Bei dem Cocktail aus Hitze, Dürre und Wind brennt alles – egal ob Misch- oder Kiefernwald. Die meisten Waldbrände sind vom Menschen verursacht, und der Mensch muss sie auch wieder löschen. Lindon Pronto vom European Forest Institute (EFI) und Senior Expert bei dem Projekt „Waldbrand, Klima, Resilienz“, weiß wie.

Herr Pronto, Hitze und deutsche Wälder. Wie gut passt das zusammen?
Das hängt davon ab, wo wir uns bewegen. Denn auch in Deutschland sind die Ökosysteme divers. Der Hochschwarzwald ist beispielsweise ganz anders als das östliche Brandenburg, das aufgrund seiner trockenen Böden sowieso feueranfälliger ist. In Luckenwalde oder im Landkreis Potsdam-Mittelmark, wo wir in den letzten Jahren größere Brände hatten, kommt auf den Flächen ein natürlicher Pionierwald nach. Der ist sogar besser an die Zukunft angepasst.
Ein Misch- oder Laubwald schafft ein Innenwaldklima, das resilienter gegen Feuer ist. Wenn man gleich wieder mit Kiefern aufforstet, macht man das Problem schlimmer. So oder so, wenn die Wälder morgen abbrennen, ist das, was da nachkommt der Zukunftswald. Je nach Ökosystem und Schwere des Feuers kann das entweder eine positive oder negative Entwicklung sein.
Also können unsere Wälder mit dem Feuer umgehen?
Wir haben kulturelle Feuernutzung, also Rodung im Schwarzwald und Mittelgebirge. Im Rheintal wird die Vegetation am steilen Hang mit Feuer bewirtschaftet. In den Chiemgauer Alpen wird Feuer zum Schwenden (durch Brandrodung urbar machen; Anm. d. Red.) eingesetzt, sodass die Almflächen für die Kühe freigehalten werden. Heideflächen in ganz Deutschland brauchen sogar Feuer, um ihre ökologische Struktur zu erhalten – deshalb brennen wir dort jedes Jahr für den Naturschutz. So haben sich über die Jahrhunderte und Jahrzehnte die Landschaften an ein menschlich verursachtes Feuerregime angepasst. Der Ausdruck Feuerregime bezeichnet, wie häufig, mit welchem Muster und welcher Intensität es in einem Gebiet über lange Zeiträume hinweg zu Bränden kommt. Zum Beispiel, in borrealen, afrikanischen, brasilianischen oder australischen Gebieten hat man natürliche Feuerregime. In Deutschland sind es kulturelle, also vom Menschen gemachte. Durch Landnutzung und die traditionelle Nutzung von Feuer hat sich die Natur angepasst.
Was macht dem Wald bei Hitze besonders zu schaffen?
Wir haben eine Kombination aus Klimawandel, ausgetrocknetem Boden und Starkregenereignissen. Die Wasserspeicherkapazität sinkt, denn vor allem in steilem Gelände fließt der Starkregen einfach ab. Im Alpenraum entstehen Brände vor allem durch vermehrte Blitzschläge. Ereignisse wie aktuell in der Schweiz, wo 100 Hektar Wald brennen, werden wir künftig mehr sehen.
Zu Dürre und den Hitzeperioden kommt der menschliche Faktor: unser Maschineneinsatz bei der Ernte, Funkenbildung an Bahngleisen oder ganz einfach Fahrlässigkeit. Wir leben in einer Kultur, in der Feuer keine große Rolle gespielt hat, sodass Unachtsamkeit zumindest in der Vergangenheit weniger große Feuer auslöste.
Zudem machen Munitionsverdachtsflächen in Deutschland sehr große Probleme. Geschätzt zwei Prozent der Landesfläche sind durch Munitionsaltlast kontaminiert. Alte Phosphormunition entzündet sich teilweise selbst. Das bereitet Schwierigkeiten bei den Bekämpfungsmaßnahmen, weil man an die Brandherde nicht so einfach rankommt, und dort werden die Brände viel größer.
Was sind Maßnahmen zur Waldbrandbekämpfung und wovon hängen sie ab?
Brandbekämpfung basiert grundsätzlich auf dem Entzug von Brennmaterial, Sauerstoff oder Wärme. Mit Bulldozern oder Planiermaschinen kann man einen Wundstreifen bis auf den Mineralboden ziehen, um den Nährstoff wegzunehmen. Man versucht mit Wasser die Hitze herauszunehmen und durch Netzmittel entzieht man den Sauerstoff. Per Hand kann man das auch mit Erde tun. Dieses Prinzip bleibt auch bei Nachlöscharbeiten das gleiche.

