Zu den überragenden Veröffentlichungen des sogenannten Afro-Blues-Genres der letzten Jahre zählt eindeutig „Funeral for Justice“ – das im Jahr 2024 erschienene Album des Nigrers Mdou Moctar. Und schon der Titel verrät, dass hier Politisches verhandelt wird.
Was indes eine durchaus resignative Angelegenheit hätte werden können, geriet zu einem zutiefst wütenden Meisterwerk des Widerstands – dicht und treibend, rastlos und schneidend, maximal elektrifiziert.
Genre-Kenner und Kritiker litten mit den Akteuren und waren restlos infiziert.
Doch als Mahamadou Souleymane (das ist Moctars eigentlicher Name), Ahmoudou Madassane und Souleymane Ibrahim nach einer Tour zu ihren Familien in die Heimat zurückkehren wollten, verhinderte ein Militärputsch die Einreise. Man blieb in Brooklyn, New York – und vertrieb sich das zermürbende Abwarten spontan mit einer Neuaufnahme der Tracks von „Funeral for Justice“. Das in den USA lebende vierte Bandmitglied, Produzent und Bassist Mikey Coltun, bot seinen Mitstreitern temporäres Exil und ermutigte sie zur Aufnahme eines reduzierten Akustik-Sets der so dichten, vor Empörung überbordenden Originale.
So saß der Vierer also in einem Raum beieinander und spielte einfach drauflos – völlig befreit von Zeit- und Arrangementdruck. Meist genügten tatsächlich wenige Takes für die finale Aufnahme. Gleichwohl zeitigt die Zeitvertreib-Einstellung der Akteure nicht minder emotional aufgeladene, berauschende Versionen. Doch wurde die unbändige Wut der Originale nun in hochkonzentrierte Trauer, vielleicht auch ein Innehalten, transformiert.
Das überzeugende Resultat wurde passend „Tears for Injustice“ getauft. Diese Trauer (keinesfalls Depression!) verwandelt den Blick zurück mit Zorn in eine neue, spürbare Energie mit vorsichtiger Hoffnung auf bessere Zeiten – trotz Armut, Ausbeutung und politischer Unruhe im Niger.
Der direkte Vergleich der einzelnen Tracks ist dann am Ende tatsächlich erstaunlich. Das stromlose Zelebrieren des hochkarätigen Liedguts ergibt konsequent reduzierten, auch verspielten, allerfeinsten Tuareg-Blues.