Wahlentscheidungen fallen immer kurzfristiger, oft erst in der Wahlkabine. Entsprechend intensiv sind die letzten Tage vor dem großen Wahltermin. Am 9. Juni geht es um Orts- und Gemeinderäte, Kreistage, an vielen Stellen um Bürger- und Oberbürgermeister sowie Landräte.
Über mangelnde politische Prominenz im Wahlkampf kann sich das Land nicht beklagen. Olaf Scholz, Katarina Barley (beide SPD), Friedrich Merz (CDU) und Terry Reintke, die deutsche und europäische Spitzenkandidatin der Grünen, hatten Abstecher ins Saarland fest in ihren Kalender eingetragen. Auftakt zum Endspurt ab der Pfingstwoche.
Aber dann mussten die Wahlkampfteams ihre ganze Flexibilität unter Beweis stellen. Terry Reintke hatte noch Glück für ihre geplanten Gespräche, unter anderem auch zur großen Transformation in der Stahlindustrie. Einen Tag später beherrschten die Fluten das Land.
Die SPD musste ihre geplante große Wahlkampfveranstaltung absagen, Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley konnte erst gar nicht anreisen, auch Olaf Scholz verzichtete auf SPD-Wahlkampf, kam stattdessen als Bundeskanzler, um sich in Gummistiefeln persönlich einen Überblick über das Ausmaß der Fluten im Notstandsgebiet zu machen.
Zwar hatte sich das Hochwasser nach Pfingsten wieder allmählich zurückgezogen, die Wetterprognosen blieben aber kritisch. Die CDU verlegte den Auftritt von Friedrich Merz kurzerhand ins Theater am Ring in Saarlouis. Ob sie alle nur für Kommunal- und Direktwahlen ins Saarland gekommen wären, sei mal dahin gestellt. Dass für den Auftritt von Friedrich Merz allerdings ausgerechnet Saarlouis ausgesucht wurde, hat auf jeden Fall damit zu tun.
Saarlouis, die heimliche Hauptstadt des Landes, hat einiges zu bieten. Als Stadt sowieso, aber diesmal auch im Wahlkampf. Erstens: Es wird einen neuen Oberbürgermeister geben, weil der bisherige aus Altersgründen nicht mehr antritt. Zweitens: Es wird einen Generationswechsel an der Rathausspitze geben. Die beiden aussichtsreichsten Bewerber sind 40 beziehungsweise 38. Und – drittens – verbindet sie beide mehr als nur die Tatsache, dass sie derzeit Landtagsabgeordnete sind. Sie haben zusammen die Schulbank in der Berufsschule gedrückt. Vor allem aber: Das Rennen zwischen Florian Schäfer (SPD) und Marc Speicher (CDU) gilt als völlig offen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es erst in einer Stichwahl entschieden wird, ist einigermaßen groß, weil mit Gudrun Bierbrauer-Haupenthal (FDP) sowie Carsten Becker (AfD) zwei weitere Bewerber um Stimmen kämpfen. Dass einer aus diesem Bewerberquartett gleich im ersten Durchgang über 50 Prozent der Stimmen bekommt, ist bei dieser Ausgangslage nicht zwingend zu erwarten, aber durchaus auch möglich.
Eigentlich sind das schon ausreichend Zutaten für eine spannende Wahl. Aber natürlich ist allen bewusst, dass gerade der Saarlouiser Direktwahl eine besondere Aufmerksamkeit sicher ist – was die Bedeutung der übrigen 20 Direktwahlen keineswegs schmälern soll. Aber diese Wahl wird für die Partei des Gewinners hohe symbolische Bedeutung haben. Gewinnt Marc Speicher, wird es der erste wichtige Sieg für die CDU nach dem Absturz bei der Bundes- und Landtagswahl. Sollte Florian Schäfer gewinnen, wird die im Land alleinregierende SPD darin eine wichtige Bestätigung ausmachen.
Einige Wahlen mit besonderer Symbolkraft
Das gilt natürlich auch für die anderen Direktwahlen, aber die beschriebene Ausgangssituation in Saarlouis ist eben besonders. Vielleich noch vergleichbar mit der Wahl im Regionalverband Saarbrücken. Dort tritt Amtsinhaber Peter Gillo (SPD) ebenfalls aus Altersgründen nicht mehr an. Um den Chefsessel im Saarbrücker Schloss konkurrieren fünf Bewerberinnen und Bewerber.
Aufgrund der Struktur dürfte dort aber die SPD mit Carolin Lehberger die etwas bessere Ausgangssituation gegenüber der Konkurrenz haben. Auch dort wird allein schon wegen der Zahl der Kandidatinnen und Kandidaten eher davon auszugehen sein, dass die Entscheidung in einer Stichwahl fallen wird.
Eine Stichwahl wäre bei der Landratswahl in St. Wendel dagegen schon ein Achtungserfolg für Réka Klein. Die 35-jährige SPD-Landtagsabgeordnete fordert den langjährigen Landrat Udo Recktenwald (CDU) heraus, der mit einem klaren Amtsbonus im traditionell schwarzen Landkreis St. Wendel eine dritte Amtszeit anstrebt. Allerdings hatte die SPD bei der letzten Bundes- und Landtagswahl auch im Kreis St. Wendel die Nase vorn. Realistischerweise wäre aber alles andere als die Wiederwahl von Udo Recktenwald eine politische Sensation.
Im Landkreis Neunkirchen tritt Landrat Sören Meng zur Wiederwahl an. Herausgefordert wird er von Markus Groß (CDU) und Christoph Schaufert (AfD).
Besondere Aufmerksamkeit dürfte sich auf Homburg richten, wo ebenfalls ein neuer Landrat, gleichzeitig aber auch ein neuer Oberbürgermeister gewählt wird. Für die Nachfolge von Landrat Theophil Gallo (SPD), der aus Altersgründen aufhört, bewerben sich Frank John (SPD), Klaus-Ludwig Fess (CDU), Christian Wirth (AfD) und Barbara Spaniol (Die Linke). In der Kreisstadt Homburg hoffen viele, dass mit Wahl eines neuen Oberbürgermeisters wieder mehr Ruhe in die Stadtpolitik einkehrt. Ob das bei der Vielzahl der Kandidaten im ersten Wahlgang gelingt, ist fraglich. Neben Michael Forster (CDU), Pascal Conigliaro (SPD), Markus Loew (AfD), Bruno Leiner (Die Linke) und Marc Piazolo (Grüne) steht auch Rüdiger Schneidewind als Einzelbewerber auf dem Wahlzettel. Der suspendierte Oberbürgermeister Schneidewind hatte sich aus formalen Gründen zu einer Kandidatur entschlossen, nachdem sein eigener Antrag auf Versetzung in den Ruhestand im Stadtrat nicht die nötige Mehrheit gefunden hatte.
Bürgermeisterwahlen gibt es zudem in den Städten Dillingen, St. Wendel, Völklingen und Wadern, in den Gemeinden Beckingen, Kirkel, Marpingen, Merchweiler, Namborn, Oberthal, Perl, Quierschied, Saarwellingen, Schiffweiler, Schwalbach und Weiskirchen.
Es gibt einiges zu tun für alle Wahlberechtigten und schließlich auch in den Wahllokalen. Denn neben den Direktwahlen stehen Orts-, Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte zur Wahl. Und nicht zuletzt auch die Richtungswahl für Europa. Oft genug müssen Wahlkämpfende, wie sie uns berichten, erst einmal darüber aufklären, wie es sich mit diesen vielen Wahlen verhält. Jedenfalls ist spürbares Interesse daran quer durchs Land zu sehen.