Nicolas Cage hat sich im Laufe seiner Karriere durch einen besonderen Schauspiel- und auch Lebensstil hervorgetan. Das blieb auch der Netzgemeinde nicht verborgen, und so wurde der Schauspieler in Form von Memes zum Internetphänomen. Er selbst ist davon weniger begeistert.

Ich bekenne mich schuldig. Auch ich gehöre zu den Menschen, die Nicolas Cage nicht ernst genommen haben. Im Büro trinke ich meinen Kaffee regelmäßig aus einer Tasse, die sein Gesicht als Fotomontage auf einem Katzenkörper zeigt. Eine Kollegin, die durch den Anblick stark herausgefordert ist, dreht sie im Schrank jedes Mal mit dem Bild nach hinten, um sie nicht sehen zu müssen. Ich hingegen fand das Motiv beim Kauf so skurril, dass es schon wieder lustig war. Heute denke ich, dass ich Nicolas Cage damit wohl doch Unrecht tue.
In den 2000er-Jahren wird er zum Meme
In meiner Jugend, um das Jahr 2000 herum, war Cage ein gefragter Schauspieler. Er war zwar kein schöner Brad Pitt, geschmeidiger Johnny Depp oder muskelbepackter Schwarzenegger, aber er war ein Typ. In eine Schublade passte er weder optisch – obwohl sein Augenaufschlag auch heute noch eine gewisse Anziehungskraft besitzt – noch was sein Schauspiel anging. Vor der Kamera zieht er stets alle Register und packt in seinen über 100 Filmen gerne die großen Gesten aus. Oft wurde ihm deshalb vorgeworfen, dass er schauspielerisch permanent übertreibe. Overacting nennt man das. Und zugegeben, die feinen Zwischentöne sind nicht direkt sein Fall. Zach Schonfeld, Autor des Buchs „How Coppola Became Cage“, sagt im Podcast „Cage Rage“ (ein ganzer Podcast über Nicolas Cage!) allerdings, dass der Schauspieler seinen Stil bewusst gewählt habe: „Er lehnt den modernen Realismus komplett ab und orientiert sich am Schauspiel des Stummfilms.“ Eine Tatsache, die aber oft missverstanden werde.
Nicht nur beim Schauspiel legt Cage Begeisterung für Unkonventionelles an den Tag. Wenn man in der Klatschpresse Dinge über Prominente liest, die zu unglaublich scheinen, um wahr zu sein, sind sie es meistens auch nicht. Wenn man aber etwas über Nicolas Cage liest, das sich völlig absurd anhört, kann man davon ausgehen, dass es stimmt. Er hat ein Spukhaus gekauft, einen Dinosaurierschädel ersteigert und hält eine Krähe als Haustier. Talkshow-Host Jimmy Kimmel fragte ihn jüngst: „Kann ich dir noch ein paar Nicolas-Cage-Legenden-Fragen stellen?“ „Na klar!“, antwortet Cage in einem Tonfall wie aus einem 50er-Jahre-Film, irgendwo zwischen Schwerenöter, Gentleman und Abenteurer. Ob er für eine Rolle einmal einen Käfig voller Fledermäuse gekauft habe, ob er tatsächlich eine zweiköpfige Schlange besitze, ob er wirklich in Draculas Schloss übernachtet habe, ob er von einem Pantomimen gestalkt wurde. Alles wahr, sagt Cage und erzählt die jeweilige Anekdote.

