Wasserbüffel, Flusspferde, Elefanten ohne Ende: Wohl nirgends bietet Namibia so viel Wildlife wie im Caprivi-Streifen im tropischen Nordosten. Am Okavango fühlen sich Gäste gar wie im legendären Binnendelta, nur dass sie deutlich weniger zahlen als in Botswana.
Ist das noch Namibia? Jenes Land, das man mit den welthöchsten Sanddünen, der Kalahari und der Etosha-Salzpfanne, kurz: mit enormer Trockenheit assoziiert? Denn im während der Kolonialzeit geradezu absurd zugeschnittenen Caprivi-Zipfel, der sich wie ein Riesenstachel – 500 Kilometer lang und nur 30 bis 100 Kilometer breit – zwischen Angola, Sambia und Botswana schiebt, sieht Namibia ganz anders aus: dörflicher, grüner, wasserreicher, richtig tropisch. Als abgeschiedenes Paradies dümpelte der Landstrich zwischen Rundu und Katima Mulilo lange auch im touristischen Abseits. Was einerseits an heftigen Grenzunruhen und Unabhängigkeitsbewegungen lag, andererseits an der etwas mühsamen Erreichbarkeit. Im Westen bogen die meisten Namibia-Rundreisenden nach Etosha eher ab Richtung Windhoek, Reisende aus dem Osten zog es nach den Victoriafällen traditionell nach Botswana, insbesondere ins Okavango-Delta, seines Zeichens weltgrößtes Binnendelta. Dass der namensgebende Fluss samt anderen – wie dem mächtigen Sambesi und den Zuläufen des Chobe – in den nördlicheren Oberläufen ebenfalls für ein attraktives Setting sorgt, wussten Namibia-Profis zwar schon länger, doch erst seit einigen Jahren macht sich diese Erkenntnis breit.
Exklusive Bootsfahrt zu den Hippos
Die Folge: Zunehmend integrieren Reiseveranstalter den „Caprivi“, wie der offiziell Sambesi-Region genannte Landstrich nach wie vor allerorts bezeichnet wird, in ihre Routen. Und insbesondere an den Flussufern entstehen jede Menge neue Unterkünfte. Allesamt keine Hotelburgen, sondern stets überschaubare, traditionell gebaute Lodges. So wie das wegen seiner Lage und guten Preise top-geratete „Camp Kwando“ am gleichnamigen Fluss, der erst im Unterlauf zum eindrucksvollen Chobe River mutiert. Eindrucksvoll gestaltet sich die Kulisse aber schon vorher. Zwischen den Chalets, den Stellplätzen für Selbstversorger und den komfortablen Mietzelten ist wirklich alles im grünen Bereich. Wohin man blickt: Schilf, Wiesen, Blätterdickicht, wobei die Amarulabäume besondere Hingucker darstellen. Deren Früchte sind nämlich nicht nur bei Menschen, in Gestalt von Seife oder Likör, beliebt, sondern auch bei Tieren, allen voran Elefanten und den Vervet Monkeys. Die Rüsseltiere sind zwar überall in der Region anzutreffen, im Camp selbst lassen sie sich jedoch nicht blicken – dafür aber die drolligen Äffchen. Die hüpfen zudem gern auf den reetbedeckten Dächern der Hauptlodge herum, während im Inneren Fledermäuse abhängen. Sowohl auf diese kleinen Hausbewohner weisen Infoschilder hin als auch auf das benachbarte „lebende Museum“ der Xwe-Dorfgemeinschaft und die riesige Tiervielfalt im nahen Mudumu-Nationalpark.
So friedlich das Miteinander allerorts wirkt: Respekt und Vorsicht sind dennoch angebracht, etwa in dem zu Füßen der Lodge-Terrasse liegenden grün-feuchten Dickicht des Kwando. Daran erinnern einige „Beware of Crocodiles“-Tafeln. Wobei Wasserbüffel und Flusspferde im Allgemeinen als deutlich gefährlicher eingestuft werden. Dass die Angst vor den rund eineinhalb Tonnen wiegenden Hippos ihre Berechtigung hat, offenbart eine mit vier Gästen recht exklusive Bootsfahrt am Nachmittag. Mehr Passagiere gingen derzeit auch nicht, denn die geringen Niederschlagsmengen der letzten Monate sorgen für einen äußerst niedrigen Flusspegel, der nur noch leichtgewichtige Gefährte zulässt. „Vor ein paar Tagen“, erzählt unser Guide Aman, „sind wir sogar einmal im Schlick aufgesessen“. Schluck. Dass der niedrige Wasserstand auch die Hippos stresst, wird klar, als wir an einem ihrer Pools vorbeikommen. Diese tieferen Stellen im Fluss, bei denen die XXL-Vegetarier bis auf die Ohren untertauchen und sich feucht halten können, lieben sie. Nicht aber, wenn ihnen jemand zu nahe kommt. So wie wir. Sieben Augenpaare, knapp über der Wasseroberfläche, starren uns an. Normalerweise wäre es kein Problem, an der Herde vorbeizufahren, doch momentan ist der Fluss eben viel schmaler, die Herde merkbar angespannt. Als wir an den Bullen vorbeibrettern, springen uns einige sogar nach. Auf der Rückfahrt das gleiche Schauspiel. Kameras klicken, Adrenalin flutet. Und so schön es generell ist, nah an der Natur zu sein: In diesem Fall fühlte es sich ein bisschen zu nah an. Andererseits bescheren einem solche Abenteuer ja oft die besten Geschichten, zumal sich der Puls spätestens beim anschließenden Candlelight-Dinner wieder im Relaxmodus befindet.