Es ist situationsbedingt, wo man was machen kann. Bei Munitionsflächen müssen Einsatzkräfte eine Deckung von mindestens 500 Metern halten, sowohl auf dem Boden als auch in der Luft. Wenn man aber aus einem Hubschrauber aus 500 Metern Höhe Wasser abwirft, verdunstet es und kommt gar nicht am Boden an. Oder im Wald kommt das Wasser gar nicht effektiv durch die Baumkrone. Man muss beachten, was für eine Topografie vorliegt. Bei unwegsamem Gelände fangen die Probleme schon weit entfernt von den Brandherden an. Anderseits: Gefährdete Wohn- und Siedlungsflächen oder kritische Infrastruktur machen das Ganze noch komplizierter.
Im Kontext der Waldbrandprävention ist häufig von einem Umbau hin zu mehr Mischwäldern die Rede. Ist das die Lösung?
Mischwälder bieten ein Waldinnenklima, das an sich feuchter ist und dadurch die Wälder weniger feueranfällig macht. Unabhängig von der Waldart oder dessen Zustand kann bei dem Cocktail aus Hitze, Dürre und Wind schlussendlich aber jeder Wald brennen. Deshalb müssen wir auch davon ausgehen, dass es überall in Deutschland brennen kann, wenn „Feuerwetter“ herrscht. Ein Beispiel: Im Rhein-Neckar-Kreis gibt es teilweise Mischwald, der trotz seiner Eigenschaften in den letzten Jahren zu einem Hotspot wurde, der anfällig für Feuer ist.
Würde es helfen, wenn wir unsere Wälder umbauen?
Ja, Waldumbau ist ein Punkt, der aber Jahrzehnte dauert. Deshalb brauchen wir auch kurzfristige Maßnahmen, denn das Problem kommt zu schnell auf uns zu. Da gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte: Wenn es darum geht Emissionsausstoß zu verhindern, möchte man natürlich einen Wald, der wenn es brennt, nicht so intensiv abbrennt. Oder aber der Fokus liegt darauf, zu verhindern, dass Torf- oder Moorgebiete brennen. Diese speichern große Mengen an CO2, und sie zu löschen ist extrem herausfordernd. Wenn es um den Schutz von Kulturgütern geht, steht der Wald an zweiter Stelle, denn es geht hauptsächlich darum, Werte und Infrastruktur zu retten.
Welche kurzfristigen Maßnahmen wären das?
Die Faktoren, die Feuerverhalten beeinflussen, sind Topografie, Wetter und Vegetation. Topografie und Wetter können wir nicht verändern, also bleibt nur die Vegetation. Wenn man Güter schützen will, muss man kurzfristig technische Maßnahmen einsetzen, Pufferzonen schaffen, Brandlast reduzieren und Wege für die Feuerwehr freimachen. Der Wald sollte dann so aufgebaut sein, dass kein Leitereffekt eintritt. Das bedeutet, dass das Feuer nicht vom Boden in die Baumkronen gelangt. Auf dem Boden ist das Feuer besser beherrschbar, weil man dort das Brennmaterial entziehen kann.
Wie lange würde es überhaupt dauern, den Wald umzubauen?

Also erstmal: Wir sind als Menschen immer so arrogant und denken, wir müssen Gefahren – die wir als Gefahren betrachten – verhindern oder umgehen.
In Brandenburg hat es wie gesagt 2018 gebrannt und 2022 standen dort schon wieder die ersten Bäume von einem ganz anderen Wald – das ging ziemlich schnell. Dann ist natürlich die Frage, welche Faktoren wir bevorzugen. Bei Wirtschaftsfaktoren ist Waldbrandrisiko eher ein Nebenfaktor, und es geht darum, wie man mit dem Wald am meisten Geld machen kann. Wir werden auch nicht alle Wälder abholzen und Waldumbau betreiben. Das ist eher ein Konzept, was in unser Management einfließen sollte. Aber wenn abgeholzt wird, sollte darüber nachgedacht werden, wie danach wieder gepflanzt wird. Wenn ein Stück Wald abbrennt, sollte ebenfalls darüber nachgedacht werden, ob danach überhaupt wieder gepflanzt werden sollte.
Wer baut eigentlich um?
Diese Frage stellt man sich zum Beispiel auch in Brandenburg. Die Waldbesitzer dort sind mit dem Thema Wild und Waldbrand ziemlich alleine gelassen. Die Kosten pro Hektar, neue Baumarten gegen Wild zu schützen oder gegen Feuer festzumachen, sind enorm. In der Politik wird gerne von Waldumbau gesprochen. Aber wer setzt das eigentlich in welchem Zeitraum um und wer bezahlt das? Waldumbau, wenn der Wald abbrennt, geht rasant.
