Zum ersten Mal findet in diesem Jahr am 15. Juni der Tag der Veteranen in Deutschland statt. Er soll für den respektvollen Umgang mit Angehörigen der deutschen Streitkräfte stehen. Für die Bundeswehr ein echter Balanceakt.

Es war reine Routine damals, noch zu Zeiten des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr: Kurz vor Mitternacht landet ein Airbus A 319 der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums, rollt auf seine Endposition. An Bord keine Ministerin oder Minister, sondern knapp 200 Soldaten. Hinter ihnen liegen sieben Flugstunden, sie kommen aus Termez in Usbekistan, dem Umsteige-Flughafen für die deutschen ISAF-Soldaten in Afghanistan. Hinter ihnen liegen mindestens vier Monate Auslandseinsatz, entweder im Feldlager in Kunduz, hauptsächlich aber im Camp Marmal, neben der Distrikt-Stadt Masar-e Scharif im Norden Afghanistans. Kontingentwechsel heißt das auf Bundeswehr-Deutsch. In der Empfangshalle in Köln-Wahn, dem militärischen Teil des Köln-Bonner Flughafens, warten Ehefrauen, Mütter, Väter, Schwestern oder Brüder, Kinder. Ein Begrüßungskomitee des Arbeitgebers ist nicht vor Ort. Es gibt keinen offiziellen Empfang, keine Dankesworte für den gefährlichen Einsatz am Hindukusch. Die Soldatinnen und Soldaten sind um Mitternacht einfach wieder da, werden von ihren Angehörigen in Empfang genommen. Und dann nichts wie weg. Vielleicht äußert sich der Vorgesetzte in der Heimatkaserne später positiv über das soldatische Engagement im Ausland.
Hier Routine, in den USA ein Volksfest
Bei der US-Armee läuft das anders. Kontingentwechsel ist bei ihnen ein großer Tag auf der MacDill Air-Base in Tempa, Florida, dem Hauptquartier des US Central Command für Auslandseinsätze. Dort landen die Soldaten nicht nachts, sondern mittags, und daran gekoppelt ist ein Volksfest. Doch bevor die GIs aus dem Auslandseinsatz entlassen werden, gibt es einen offiziellen Empfang und eine Danksagung durch mindestens einen zwei Sterne-General, immer dabei sind auch Veteranen der US-Armee, die ihre Kameraden in Empfang nehmen.
Wertschätzung für die Soldaten auf Amerikanisch hat eine lange Tradition. Selbst das militärische und vor allem humanitäre Vietnam-Fiasko konnte dem nichts anhaben. „Veterans Day“ am 11. November, das heißt in jeder größeren Stadt der Vereinigten Staaten Gottesdienste, Straßenparaden, Feiern.
Nun versucht sich die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr zum ersten Mal selbst mit einem Veteranentag. Dieser ist vom Bundestag im vergangenen Jahr auf den 15. Juni festgelegt worden. Es ist kein gesetzlicher Feiertag, sondern ein nationaler Gedenktag und das Dankeschön des Staates an die ehemaligen Mitglieder von Heer, Luftwaffe und Marine. Auch das respektvolle Gedenken an die im Einsatz Gefallenen soll in den kommenden Jahren dann immer am Wochenende um den 15. Juni stattfinden. Dieses Jahr fällt dieser auf einen Sonntag. Zentral begangen wird der Feiertag in Berlin auf dem Platz der Republik vor dem Bundestag mit einem Volksfest. Der Ort ist extra so gewählt, immerhin handelt es sich bei der Bundeswehr um eine Parlamentsarmee und das soll damit noch einmal symbolisch untermauert werden.
Für die Bundeswehr ist die Ausrichtung des nationalen Veteranentags eine echte Herausforderung, ein Balanceakt. Er soll bloß nicht zu patriotisch oder militärisch geraten. Erinnerungen an unrühmliche Zeiten der Wehrmacht oder den preußischen Militärapparat zu Kaisers Zeiten sollen auf jeden Fall vermieden werden. Andererseits soll es auch keine reine Volksbelustigung sein. Das wiederum könnte schnell als pietätlos gegenüber den im Einsatz zu Schaden gekommenen Soldatinnen und Soldaten ausgelegt werden.
