Man denkt bei den ersten Klängen von „Why Are You Dreaming?“ sofort an Sufjan Stevens – der Opener „Forever“ tastet und flüstert sich glaubwürdig in exakt diese Kerbe. Ja, und ehrlich gesagt: auch in diese Liga. Es geht weiter mit „2017“, der Song erzählt auf dieselbe filigrane Weise vom Beinahe-Tod des Cousins von Hans Olav Settem, dem Sänger und Mastermind des neunköpfigen norwegischen Indie-Orchesters Benedikt.
Überhaupt geht es hier nachdenklich zu, ernst, besorgt. Kuschel-Folk ist das definitiv nicht. Da täuscht der milde, kammermusikalische Ton nebst zartem Gesang doch vehement.
„Lost & Safe“ fasst als Songtitel indes die Emotionen von „Why Are You Dreaming?“ treffend zusammen. Tröstliches findet sich hier nämlich auch. Settem erinnert sich unter anderem an seine Schulzeit in einem Internat an Norwegens Westküste in Bergen. Die christlich-konservative Führung warf ihn heraus. Warum ist nicht überliefert, aber fortan wurde er noch gnadenloser von Einsamkeit geplagt. Trost bot die Musik: Elliott Smith, King Creosote, Vashti Bunyan und der bereits erwähnte Sufjan Stevens. Neues Lebensgefühl konnte sich schließlich in Oslo aufbauen, wo befreiende Begegnungen mit Gleichgesinnten zur Gründung von Benedikt führten. Noch ist für Settem nicht alles verarbeitet, doch tut sich spürbar ein kreativer Weg auf. Nicht zuletzt über eine Musik, die Ruhe, Schönheit und Gemeinsinn spendet im Chaos. Bisweilen – wie im Titel-Track oder in „Blood Moon“ – führt das sogar zu beinahe schon Welt umarmenden Pop-Gesten …
„You Might Remember“ startet wie ein Lied der Cowboy Junkies, findet aber alsbald in die ganz eigene (Melancholie-)Spur. „Morning Grief“ in der zweiten Hälfte der Platte ist eine vertonte Morgennebel-Impression, „Not That I Know you“ entlarvt sich als das rhythmisch offensivste Stück. Auch das steht Benedikt prächtig. Regelmäßig sind es Streicher, die für Magie sorgen – egal ob zärtlich oder anschwellend in Szene gesetzt. Und „How Did I Wind Up Here“ funktioniert am Ende noch einmal ganz famos als Ehrung des viel zu früh verstorbenen Elliott Smith und des quicklebendigen Sufjan Stevens gleichermaßen.
KULT[UR]

Foto: Koke Plate
CD-Tipp: Magisches Indie-Orchester
Benedikt: Why Are You Dreaming? Label: Koke Plate. Laufzeit: 36 Minuten
Kult[ur] - CD-Tipp
MEHR AUS DIESEM RESSORT
CD-Tipp: Grande Dame des Folk
Shirley Elizabeth Collins wurde am 5. Juli 1935 in Hastings/East Susse ...
15.09.2023
CD-Tipp: Jack Whites Vision
Regelmäßig bekommen Vertreter des sogenannten Tuareg-Blues in dieser R ...
08.09.2023
CD-Tipp: Düster und intensiv
Nein, die Songtitel trügen nicht: „Haunted“, „I Feel Bad“, „Colony Col ...
01.09.2023
CD-Tipp: Verwegene Mixtur
Comet Gain zelebrieren seit nunmehr drei Jahrzehnten eine verwegene Mi ...
25.08.2023
CD-Tipp: Der Horizont öffnet sich
Die Musik der isländischen Band Sigur Rós, die zu den bekanntesten Ver ...
18.08.2023
CD-Tipp: Es geht an die Substanz
Schon wie Margo Timmins gleich zu Beginn von „Such Ferocious Beauty“ z ...
11.08.2023
CD-Tipp: Nachdenklich und tröstend
Hört man ihre warme, zerbrechliche wirkende Stimme durchrieseln einen ...
04.08.2023
CD-Tipp: Die Melancholie des Engels
Es gibt Momente auf diesen 77 Minuten, die verstörende Horrorfilme vor ...
28.07.2023