Wie ist er zum Thema Haare gekommen? Was hilft gegen Haarausfall? Und was bewirken die verschiedenen Inhaltsstoffe? Darüber und über vieles mehr spricht Friseur und Haarpflegeberater Tom Hannemann (38) aus Nürnberg.

Lieber Tom, wann und wie entstand Dein großes Interesse für Haare und Styling?
Meine Reise in die Welt der Haare begann 2007. Damals saß ich in einem Salon mehrere Stunden bei einer Freundin von mir und habe mir angeguckt, was dort alles gemacht wird: Schneiden, Farbe, Styling. Währenddessen ist mir aufgefallen, dass es richtig anstrengend ist, gar nicht so einfach und man so viel wissen muss. Gleichzeitig stecken so viel Freiheit und Kreativität darin, dass ich der Meinung war: Das will ich auch ausprobieren! Ich habe dann Schritt für Schritt angefangen, ein bisschen mitzuarbeiten – Haare gewaschen, ab und zu mal eine Farbe aufgetragen – und dann ist dieser Wunsch entstanden: Hey, ich will unbedingt Friseur sein! Das ist meine Passion seit jeher. Ich habe mich da unglaublich tief hineingearbeitet, und es hat mir einfach schon immer Spaß gemacht und macht mich bis heute unglaublich glücklich.
Wie bist Du dazu gekommen, auf Plattformen wie Instagram Tipps zu Haarpflege & Co. zu bloggen?
Die Geschichte dazu ist super witzig, weil es tatsächlich eine Wette war. Ich habe ein paar Freunde, die in verschiedensten Branchen arbeiten, – als Bauingenieur, als Industriedesigner oder im Vertrieb – und mit denen saß ich eines Abends zusammen. Wir hatten einen lustigen Abend, und ich sagte zu einem Freund von mir: „Wenn ich irgendwas zum Thema Haare auf einer Plattform für Endverbraucher mache, dann geht das auf jeden Fall durch die Decke.“ Zu dem Zeitpunkt hatten wir auch schon einen etwas fortgeschritteneren Zustand. Daraufhin hat mein Kumpel gesagt: „Ja, dann mach doch, dann zeig’s doch mal!“ Zwei Tage später habe ich mich vor mein erstes Tiktok gesetzt und sofort gemerkt, wie viel Aufklärung ich leisten kann, wie gut das ankommt und wie meine Tipps und Tricks, die ich in den letzten 18 Jahren gesammelt habe, den Menschen bei ihrer Haarreise helfen können. Der Grund, damit anzufangen, war vielleicht nicht der beste, doch das Feedback der Menschen hat mir ganz schnell gezeigt, dass es gut und sinnvoll war, damit loszulegen.
Du hast in den letzten zehn Jahren für das Unternehmen New Flag gearbeitet und nun Deine eigene Firma gegründet. Wirst Du noch einmal als Friseur tätig sein oder nur noch als Haarpflege- und Styling-Berater?
An manchen Tagen fehlt mir tatsächlich das Gefühl, im Salon am Stuhl zu stehen. Ich arbeite auf Seminaren ganz oft mit Modellen und kann mich da noch ein bisschen ausleben und in die Zeit zurückgehen. Wenn ich die Möglichkeit bekomme, im Laufe des Jahres auch mal ein, zwei oder drei Tage in einem Salon bei Freunden Termine anzubieten, dann werde ich das auf jeden Fall tun. Aktuell lassen meine Auftragslage und meine Projekte es aber einfach nicht zu, regelmäßig im Salon zu stehen. Nichtsdestotrotz ist das eine Sache, die ständig in meinem Hinterkopf ist und die mir auch immer mit am meisten Spaß macht.
Wie sollte die Haarpflege-Routine generell aussehen – sollte man die Haare zum Beispiel immer zweimal waschen, und ist eine Spülung zur Pflege Pflicht oder nur bei langen und sehr trockenen Haaren?
Das Schöne an Haarpflege ist, dass sie super individuell ist. Es gibt keine festen Gesetze. Das, was über einen längeren Zeitraum gut funktioniert, sollte definitiv beibehalten werden – „Never change a running system!“ Es gibt ein paar Dinge, die ich immer wieder als guten Anhaltspunkt mitgebe. Dazu gehört zum Beispiel, die Kopfhaut zweimal zu waschen und vor allem konstant einen Conditioner zu benutzen. Wenn die Grundlagen der Haarpflege einmal verstanden sind, ist das ganze Konstrukt gar nicht so kompliziert und kann auch mit simplen Mitteln schnell zum Erfolg führen. Es geht nicht zwangsläufig darum, viel zu tun, sondern das Richtige zu tun. In meiner eigenen Community auf Skool berate ich meine Mitglieder auch individuell. Es gibt die Möglichkeit für Eins-zu-eins-Kurse mit mir, und da bringen wir Licht ins Dunkel der Haarpflege für jeden Einzelnen.