„Große Fußstapfen“ von Eva Högl
Auch die gerade erst verabschiedete Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), weiß um diesen politischen, gesellschaftlichen, historischen Spagat. Trotzdem kämpfte sie, auch vor den mittlerweile zu Ende gegangenen fünf Jahren als Wehrbeauftragte, für den Veteranentag. „Hier geht es nicht um die Heroisierung des Soldatischen, sondern hier geht es um ein Dankschön an die Frauen und Männer, die im Zweifelsfall ihr Leben zum Schutz Deutschlands riskieren und leider auch zu ihrem Nachteil riskiert haben“, so Högl im FORUM-Gespräch. Die 56-Jährige hat den Auftrag des Parlaments als oberste parlamentarische Anwältin der Soldaten an- und ernstgenommen. Allein im vergangenen Jahr besuchte Högl die Truppe 250-mal. Dementsprechend beliebt ist sie bei den Soldaten. Ihr Nachfolger als Wehrbeauftragter, Henning Otte (CDU), „tritt da in große Fußstapfen“, wie er selbst sagt. Er begrüßt ebenfalls den Veteranentag. Sein Ansatz ist deckungsgleich mit dem von Eva Högl: „Wir müssen raus aus den Kasernen. Wenn wir die Soldatinnen und Soldaten ehren, muss dies öffentlich auf den Plätzen stattfinden, darum ist der Veteranentag eine große Chance, endlich wieder dort auch als Bundeswehr stattzufinden.“

Die Debatte um den Veteranentag hatte 2010 der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) aufgeworfen und wollte diesen mit dem Volkstrauertag im November verbinden. Doch das stieß bei den Parteien auf wenig Gegenliebe. Auch seine Idee zwei Jahre später, den Veteranentag auf den 22. Mai, den Jahrestag des Inkrafttretens der Wehrverfassung 1956 zu legen, fand wenig Freunde. Danach versackte die Debatte wieder. Die Bundeswehr war in der breiten Gesellschaft nicht mal mehr Nebensache, sie fand überhaupt nicht statt. Im Parlament erregte es nur noch Aufmerksamkeit, wenn bei der Bundeswehr mal wieder irgendetwas nicht klappte oder Auslandseinsätze verlängert werden sollten. Kein Problem in der Hochzeit der Friedensdividende nach dem Zusammenbruch der Sowjet-union. Die Bundeswehr wurde vor allem zum Sparobjekt der Haushalte des Bundestages. Die neue Definition: eine Auslands- oder Einsatzarmee. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) stieß 2019 die Debatte rund um die Veteranen neu an. Dies fiel nicht nur bei Eva Högl, sondern auch bei Boris Pistorius (SPD), damals Innenminister von Niedersachsen, auf fruchtbaren Boden. Als er im Januar 2023 überraschend auf die glücklose Kurzzeit-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ins Amt folgte, sorgte er zusammen mit Högl dafür, dass der Veteranentag wieder auf der parlamentarischen Agenda des Bundestages stand und ein Jahr später zum Gedenktag erklärt wurde. Ende Februar 2022 hatte der damalige Kanzler Scholz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die „Zeitenwende“ ausgerufen. Der Veteranentag war somit politisch plötzlich durchsetzbar und Pistorius hatte damit ein erstes seiner Ziele für die Bundeswehr, wenn auch nur ein symbolisches, erreicht.
Der Tag wird unter besonderer Beobachtung stehen, keine Frage. Die deutsche Vergangenheit ist das eine, der notwendige Dienst zur Verteidigung demokratischer Werte das andere. Pistorius ist um diesen Auftrag „seiner Bundeswehr“, wie er es selbst immer gern betont, nicht zu beneiden.