Seit Jahrzehnten veröffentlicht der britische Multiinstrumentalist Steven Wilson schon Alben mit seiner Band Porcupine Tree oder als Solokünstler, die stets besonders sind. Wilson lebt Musik leidenschaftlich wie kaum ein anderer. Kommerziellen Erfolg nimmt er in Kauf, aber seine Kunst zielt ganz sicher nicht darauf ab, ansonsten würden sich seine Platten nicht dermaßen voneinander unterscheiden. Man weiß nie, was man bekommt, aber definitiv ist das Ergebnis stets experimentell, wegweisend und herausfordernd.
Mit „The Harmony Codex“ veröffentlicht Wilson sein nunmehr siebtes Soloalbum. Und das hat es in sich. Wer meint, dass im weiten Feld des Progressive Rock bereits alles gesagt und geschrieben wurde, wird hier eines Besseren belehrt.
Das Album beginnt komplex mit dem experimentellen „Inclination“. Danach ist „What Life Brings“ ein klares Highlight für alle Porcupine-Tree-Fans. „Impossible Tightrope“ hingegen ist ein über zehnminütiges Monster an Song. Überbordend in all seiner ausufernden Rock-Akrobatik. Gänsehaut pur verursacht „Rock Bottom“, das durch das Duett mit der israelischen Sängerin Ninet Tayeb in einem atmosphärischen Epos kulminiert. Wunderschön und eindringlich. Weiter geht es mit „Beautiful Scarecrow“, einem Song, der die ganze Bandbreite von Steven Wilsons Kunst widerspiegelt: unkonventionelle Songstrukturen, die charakteristische Stimme von Wilson und großartige Instrumentalpassagen. Der Titelsong „The Harmony Codex“ ist kaum mehr von dieser Welt. Ein kunstvoll gewebter Kosmos aus Harmonien, schwebend, sich erhebend und Grenzen durchbrechend. Eine Zehn-Minuten-Meditation aus Keyboardsounds und Spoken-Words-Sequenzen. „Time is running out“ erinnert an Marillion, angereichert mit Klavier, Triphop-Beats und coolen Gesangseffekten. „Actual Brutal Facts“ kombiniert anschließend Prog Rock mit dunklem Hip Hop. Der letzte Song „Staircase“ fasst das gesamte Album noch einmal zusammen. Experimentell, originell, progressiv in seiner besten Art.
Fazit: Ein absolutes Hörvergnügen für alle, die Radiomusik hassen und lieber in tiefere Musikwelten eintauchen.