Manche verteufeln Pflegeprodukte mit Silikonen wie etwa Haaröle. Du findest einige davon durchaus okay. Sollte man dennoch darauf achten, nicht zu viel davon zu benutzen oder spielt das für Dich keine Rolle?
Das ganze Thema Haarkosmetik und vor allem die Chemie dahinter ist unglaublich komplex. Die Anwendung sollte simpel und überschaubar sein, doch die Dinge, die dahinterstehen– die Entwicklung und die Formeln – kann ich nicht einfach anhand eines Inhaltsstoffes vereinfachen. Silikone sind ein wichtiger Bestandteil der Haarpflege, weil sie die künstliche Antwort auf ein künstliches Problem sind. Haare sind von Natur aus nicht blondiert, geschädigt oder gefärbt, sondern sie wurden bereits chemisch verändert und benötigen deshalb auch chemische Pflege und künstliche Lösungen. Innerhalb dieser Inhaltsstoffe wie Silikone gibt es große Unterschiede in der Art, wie sie wirken und was sie bewirken. Nichtsdestotrotz existieren Vorgaben und Richtlinien durch die EU, und da sind sehr viele Tests inkludiert, die Sicherheit geben und auch Wechselwirkungen zum großen Teil ausschließen. In meiner Erfahrung wird das allerdings erst problematisch, wenn sehr viele Produkte auf einem Haar benutzt werden und es womöglich zu Wechselwirkungen kommt. Mit der richtigen Routine und dem Bewusstsein für die eigenen Haare gehe ich solchen Szenarien aber aus dem Weg.
Welche Inhaltsstoffe in Haarpflegeprodukten findest Du wirklich bedenklich und warum?
Dabei spielt die Komplexität und die Interaktion von Inhaltsstoffen eine große Rolle. Ein einzelner Inhaltsstoff, wenn er irgendwo vorkommt, ist nicht für das komplette Produkt verantwortlich. Es gibt ein paar, bei denen ich mich schwertue – unter anderem Paraffinum Liquidum als Mineralöl oder aber auch Propylenglykol, insofern es in hautnahen Produkten stattfindet. Shampoos beziehungsweise Seren, die auf die Kopfhaut kommen, sehe ich mit diesen Inhaltsstoffen als schwierig an. Ebenfalls problematisch sind Parfümstoffe. Dadurch, dass kosmetische Produkte immer super riechen müssen, nehmen wir viele dieser Geruchsstoffe in Kauf, die Allergien auslösen oder langfristig zu Irritationen führen können.
Aktuell sind Haarpflegeprodukte mit Glycolsäure für eine Extraportion Glanz sehr beliebt. Wie wirkt Glycolsäure, dass da so ein toller Glanz entsteht?
Glycolsäure ist eine Fruchtsäure und vorrangig dazu gedacht, auf der Haut hartnäckige Schuppen und abgestorbene Zellen zu entfernen. Deswegen eignet sie sich super auf der Kopfhaut und in Pre-Shampoo-Seren, gerade bei fettiger Kopfhaut. Darüber hinaus ist Glycolsäure das kleinste Molekül der Fruchtsäuren und kann dadurch auch tief in die Haare eindringen, sich ans Keratin binden und dadurch eine stabilere Haarstruktur und bessere Kämmbarkeit schaffen. Sie beruhigt die Haarstruktur und sorgt für eine ebene Oberfläche, die zu mehr Glanz führt. Grundlegend sehe ich Glycolsäure allerdings eher in Kopfhautprodukten, da sie gleichzeitig auch Juckreiz lindern und zu besserer Kopfhautbalance führen kann.

Mit welchen Inhaltsstoffen und Tricks bekommt man schnell fettende Ansätze gut in den Griff?