Eine reiche Tierwelt am Okavango
Etwa 250 Kilometer weiter westlich liegt die „Ndhovu Safari Lodge“, erreichbar in gut drei Stunden über die fast schnurgerade, geteerte R8. Dreh- und Angelpunkt der Lodge stellt die Terrasse über dem rund 50 Meter breiten Okavango dar. Am gegenüberliegenden Ufer ist hier fast immer etwas zu spotten, mit bloßem Auge und erst recht mit dem installierten schwenkbaren Fernglas: Reiher, Rappen-, Pferde-, Moor- und andere Antilopen sowie Löwen und Krokodile. Die Beliebtheit hat mehrere Gründe. Zum einen den Fluss als nie versiegende Trink- und gut zugängliche Badestelle (herrlich, wenn die Elefantenfamilie samt Nachwuchs in die Fluten steigt!), zum anderen legen Lodge-Mitarbeiter regelmäßig leckere Salze aus. Andere Menschen jedoch müssen die Tiere nicht fürchten, gehört dieser Teil bereits zum unbewohnten Bwabwata-Nationalpark. Wer hier jedoch wohnt, sind rund 400 Vogelarten, was den regen Flugverkehr erklärt. An Land sorgen Nashornvögel, Fischadler und Co. zudem für exotische Soundtracks, wenn sie in den teils riesigen und charakterstarken Bäumen verweilen.
Alles in allem kein Wunder, dass sich Ralf Speh, Mannheimer mit Auswanderdrang und ausgeprägter Tier- und Afrikaliebe, vor mehr als 20 Jahren in die älteste Okavango-Fluss-Lodge des Caprivi-Streifens schockverliebte. Mehr noch: Er spielte mit dem Gedanken, sie zu übernehmen. Doch die Nähe zum damals bürgerkriegsgeplagten Angola hielt ihn ab. 2018, mittlerweile waren die Streitigkeiten beigelegt, ergab sich eine neue Chance. Diesmal griff er zu. Und durch. Denn die Lodge brauchte dringend ein Facelift. Speh legte los: Die zehn Safari-Zelte bekamen moderne, helle Badezimmer – unten mit Ziegeln, oben mit Holz und innen mit viel Platz, wobei die liebevoll gestalteten Chalets noch mehr davon bieten, inklusive Terrasse und Schaukelbett. Der absolute Hit aber sind die beiden in der Pandemie errichteten River-Suiten, laut Speh „die ersten schwimmenden Unterkünfte Namibias“.
Ein riesiges Schutzgebiet
Auch hier alles stilvoll und auf neuestem Stand, aber ohne Schnörkel und Chichi. Dafür mit viel Privatsphäre und Hippos, die in direkter Nachbarschaft und mit viel Platz den ganzen Tag (und selbst in der Nacht) plantschen, grunzen, grasen und chillen. Manche Gäste wollen da gar nicht mehr weg. Wobei sie einiges verpassen würden, insbesondere den Sundowner-Cruise mit hauseigenen Booten, und jede Menge Aktivitäten in der Umgebung: Angeltrips, Bootsausflüge zu den badefreundlichen (weil krokodilfreien) Popafällen sowie Helikopterflüge über das berühmte Okavango-Delta. Die sind auf namibischer Seite deutlich günstiger als in Botswana, wo auch Unterkünfte weit mehr kosten und dabei schwerer zu erreichen und zu buchen sind. Speh hingegen ist „ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis das Wichtigste“. Ein Bett im Safarizelt bietet er für 80 Euro an, Frühstück und üppiges Abendessen inklusive.
Deutlich preiswerter als in Botswana gestalten sich auch die Pirschfahrten. Die gehen schon gut los: mit dem Boot über den nicht zuletzt wegen seiner vereinzelten Grasinseln traumhaften Okavango. Am Nationalparkufer dann Umstieg in einen Jeep, mit dem es drei Stunden durch eine Landschaft geht, wie sie sich im Binnendelta so viel anders auch nicht gestaltet. Wenig erstaunlich, denn Botswana und die ersten Verästelungen des Okavango liegen nur einige Kilometer stromabwärts. Dass sich auch die Fauna ähnelt, hat nicht zuletzt mit KAZA zu tun, der vor elf Jahren ins Leben gerufenen Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area. Das durch den großflächigen Abbau von Zäunen entstandene weltgrößte Schutzgebiet, das sich auf rund 520.000 Quadratkilometern von Namibia über Angola, Sambia und Simbabwe bis nach Botswana erstreckt, erlaubt Tieren, grenzenlos zu wandern. Und so hüpfen über die Ruinen ehemaliger Armeelager heutzutage Impalas, Gnus und Kudus und passieren Elefanten und Wasserbüffel die einst schwer bewachten Grenzen. Der einst als „grüne Hölle“ bezeichnete Caprivi hat sich zu einer friedvollen Region entwickelt, von der alle profitieren, Menschen wie Tiere.