Seine Leidenschaft für Ungewöhnliches hat allerdings auch dazu geführt, dass er in finanzielle Turbulenzen geriet. Er verkalkulierte sich beim Immobilienkauf, hatte hohe Schulden und war mit den Steuern in Verzug. Das hatte als Konsequenz, dass er des Geldes wegen in den 2010er-Jahren vermehrt in Filmen mitwirkte, die man eher der B-Movie-Kategorie zuschreiben würde. Mittlerweile ist er wieder gut im Geschäft, besonders die beiden Filme „The Unbearable Weight of Massive Talent“ (er spielt sich selbst als erfolglosen Filmstar) und „Dream Scenario“ waren Highlights der letzten beiden Jahre.
Dass es eine Tasse wie die mit der Nicolas-Cage-Katze überhaupt zu kaufen gibt, dazu hat das Internet einen entscheidenden Beitrag geleistet. Es war Mitte der 2000er-Jahre, als nicht nur Cage gerade auf dem Zenit seines Schaffens war, sondern als auch das Web 2.0 erste Blüten trug. Jeder konnte im mittlerweile interaktiven Internet alles machen, schreiben, herunterladen, bearbeiten und veröffentlichen, und so wurden irgendwann die sogenannten Memes ein Ding. Bei einem Meme (Aussprache: „Miehm“) handelt es sich meist um ein Bild, das aus seinem eigentlichen Kontext genommen und mit einem lustigen oder ironischen Text versehen wird. Von zufällig im Netz gefundenen Privataufnahmen von Tieren oder Personen, über Prominenten-Bilder und Comics bis hin zu Standbildern aus Filmen: Jedes Bild kann zum Meme werden und wenn es einmal im Umlauf ist, verbreitet es sich oft rasant und unkontrollierbar.
Ein Beispiel für diese Dynamik ist der ungarische Rentner András Arató, der mit Anfang 60 für eine Fotoreihe posierte, die ihn bei alltäglichen Beschäftigungen wie dem Kaffeetrinken oder der Arbeit am Laptop zeigen. Auf den Bildern lächelt er zwar, das Lächeln sieht dabei aber so verzweifelt aus, dass der Gegensatz zwischen den gezeigten Alltagsszenen und dem qualvollen Gesichtsausdruck eher absurd ist. Die Bilder wurden schnell zum Hit und als „Hide the Pain Harold“ („Harold, der den Schmerz verbirgt“) zum Meme. Sie wurden zum Inbegriff für unangenehme Situationen, die man aus Höflichkeit übersteht, obwohl man innerlich leidet.
Unfreiwilliger Teil der Popkultur

Auch Nicolas Cage ereilte das Schicksal der Meme-Werdung. Sein expressiver Schauspielstil und sein extravagantes Auftreten blieben der Netzgemeinde nicht verborgen. Es dauerte nicht lange, da wurden einige seiner übertriebenen Gesichtsausdrücke als Vorlage für Memes verwendet. Eines davon ist das „You don’t say?“-Meme: ein stilisiertes Bild von Nicolas Cage mit einem gespielt überraschten Gesichtsausdruck und der Überschrift „You don’t say?“, also „Sag bloß!“. Das Meme wird oft verwendet, um offensichtliche Aussagen mit einem ironischen „Sag bloß!“ zu kommentieren. Unter dem Titel „Cage Rage“ (Cage-Wut) finden sich außerdem Bilder und Filmausschnitte von Nicolas Cage mit exaltierten Gesichtsausdrücken aus verschiedenen seiner Filme. Ein weiteres Beispiel ist das Meme „Not the Bees!“, bei dem es sich um ein Zitat aus dem Film „The Wicker Man“ handelt. In einer Szene wird Nicolas Cage mit Bienen gequält und reagiert extrem panisch. Dieses Meme wird oft verwendet, um eine übermäßige oder irrationale Reaktion auf etwas zu parodieren. Und dann gibt es auch noch den Ursprung der Nicolas-Cage-Tasse, nämlich die Memes „Nicolas Cage as Everyone“. Diese zeigen sein Gesicht auf den Körpern anderer Menschen, Prominenter, fiktiver Charaktere oder auch von Tieren. Und das sind nur einige Beispiele für die Nicolas-Cage-Memes, der auf diese Weise (und mehr als jeder andere Schauspieler) zum popkulturellen Phänomen jenseits seines eigentlichen Schaffens geworden ist.
Um als Meme wiedergeboren zu werden, war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Oder eher zur falschen Zeit am falschen Ort. Denn mit seiner Rolle als Internetphänomen hadert er. In einem Interview mit „Vanity Fair“ sagte er: „2009 machte ich den Fehler und googelte meinen Namen. Ich fand dieses Video ‚Nicolas Cage Losing His Shit‘ („Nicolas Cage rastet aus“; Anm. d. Red.) und es ging viral. Und plötzlich war ich ein Meme. Auf T-Shirts stand ‚You don’t say‘. In diesem Video wurden verschiedene Ausraster, die ich in Filmen hatte, zusammengestellt, ohne auf das Davor und das Danach zu schauen oder wie die Figur an diesen Punkt gekommen ist. Es gab nichts, was ich tun konnte, um es aufzuhalten oder zu kontrollieren.“ Obwohl es ihn frustriert habe, erzählt er dem „Guardian“, habe er sich damit arrangiert. Denn wenn man nicht gegen sie ankommt, muss man eben mitmachen: „If you can’t beat ’em, join ’em.“ Ein bisschen traurig klingt das schon, und wenn man sich die Begeisterung anschaut, die Nicolas Cage für viele Dinge an den Tag legt, kann man schon ein schlechtes Gewissen haben, wenn man Witze macht. Oder aus einer Tasse trinkt, die sein Gesicht auf einem Katzenkörper zeigt.