In manchen Ländern ist es gesetzlich so geregelt, dass man innerhalb von einem Jahr nach einem Brand wieder pflanzen muss. Dieser Pflanzungsprozess kann durch das ganze Vor-Roden ziemlich aggressiv sein und trocknet die Böden noch mehr aus. Zum Beispiel in Kroatien gab es ein solches Gesetz. Dann wurde es dahingehend geändert, dass man erst ein paar Jahre wartet, ob sich der Wald von selbst wieder erholt und zurückkommt. Und wenn er nicht zurückkommt, dann wird gepflanzt. Was da mittlerweile an Vielfalt zurückkommt, ist erstaunlich. Die Biodiversität von Pflanzen und Tieren ist sehr schön zu sehen.
Sie waren in der ganzen Welt mit dem Thema Waldbrand-Management unterwegs. Was können wir von anderen Ländern lernen?
Auf der einen Seite müssen wir die gute Praxis im Umgang mit Hitze und Waldbränden lernen und das Rad nicht neu erfinden. In Deutschland finde ich es manchmal eigenartig, dass man so tut, als wären die deutschen Wälder anders als alle anderen Wälder. Damit limitiert man sich selbst darin, Lösungen zu finden. Abgesehen davon: eins zu eins übernehmen geht natürlich auch nicht. Im Rheintal gibt es vorbildliche Versuche mit Korkeiche und anderen mediterranen Baumarten. Aber hier wird auch darauf geachtet, dass neue Baumarten in das gesamte Ökosystem-Konzept passen. Denn auch, wenn die Klimabedingungen ähnlich sind, bleibt das Landschaftsbild unterschiedlich.
Also auf der einen Seite geht es um Austausch und darum, gemeinsam eine feuerresiliente Landschaft zu schaffen. Auf der anderen Seite haben wir akute Herausforderungen, auf die wir reagieren müssen. Das bezieht sich auf die Reaktionsebene: Wir müssen Einsatzkräfte trainieren und ausbilden, entsprechend ausrüsten, und bewährte Praktiken anpassen und ausbauen. Wir müssen auch unser System ehrlich bewerten. Ist unser Volontär-System bei der Feuerwehr geeignet für langanhaltende Großschadenslager wie es oft bei Großbränden ist? Einen Großbrand zu löschen ist sehr harte und dreckige Arbeit und ist nicht zu vergleichen mit einem Drei-Stunden-Löscheinsatz bei einem Gebäudebrand. Da müssen wir uns strukturell auf ganz andere Gefahrenarten einstellen.
Sollte das jedes Bundesland einzeln für sich erarbeiten?

Nein, es lohnt sich nicht, die Waldbrandmanagementkapazitäten in allen 16 Bundesländern einzeln aufzubauen. Wir müssen geschickter werden mit grenzübergreifenden Ressourcen, und dafür brauchen wir eine geeignete nationale Waldbrandstrategie. Viele andere Länder besitzen eine solche Strategie bereits, und auch auf EU-Ebene ist es übergreifend geregelt. Wir sollten das auf der Bundesebene anpassen. So sollte man zum Beispiel um vorbereitet zu sein, die Bereitstellung von Luftfahrzeugen für Waldbrandbekämpfung an die Vorhersagen von Waldbrandgefahr koppeln. In Deutschland wird häufig erst Unterstützung aus der Luft angefordert, wenn das Feuer nicht beherrschbar ist. Bis die Unterstützung da ist, kann es bis zu zwei Tagen dauern. Andere Länder nutzen die Feuerbekämpfung aus der Luft als Erstangriff, denn die Luftfahrzeuge sind am schnellsten vor Ort.
Alles in allem können wir also Brände gar nicht vermeiden, sondern nur bekämpfen?
Es geht nicht darum, Waldbrände zu verhindern oder sie effektiver zu bekämpfen. Wir sehen Beispiele aus Kalifornien, Spanien oder Australien: Dort sind die am besten trainierten Einsatzkräfte, und die haben trotzdem Schwierigkeiten, das Feuer zu kontrollieren, da die inzwischen über die Kontrollschwelle gehen – da sind alle machtlos.
Es geht vielmehr darum, die Gesellschaft feuerresilienter zu machen. Ohne Menschen könnte der Wald morgen abbrennen und er würde sich wieder erholen. Das Problem ist von Menschen gemacht und sitzt in deren Köpfen. Es müssen unterschiedliche Maßnahmen getroffen und vor allem alle Akteure mit eingebunden werden. Wir machen beispielsweise eine Veranstaltung mit Almbauern, Feuerwehr, Bergwacht und Förstern. Das ist das erste Mal, dass diese Leute alle an einem Tisch zusammenkommen, denn viele denken immer, Feuer ist alleinige Aufgabe der Feuerwehr.