Wer nur die Gegend am Mittelmeer kennt, erlebt in Asturien sein grünes Wunder: eine buchtenreiche Küste, eine deftige Küche, ein kleines Kalkgebirge und Sidra statt Wein.

Sind das Robben? In der Bucht von Gijón in Nordspanien tummeln sich schwarze Gestalten. Es sind aber Menschen, Surfer. In ihren Neonanzügen tummeln sie sich im eiskalten Atlantik. Gijón, eine Stadt mit 270.000 Einwohnern, lädt zu langen Spaziergängen am Meer ein. Ein paar Kilometer weiter Richtung Santander wartet ein anderer, hübscher Ort: Llastres, berühmt für sehr große Tiere. Steht man oberhalb des Dorfes bei der Kapelle San Roque, sieht man die weißen Häuser, die sich übereinander türmen, von ziegelroten Dächern bedeckt. Dahinter, an der felsigen Küste, kann man bei Ebbe zu Saurier-Spuren wandern. Für andere große Tiere war Llastres ebenfalls bekannt, als Dorf der Walfänger.
Bei Ebbe findet man Saurier
Als Walfang nicht mehr lukrativ war, wanderten die Menschen aus. Und kehrten vermögend zurück: In Ribadesella stehen an der Uferpromenade Jugendstil-Villen in Pastellfarben, die Häuser der „Indianos“, also jener Rückkehrer, die aus Spanien nach „Westindien“ emigrierten, in die Karibik. Reich geworden durch Zuckerrohr und Sklavenhandel kehrten sie zurück. Wie absurd: Kolumbus reist von der Iberischen Halbinsel aus los, um Indien zu suchen. Stößt auf jenen Kontinent, der im Weg liegt. Daraufhin nennt man die Einheimischen Indianer. Und die spanischen Rückkehrer nennt man einfach genauso: Indianos. Rund 2.000 solche Villen stehen in Asturien, manche sind umgebaut zu Hotels.

Im Gastraum hängt ein Hirschgeweih. Die zupackende Besitzerin Elena sagt, wenn sie im Winter auf Schneeschuhen unterwegs ist, finde sie schon mal ein Geweih. „Wir haben hier Wölfe und Bären.“ Der Iberische Wolf ist etwas kleiner, knapp 3.000 von ihnen leben in Spanien. Sie reißen so ziemlich alle Säugetiere, die im Wald leben, von Wühlmäusen bis hin zu Damhirschen, und gerne auch mal ein Schaf. Elena und Javier zogen mit ihren kleinen Kindern vor 24 Jahren von Madrid in Elenas Heimat und eröffneten das B&B am Rande des Picos de Europa. Wölfe sind geschützt, aber sie würden gnadenlos gejagt, sagt Elena. „Ein Problem ist, dass es seit dem Bürgerkrieg noch immer so viele Waffen im Land gibt.“ Guide Fernando Abarquero Zorilla führt Wanderungen in den Picos. Die Bauern hätten es schwer in Asturien, sagt er. „Lammfleisch verkauft sich schlecht.“ In den Picos stehen viele kleine Steinhütten, alle verrammelt. 2.000 Schäferhütten waren es – „jetzt sind es noch fünf.“ Ohne die Schäfer verbuscht das offene Gelände, und „Wald ist schlecht für die Biodiversität“, erklärt er. „Im offenen Gelände leben Schlangen, die wiederum braucht der seltene Schlangenadler als Futter.“
Man kann wandern in den Picos de Europa – oder den Urlaub ruhig angehen. Wellness hat in Asturien Tradition, auch wenn das früher Thermalkur hieß. In Las Caldas – „Die Warmen“ – wurde 1772 ein Badehaus gebaut. Heute bietet die Anlage Pools und Saunen, dazu eine Sportklinik, medizinische Einrichtungen sowie ein Grand Hotel und eine moderne Dependance. Thermalwasser gibt es allerdings kaum. In den Pools dümpelt man in warmem Leitungswasser, nur für medizinische Anwendungen wird das thermale Wasser verwendet. Riesige Hotels mit großen Wellness-Oasen findet man in Asturien nicht. Aber ein bisschen im Pool treiben kann man hier und da, so in der „Hosteria de Torazo“. Entspannung im kleinen Stil bietet auch Elena an, die Wirtin mit dem Hirschgeweih. Statt mit Wölfen jedoch mit nach unten schauendem Hund. Ihre Yoga-Einheit startet vor dem üppigen Frühstück mit Honig aus den Picos de Europa und Rohmilchkäse. Allerschönste Wellness ist es allerdings, sich einfach auf den Balkon zu setzen, in die Landschaft zu schauen und die einfachste Yoga-Übung auszuführen: einatmen – ausatmen.
Shoppen und Cafés in Oviedo

Die kleine gelbe Bahn zockelt los, in ein enges Tal, dann hinunter ins Finstere der ehemaligen Mine. Es rumpelt und poltert, laute Schläge, Motoren, Kreischen von Metall. Es dauert eine Weile, bis man begreift: Der Lärm kommt vom Band, es sind historische Minengeräusche. Hinter der felsigen Küste liegt Langreo, eines der einst größten Industriegebiete Spaniens. Kohlebergbau war der Motor der Industrie, 1969 war Schluss damit, die Ruinen können heute besichtigt werden.
Düster, verstaubt, viel Leerstand, dunkle Fenster, leere Fensterhöhlen, so zeigt sich hier die Umgebung. Doch die Vergangenheit war lebhaft, vibrierend, erklärt Leticia Lara, eine junge Einheimische, die Geschichte des Bergbaus. „Die Minenbesitzer haben sich um alles gekümmert. Es gab Läden, Kinos, Sportstätten.“ Bei der Fahrt nach Langreo fährt man an einem riesigen Kohlekraftwerk vorbei. Ja, sagt Lara, „da arbeitet mein Vater. Die Kohle kommt heute aus Lateinamerika. Das ist eben die Globalisierung.“ Nun soll das industrielle Erbe zum Tourismus und somit erneut zur Wirtschaft beitragen.

Samstagvormittag in Oviedo. Man trifft sich am Markt zum Shoppen, danach geht es in die Straßencafés. Das Grundrauschen südlicher Städte breitet sich aus, Gemurmel, Gelächter, Kinder, Geschirrklappern. Und Gläserklirren. Auf den Tischen stehen Sidra-Flaschen, Apfelwein, das Getränk Asturiens schlechthin. Oft wird er mit großem Brimborium ausgeschenkt. Ein Kellner streckt die Flasche weit in die Höhe, schenkt in ein Glas, das er mit der anderen Hand weit nach unten hält. Das säuerliche Getränk soll mit dem Sauerstoff spritziger werden. Dazu isst man Fabada, einen Bohneneintopf.
Einer der größten Sidra-Hersteller ist Trabanco in Lavandera, zwischen Oviedo und Gijón gelegen, eine Gegend voller Apfelbäume. Den Winter über lagert der Sidra in Fässern aus Kastanienholz mit je 40.000 Litern. Es gibt naturtrüben und gefilterten Sidra, sauren und milderen und auch sortenreinen.
Im Frühjahr wird der Apfelwein schließlich in Stahlfässer umgefüllt – und die lagern in Lavandera in einem fast vergessenen Tunnel. Durch diesen Tunnel sollte eigentlich eine Bahn zu den Minen fahren, das Projekt wurde jedoch nie fertig.
Mit Sidra ist es wohl wie mit dem bekannten hessischen Äppelwoi: Man braucht ein bisschen Zeit, sich an das Getränk zu gewöhnen. Ein einziger Urlaub reicht da nicht. Barbara Schaefer