistung im Sommer 2024 auf den Markt kommt.
Das Armaturenbrett: Man liebt es oder man hasst es. Manche finden die aufgeklebt wirkenden Bildschirme stylisch, andere hässlich. Einig sind sich alle (auch ich), dass das Interieur nicht gerade hochwertig wirkt. Von Fake-Holz und Billig-Plastik ist die Rede. „Du musst VW eine Chance geben“, stichelt Stefan. „Die produzieren doch erst seit 80 Jahren Autos.“ Diana lobt die vielen praktischen Ablageflächen und Staufächer. Die Mittelkonsole lässt sich mit wenigen Handgriffen ausbauen, vorne gibt es eine induktive Ladestation für Handys, außerdem viele USB-Anschlüsse.

Gegen Aufpreis verbaut VW eine 230-Volt-Steckdose unterm Beifahrersitz (410 Euro) und eine Anhängerkupplung (952 Euro). Ungebremst kann der
Buzz damit 750 Kilo ziehen, gebremst 1.000 Kilo. Für Campingausrüstung und Sportgeräte sollte das reichen, doch das Verbrenner-Pendant, der Multivan, schafft mehr als das Doppelte. VW wirbt damit, dass die Anhängerkupplung „per Knopfdruck elektrisch auslösbar und mechanisch schwenkbar“ ist. Als Stefan auf dem Parkplatz aber den Knopf drückt, knallt ihm die Vorrichtung regelrecht vors Schienbein. Aua!
Unpraktische Touchfelder
Wir fahren los. Sanft und leise gleitet der Buzz über die A 46. Kein Klappern, kein Wackeln – hier merkt man die jahrzehntelange Erfahrung, die VW im Transporter-Segment hat. Auch in der modernen Zeit scheint der Autokonzern inzwischen angekommen zu sein: Ein Verbrauch von 18,6 kWh/100 Kilometer bei einem vollbesetzten Kleinbus, noch dazu auf der Autobahn, das ist nicht übel und übertrifft sogar den Normwert. VW spart also nicht nur beim Interieur, sondern auch beim Verbrauch.

Schön anzusehen ist die Liebe zum Detail: Aufgedruckte ID-Buchstaben auf den Sitzen. Ausklappbare Becherhalter vorne. Eine LED-Leiste unter der Windschutzscheibe, die nach links oder rechts pulsiert, wenn das Navi abbiegen will. Hinten gibt es Halteschlaufen und Klapptische, wie in einem richtigen Bus. Wobei sich Letztere als etwas klapprig herausstellen. Zu fest sollte der Nachwuchs hier lieber nicht dran ziehen. Auch die glitschigen Touchfelder am Lenkrad und unter dem Hauptbildschirm zur Einstellung von Radio und Klimaanlage sind unpraktisch. Hier wären richtige Knöpfe besser gewesen.
Die Fahrt macht Spaß, das kann man nicht anders sagen. Ein wenig Eingewöhnung erfordert die Scheibenwischer-Steuerung, die im Blinker-Hebel integriert ist. Hat man den Dreh aber einmal raus, klappt die Bedienung gut. Rechts am Lenkrad befindet sich der Gang-Wahlhebel – ebenfalls eher selten, aber genau das Richtige für einen Kleinbus.
Die Software entpuppte sich bei VWs Elektro-Modellen lange als Problemfall. Ich selbst bin mit einem ID.3 während einer Testfahrt einmal gestrandet. Die Assistenz- und Sicherheitssysteme fielen aus; die Scheinwerfer funktionierten nicht mehr. Am Ende kam der Abschleppwagen. Solche Kinderkrankheiten zeigen sich beim ID.Buzz nicht. Im Gegenteil: Verkehrszeichenerkennung, Spurhalte-Assistent und Abstandstempomat funktionieren zuverlässig, wobei Letzterer einen Aufpreis kostet. Das Navi schlägt bei längeren Strecken automatisch Ladestopps vor, damit sich die Batterie nicht verabschiedet. Das Filtern nach Anbietern ist aber nach wie vor umständlich. Wer also aus Preisgründen einen bestimmten Ladenetzbetreiber braucht, muss am Ende doch wieder zum Handy greifen.
Preis ist nicht familientauglich

Nachholbedarf hat der Sprachassistent. Den Befehl „Navigiere zum Ladepark Hilden“ versteht er nicht. Selbst die genaue Ansage der Adresse hat nicht den gewünschten Effekt. Hier sollte VW seinem „Buzz“ dringend ein Update spendieren, sonst wird’s peinlich. Vor allem deshalb, weil das Navi 1.433,95 Euro zusätzlich kostet. Wo wir schon beim Preis sind: Der ID.Buzz ist zu teuer. Als die Klingenstromer hören, dass das Testfahrzeug mehr als 80.000 Euro kostet, fallen einige nicht zitierfähige Sätze.
Zurück am Ladepark stöpseln wir den elektrischen Bulli noch mal ein. Mit bis zu 170 Kilowatt zieht er Strom, da kann die Kleinbus-Konkurrenz nicht mithalten – und viele andere E-Autos auch nicht. Für eine Ladung muss man etwa 30 Minuten an der „Buzz-Haltestelle“ einplanen, um die Batterie wieder auf 80 Prozent zu füllen. Da kann man nicht meckern.
Hat VW also wirklich einen Bulli fürs Elektrozeitalter geschaffen oder kann er mit dem Original nicht mithalten? Die Klingenstromer sind sich in ihrem Urteil schnell eilig. Sie finden ihn „hübsch und knuffig“ (Diana) und loben „das schicke Design und den großen Kofferraum“ (Stefan). Bulli-Fahrer Rigo urteilt: „Er hat die Brücke zwischen futuristisch und traditionell gut geschlagen.“ Doch da endet das Lob. Alle monieren den hohen Preis und das Plastik-Interieur. Für Stefans Faustball-Team wäre er zu klein und zu unflexibel. Um echtes Bulli-Feeling aufkommen zu lassen, fehlt einfach das gewisse Extra.
Die Camping-Variante „California“ hätte genau das liefern können. Doch ausgerechnet die will VW wegen technischer Probleme nun doch vorerst nicht bauen. Medienberichten zufolge ist erst 2027 mit einem solchen E-Camper zu rechnen. Chance vertan! Dabei hat er doch so viel Potenzial!