Auch einem Rezensenten, der seit nunmehr vier Jahrzehnten vielhörend und geradezu detektivisch persönliche musikalische Höhepunkte ausfindig macht, sammelt und sortiert, entgeht mitunter manche Perle. Und selbst wenn diese sich ziemlich exakt in einem seiner Lieblings-Genres befindet kann das passieren. Umso schöner ist dann auch die zeitverzögerte Entdeckung!
Leichter denn je lässt sich ja alles nachholen – durch nachhören. Was bezüglich Tunng natürlich längst geschehen ist. Sofort nachdem mir „Love You All Over Again“ vom Promoter zugetragen wurde, hörte ich mich durch einen genauso bezaubernden Back-Katalog. Mit beeindruckender Sorgfalt und betörender Verspieltheit gleichermaßen wird von den Briten ein Genre namens Folktronica bespielt. Beth Orton, Caribou, Mum, The Kingsbury Manx oder The High Llamas werden dort ebenfalls einsortiert, durchweg geschätzte Künstler also. Doch was macht Tunng denn so besonders? Wer der ersten Single „Didn’t Know Why“ vom neuen Album lauscht, bekommt augenblicklich einen Eindruck von den enormen Kompetenzen dieser Band. Es knistert, pocht, schiebt, kreiselt und pluckert so raffiniert und hochmelodisch, dass ein zugleich lieblicher und sperriger (ja, das geht…) Ohrwurm entsteht, den man nicht wieder los wird.
Und der Satz „Wake up in the morning“ begleitet beschwingt und beglückend durch den Tag, so wundervoll beseelt wird er gesungen. „Sixes“ im Anschluss geriet noch experimenteller und die gebrochenen Beats gehen glatt als Trip-Hop durch. Portishead in smart sozusagen.
Nicht weniger bezaubernd tröpfelt das sich stetig intensivierende „Snails“ ins Ohr. Man hat gar keine Lust, das Instrumentarium exakt zu analysieren, denn es ist pures Gefühl, das hier entfaltet wird. Gefühlt vernimmt man hier Bläser und viele filigrane Saiten. Hängen bleibt der den Album-Titel spendierende Satz „Love You All Over Again“. Keiner der weiteren Tracks fällt ab.
Tunng sind auf Tour und machen am 9. März Station in Berlin und am 10. März in Köln.
Wer Zeit hat, sollte sich das nicht entgehen lassen, denn diese Abende versprechen ganz sicher Magie.