Ein Jahr nach Regierungswechsel sieht die Vereinigung der saarländischen Unternehmensverbände die Politik der SPD mit Respekt. Dennoch gibt es Kritik an „kleinteiligen“ Ansätzen wie etwa dem Klimaschutzgesetz, so Verbandspräsident Oswald Bubel.
Herr Bubel, sehen Sie eine Veränderung oder gar einen Neuanfang in der saarländischen Wirtschaftspolitik nach einem Jahr SPD-Regierung?
Von einem Neuanfang würde ich nicht sprechen. Die heute alleinregierende SPD hatte ja in den vorherigen Regierungen bereits das Wirtschaftsministerium inne. Das Begonnene wird fortgeführt, sogar von denselben Menschen, die nun die Früchte ihrer Arbeit der vergangenen Jahre ernten, wenn wir beispielsweise auf die Ansiedlungen schauen. Ein Punkt, den wir sehr begrüßen, ist die Trennung der Ministerien für Wirtschaft und Arbeit. Wir hatten das schon länger gefordert. Im Fokus der weiteren Politik muss stehen, dass das Saarland ein Industrieland bleibt. Die bevorstehende Transformation ist von zwei Strömungen geprägt: dem Klimawandel und dem technologischen Umbruch in der Automobilindustrie. Für das Saarland hat das drastische Auswirkungen: 31.000 Menschen arbeiten im produktionsnahen Automobilbereich, das sind fast acht Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. 18.000 davon arbeiten direkt an der Verbrennertechnik, 4,9 Prozent der Beschäftigten. Wenn wir für die hier wegfallenden Arbeitsplätze Ersatz schaffen wollen, benötigen wir eine Ansiedlungspolitik mit neuen Gewerbeflächen und gleichzeitig die Begleitung ansässiger, vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
Welche Bausteine dieser Strategie hat die Landesregierung im vergangenen Jahr gut, welche weniger gut bearbeitet?
Der Transformationsfonds, in dem ich auch Beirat bin, ist begrüßenswert. Er flankiert die Maßnahmen seitens des Landes, die notwendig sind, um den Herausforderungen zu begegnen. Ich wüsste nicht, wie das Land als Haushaltsnotlageland anders hätte reagieren können. Wir haben großen Respekt davor, dass es der Regierung gelungen ist, Wolfspeed in Verbindung mit ZF hier anzusiedeln und 600 Arbeitsplätze zu schaffen. Wolfspeed bietet die Chance, dass weitere innovative Unternehmen nachfolgen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Wir haben ebenfalls Respekt vor der geleisteten Arbeit in Sachen Ford, wo das Land sich aktiv in Nachfolgelösungen einbringt. Und wir freuen uns, dass es gelungen ist, ZF als Leitwerk für E-Mobilität zu erhalten. Wo wir noch Handlungsbedarf sehen, das ist das Thema Industrieflächen. Der Masterplan Industrieflächen 2, den Anke Rehlinger noch als Wirtschaftsministerin auf den Weg gebracht hat, bleibt weit hinter dem ersten Masterplan zurück. Wir müssen möglichen Investoren ausreichend große Flächen bieten, um die Ansiedlungspolitik zu unterstützen, die Wirtschaft zu diversifizieren. Wir haben gesehen, wie schnell etwa der Lisdorfer Berg und das Gewerbegebiet Zunderbaum belegt waren. Solche Flächen fehlen uns derzeit.
Wo sehen Sie derzeit die größten Gefahren für die Wirtschaft?
Es gibt mehrere Faktoren, die die Wirtschaft belasten: Zuvorderst sind das die immer noch bestehenden Lieferkettenprobleme, die stark gestiegenen Energiekosten sowie der Arbeits- und Fachkräftemangel. Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist mittelfristig sicher das größte Problem. Die Hälfte der Unternehmen kann schon jetzt ihre Stellen nicht mehr ausreichend besetzen. In dieser Situation an einer Rente mit 63 festzuhalten, halten wir für falsch. In Deutschland sind drei von zehn Menschen im Alter von 55 bis 64 aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Für einige Menschen in körperlich anstrengenden Berufen ist dies sicherlich richtig. Aber wir gehen davon aus, dass viele noch deutlich länger arbeiten könnten.
Wie beurteilen Sie den Stand der Digitalisierung im Land?
Was die Digitalisierung angeht, sind wir im Land grundsätzlich auf einem guten Weg. Die Glasfaserversorgung ist in mehreren großen Städten vorhanden. Wichtige Städte wie Homburg, Saarlouis und St. Wendel müssen jetzt zügig ausgebaut werden. Vor allem Schulen müssen an das Glasfasernetz angebunden werden, damit zeitgemäßer Unterricht möglich ist. Große Defizite sehen wir noch bei der digitalen Landesverwaltung. Im Rahmen des Online-Zugangs-Gesetzes nimmt das Saarland bisher im Bundesländervergleich eine unrühmliche hintere Position ein.
Begrüßen Sie die Umstellung von G8 auf G9?
Ja, denn G8 hatte die Folge, dass das Bildungsniveau der Schüler für eine Ausbildung häufig nicht mehr ausreichend war. Ich räume ein, dass die Wirtschaft lange darauf gedrängt hat, die Schulzeit zu verkürzen und Schüler früher in das Berufsleben zu überführen. Das ist gescheitert.
Ein Manko in den Schulen sehen wir bei der beruflichen Bildung in den Schulen. Es ist wichtig, dass Schüler neben dem Fachwissen auch Einblicke in künftige Berufsfelder vermittelt bekommen. Durch den demografischen Wandel gibt es zu wenige Jugendliche für die Ausbildung. Das können wir der Politik nicht anlasten. Aber wir glauben, dass eine bessere berufliche Bildung hier einen Unterschied machen könnte. Vor allem ist aus unserer Sicht wichtig, die MINT-Fächer zu stärken, und mehr junge Frauen für diese Berufe zu begeistern.
Das Land debattiert derzeit über ein Klimaschutzgesetz. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Wir haben bereits ein Bundesklimaschutzgesetz, das wir vollumfänglich unterstützen. Dort gibt es ja bereits Vorgaben unter anderem für CO2-Emissionen, den Solar- und Windkraftausbau. Ein Klimaschutzgesetz auf Landesebene lehnen wir ab, weil Klima eine globale, eine internationale Dimension hat. Bei diesem Thema ist der kleinteilige, regionale Ansatz aus unserer Sicht nicht sinnvoll. Schon gar nicht, da das Bundesgesetz Ziele ausreichend vorgibt.
Außerdem soll ein saarländisches Lobbyregister eingeführt werden – zu Recht?
Das ist ein unnötiger Nebenkriegsschauplatz. Wir haben bereits auf Bundesebene ein Lobbyregister. Ein weiteres saarländisches Register schafft nur weiteren Verwaltungs- und Kontrollaufwand.
Hatten Sie bereits Kontakt mit dem Transformationsbeauftragten des Landes?
Als Verband hatten wir bereits Kontakt, ich persönlich habe ihn noch nicht kennengelernt. Ich hoffe aber sehr, dass er die Vielzahl von Transformationsaktivitäten im Land ordnet und fokussiert. Aktuell haben wir zu viele und teure Doppelstrukturen. Wir sehen aber, dass die Regierung diesem wichtigen Thema Aufmerksamkeit widmet. Und das ist gut.