Daniel Kahn eine schillernde, multitalentierte Persönlichkeit zu nennen ist eine gelinde Untertreibung. Er ist Singer-Songwriter, Dichter, Theaterregisseur, Festival-Kurator und Schauspieler. Und „er arbeitet auf einem Schiff im Hamburger Binnenhafen“ verrät der Info-Zettel. Wäre spannend zu erfahren, was genau das heißt…
Vor allem aber bringt Kahn seit nun zwei Jahrzehnten Alben heraus, die durchweg dieser Rubrik hier würdig sind. Der Abwechslung zuliebe berücksichtigen wir freilich niemals alle Werke selbst eines herausragenden Künstlers. Dieses Werk hier aber ist definitiv ein Muss!
Der Klezmer-Troubadour hat sich mit Jake Shulman-Ment den Geiger seiner Band The Painted Bird zum Duo-Partner auserkoren – vermutlich um sich einmal mehr mit schierer Experimentierlust in neue Kontexte und Dynamiken zu stürzen. Shulman-Ment sei ihm bei den Aufnahmen zu „The Building & Other Songs“ wie ein Bruder gewesen. Es hätte funktioniert wie im Jazz: „Was passiert, passiert; der Moment ist jetzt.“ Neben beschwingten bis melancholischen Interpretationen moderner jiddischer Lieder und Gedichte bekommen wir auch sehr vertrautes Liedgut von Lou Reed, Leonard Cohen, Bruce Springsteen, Tom Paxton und Tom Waits präsentiert. Ehrfurcht? Diese ist fraglos zu spüren, aber unser Duo erstarrt nicht darin, sondern gibt sich mit enormer Spielfreude und infizierender Ernsthaftigkeit gleichermaßen an die Übersetzung der großen Vorlagen.
Der Reigen wird eröffnet mit Reeds „All Tomorrow’s Parties“. Ein intensiver Geigenstrich und Daniel Kahns jiddischer Gesang verdichten sich famos. Cohen wird gleich zweimal geadelt: „The Future“ erkennt man im Klezmer-Gewand erst nach einer Weile, „Everybody Knows“ mit seiner magischen Melodie klingt vertrauter, entwickelt aber ebenfalls feinen, neuen Charme.
Und was für ein fantastischer Geiger Shulman-Ment doch ist! Springsteens intimes „My Father’s House“ erhält via Banjo-Picking eine unerwartete Countrifizierung, Waits’ „Tom Traubert’s Blues“ beschließt ein wunderbares Album entrückt walzernd.