Die für mich beste Behandlung in dem Zusammenhang ist Hair Oiling – eine über 2000 Jahre alte Tradition aus dem Ayurveda, die besonders im indischen Raum von klein auf angewendet wird. Nur zur Erinnerung: indische Haare werden für Extensions herangezogen, und das hat auch einen Grund. Hair Oiling beschreibt den Prozess eines echten Pflanzenöls, das auf der Kopfhaut inklusive einer Massage als Therapie 30 bis 45 Minuten vor dem eigentlichen Haarewaschen angewendet wird. Dabei löst das Öl überschüssiges Fett auf der Kopfhaut, bringt das Mikrobiom der Kopfhaut wieder in Balance und fördert gleichzeitig durch die Massage die Durchblutung sowie ein besseres, stärkeres Haarwachstum. Die Erfahrungen in meiner Community auf Skool gehen sogar so weit, dass binnen der ersten drei bis vier Behandlungen sofortige Verbesserungen eintreten – und Menschen, die eigentlich täglich ihre Haare waschen müssten, das dann nur noch alle zwei bis drei Tage tun.
Wie wendet man Trockenshampoo am besten an – sollte man es bei schnell fettendem Haar zum Beispiel schon gleich nach dem Waschen auf die Ansätze sprühen? Kann Trockenshampoo bei Langzeit-Gebrauch das Haar schädigen oder ist es unbedenklich?
Wenn wir uns vor Augen führen, was Trockenshampoo ist, wird klar, dass es langfristig nicht bedenklich sein kann. Trockenshampoo ist nichts anderes als Aerosol-Stärke. Jedes Trockenshampoo basiert auf einer Form der Stärke– egal, ob Kartoffel-, Reisstärke oder Tapioka – und ist nur dazu gedacht, überschüssiges Fett auf den Haaren zu binden. Das ist allerdings auch schon der Knackpunkt, warum ich mit Trockenshampoo Probleme bekommen kann: Trockenshampoo gehört auf die Haare und nicht auf die Kopfhaut. Es macht absolut Sinn, nach einer Haarwäsche im trockenen Zustand Trockenshampoo schon als Barriere gegen das Nachfetten aufzutragen. Allerdings ist Trockenshampoo nur eine Überbrückung und kein Dauermittel. Die richtige Anwendung bedarf, dass ich es nur an die Ansätze, ein bis zwei Zentimeter von der Kopfhaut entfernt, aufsprühe, dann einwirken lasse, etwas aufarbeite – bei glatten Haaren würde ich es ausbürsten, oder bei lockigen Haaren richtig aufreiben und dadurch runternehmen.
Wie sieht es bei stark brüchigem Haar aus – wie kann man dieses retten?
Stark brüchige Haare entstehen im Normalfall nur durch eine Schwächung der Haarfaser. Das geht mit gefärbten oder blondierten Haaren einher und beruht auf dem chemischen Prozess, der dabei stattfindet. Aufgrund dieser Tatsache ist es umso wichtiger, dieses Protein wieder aufzufüllen – zum Beispiel durch Reparaturprodukte, die einen hohen Anteil an Protein und Aminosäuren beinhalten, oder auch gerne mit sogenannten Bond-Buildern wie K18 oder Olaplex arbeiten. Diese Produkte verbinden auf molekularer Ebene die Haarfasern wieder miteinander, schaffen somit neue Stabilität und dämmen den Haarbruch ein. In solchen Fällen empfehle ich allerdings immer, einen Profi aufzusuchen, eine echte Analyse der Haarstruktur herzustellen, um dann mit den richtigen Mitteln in der richtigen Stärke diesen Haarbruch anzugehen.

Gibt es Mittel, die wirklich gegen Haarausfall helfen – und was muss man dabei beachten?
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Inhaltsstoffen und Inhaltsstoffkombinationen, die bei Haarausfall umgehend helfen können. Dabei muss man allerdings immer unterscheiden: Handelt es sich um echten Haarausfall oder ist fehlendes Haarwachstum das Problem? Beide Phänomene stehen zwar in Verbindung, haben aber unterschiedliche Bedürfnisse und Ursachen.
Das bekannteste Mittel, um sofort mehr Haarwachstum herzustellen und Haarausfall zu regulieren, ist Minoxidil. Ursprünglich als Herzmedikament geplant, hatte es die Nebenwirkung, unkontrolliert Haare wachsen zu lassen. Heute wird es als topische Lösung verkauft, die ein- bis zweimal täglich auf die Kopfhaut gesprüht wird, um schlafende oder nicht mehr aktive Haarwurzeln zum Wachsen anzuregen. Dabei ist zu beachten, dass es nicht zwangsläufig nebenwirkungsfrei ist – es handelt sich um ein medizinisches Produkt, das beispielsweise für Haustiere tödlich sein kann.
Es gibt auch andere Varianten, wie Redensyl, die klinisch belegt sind und auf einer Wirkstoffkombination aus vier speziellen Inhaltsstoffen basieren. Zudem finden sich in einigen Shampoos und Seren weitere Substanzen wie AnaGain und Aminexil. Wichtig ist hier, dass die Wirkung erst nach zwei bis drei Monaten wirklich einschätzbar ist. Ein Wundermittel, das sofort wirkt, gibt es aktuell nicht; wer komplett natürlich vorgehen möchte, kann aber auch auf traditionelle Ansätze wie Hair Oiling zurückgreifen.
Du testest für Instagram & Co. viele Haarprodukte. Welche waren für Dich absolute Überraschungen – sowohl im positiven als auch im negativen Sinn?
Mich hat grundlegend überrascht, wie hoch der Standard in der Drogerie mittlerweile ist, wenn es um Haarpflegeprodukte geht. Als Friseur wurde mir immer eingetrichtert, dass nur Profiprodukte wirklich effektive und nachhaltige Ergebnisse bei der Haargesundheit erzielen. Das hat sich jedoch als Trugschluss herausgestellt. Meine absolute Überraschung war, dass ich Pantene Pro-V Volume Pur Shampoo zu einem meiner absoluten Lieblingsprodukte zählen kann – vor nicht allzu langer Zeit habe ich diese Marke noch verteufelt. Das zeigt, dass Haarpflege keineswegs pauschalisiert werden kann. Besonders beeindruckt hat mich auch die Firma Neqi, die es geschafft hat, Haarpflege im Mittelpreissegment mit nahezu professioneller Technologie in den Markt zu bringen. Negative oder richtig schlechte Produkte finde ich kaum; vielmehr dominiert die Präsenz mittelmäßiger Formeln, was wenig Raum für echte Innovationen lässt.
Welche Produkte sollte man im Sommer für das Haar unbedingt haben und worauf sollte man achten?
Die Haarpflege im Sommer unterscheidet sich nicht grundlegend von der im Winter – das Wesentliche ist der zusätzliche Schutz. Im Sommer rücken vor allem der UV-Schutz für Haare und Kopfhaut sowie der Schutz vor austrocknenden Einflüssen wie Pool- oder Meerwasser in den Vordergrund. Für diesen Zweck eignen sich Leave-in-Conditioner besonders gut, da sie häufig alle notwendigen Schutzfaktoren bereits mitbringen.
Wie sieht Deine eigene Haar-Routine aus?
Ich selbst betreibe mit meinen Haaren eine Wellen- und Lockenroutine, da meine natürliche Struktur am besten zu mir passt. Meist wasche ich meine Kopfhaut zwei- bis dreimal hintereinander – zuerst mit einem Tiefenreinigungsshampoo, dann mit einem Pflegeshampoo. Aufgrund meiner feinen Haarstruktur ersetze ich einen ausspülbaren Conditioner häufig durch einen Leave-in-Conditioner, der mir dieselben Effekte liefert und gleichzeitig Hitzeschutz, UV-Schutz sowie eine wunderschöne Oberfläche bietet.

Im Styling nutze ich danach einen Schaum, der meinen Ansätzen Halt und Volumen verleiht, sowie ein Lockengel für Längen und Spitzen, um Locken und Wellen richtig herauszuarbeiten. Mein Pro-Tipp: Halte die Haare während der gesamten Routine konsequent nass, um so viel Feuchtigkeit wie möglich einzulagern, und föhne zumindest die Ansätze immer mit einem Diffusor. Zusätzlich empfiehlt es sich, direkt vor dem Föhnen überschüssige Feuchtigkeit mit einem Baumwolltuch oder einem alten T-Shirt herauszunehmen, um unnötigen Frizz zu vermeiden.
Von wem lässt Du Dir selbst die Haare schneiden?
Entgegen meinen eigenen Empfehlungen habe ich nur selten die Möglichkeit, selbst einen Haarschnitt zu bekommen. Meistens passiert das auf Seminaren oder Veranstaltungen, bei denen ich mit vielen Friseuren zusammenarbeite – da vertraue ich meist meinen Kollegen blind. Wenn ich in meiner Region bin, gehe ich vor Ort zu einer guten Freundin in ihren Salon, der „Einfach Schön“ heißt – das Motto ist dort definitiv Programm.
Meine Präferenz beim Haarschnitt ist ein Calligraphy Cut, da meine Locken und Wellen auf diese Art am besten zur Geltung kommen. Im Styling selbst bin ich sehr simpel und möchte mit wenigen Handgriffen und Produkten das Maximum an Look herausholen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Haarpflege und Haarstyling einfach und unkompliziert sein müssen, damit es Spaß macht und man langfristig dranbleiben kann.