Zum Ende ihrer Karriere erfüllt sich Basketballerin Svenja Brunckhorst mit Olympia in Paris nochmal einen großen Traum. Dort hätte sie sogar in zwei Disziplinen starten können. Nach den Sommerspielen wartet ihre Managerin-Aufgabe bei Alba Berlin.
Svenja Brunckhorst ist eine Frau klarer Worte. Auch wegen ihrer Meinungsstärke, Eloquenz und Führungsqualitäten hat Alba Berlin die 32-Jährige zur neuen Managerin für den Mädchen- und Frauenbasketball ernannt. „Svenja bringt fachlich und menschlich alles mit, um unseren Club weiter voranzubringen“, sagte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi. Auch innerhalb des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) weiß man Brunckhorst Qualitäten abseits des Feldes zu schätzen, nicht umsonst ist sie dort seit Jahren Kapitänin der Frauen-Nationalmannschaft. Daher dürfte es die Funktionäre auch wenig überrascht haben, dass Svenja Brunckhorst zuletzt etwas Dampf abgelassen hat. Die Entscheidung zwischen zwei olympischen Wettbewerben bei den Sommerspielen in Paris sehen sie und Mitspielerin Sonja Greinacher als erzwungen an und machen dafür den Verband verantwortlich. „Unser Plan war bis vor Kurzem, an beiden Wettbewerben teilzunehmen“, sagte Brunckhorst dem „Tagesspiegel“: „Doch dann hat der DBB dem Ganzen einen Riegel vorgeschoben.“
Brunckhorst und Greinacher hatten sich sowohl im klassischen Fünf gegen Fünf mit der Nationalmannschaft als auch für die Basketball-Variante 3x3 für Paris qualifiziert. Die Vorrunde des Teamturniers findet vom 29. Juli bis zum 4. August in Lille statt. Die deutschen Spiele im 3x3 sind vom 30. Juli bis zum 3. August auf dem Place de la Concorde im Zentrum in Paris angesetzt. In diesem Zeitraum spielen beide deutschen Frauen-Teams einmal am selben Tag. Die Regeln hätten zwar einen Doppelstart erlaubt, doch zeitlich, logistisch und auch körperlich wäre es eine große Herausforderung gewesen. Zu groß? Brunckhorst hätte es offenbar gern versucht – und ist vor allem wegen der ihrer Meinung nach gemachten falschen Hoffnungen sauer. „Hätte der Verband von Anfang an gesagt, das geht nicht, wäre es okay gewesen“, sagte sie. Die Kommunikation sei „suboptimal“ gewesen, „wenn ich es nett ausdrücken will“.
Brunckhorsts Entscheidung war zuvor in einem vom Deutschen Basketball-Bund verbreiteten Statement mitgeteilt worden. Diese sei ihr extrem schwergefallen, verriet die DBB-Spielführerin: „Ich habe 20.000 Pro- und Kontralisten gemacht.“ Auf der Pro-Seite stand mit Sicherheit das besondere Erlebnis der Olympia-Qualifikation mit dem Team in Brasilien, nie zuvor hatte eine deutsche Frauen-Auswahlmannschaft das geschafft. Entsprechend sprach Bundestrainerin Lisa Thomaidis von einer „historischen Nacht“ nach dem entscheidenden 73:71 über Gastgeber Brasilien: „Wir haben uns in den letzten acht Monaten stetig entwickelt und an uns gearbeitet. Olympia wird für uns alle eine wichtige Erfahrung.“
Die schweren Vorrundenspiele gegen Olympiasieger USA, Europameister Belgien und Japan hätte auch Brunckhorst zum Ende ihrer Karriere gern noch mitgenommen und die Starspielerinnen Satou Sabally und deren Schwester Nyara auf und neben dem Feld bestmöglich unterstützt. Doch das 3x3 hat für sie seit einigen Jahren Priorität, dort sieht sie für sich und ihre Mitspielerinnen Greinacher, Marie Reichert und Luana Rodefeld auch bessere Medaillenchancen. Allein schon aus Loyalität zu Greinacher habe sie zu diesem Herzensprojekt nicht nein sagen können: „Ich spiele seit 16 Jahren mit Sunny zusammen und kann mir nicht vorstellen, ohne sie zu Olympia zu fahren.“ Beide hätten in das Projekt „so viel Zeit, Schweiß und Energie gesteckt. Dafür wollen wir uns jetzt belohnen“.
Außerdem wichtig: In Paris kann sie das Erlebnis des olympischen Dorfs voll genießen. „Olympia ist der Traum einer jeden Sportlerin“, sagte Brunckhorst: „Das wird wahrscheinlich das größte Erlebnis meiner Karriere.“ Und auch ihr letztes in der Spielerin-Karriere. Nach Olympia tritt sie ihren operativen Dienst als Topmanagerin bei Alba an. In der abgelaufenen Saison, in der die Alba-Frauen erstmals und bereits in der zweiten Saison nach dem Aufstieg den Titel holten, wurde sie hinter den Kulissen in ihren neuen Arbeitsbereich eingeführt. „Ich habe bei Alba gleich gesagt: Ich komme nach Olympia nach Berlin“, sagte Brunckhorst. Dort will sie – genau wie bei Olympia – den Frauen-Basketball voranbringen. Und darin sieht sie in ihrem 3x3-Start eine große Chance.
Priorität auf der 3x3-Variante
Sie erkenne, „dass 3×3-Basketball wirklich eine Plattform“ für das deutsche Frauen-Basketball sei, „man sieht, was das für eine Bühne den Spielerinnen und Spielern bietet und was für eine Community bereits dahintersteht“. Was die Sportart so attraktiv mache, sei, dass sie „für jeden und besonders auch die Laien gut geeignet ist, um einfach mal hineinzuschnuppern und auszuprobieren. 3×3 ist intensiv, es ist schnell, und uns macht es natürlich vor allem auch sehr viel Spaß.“
Neben der Teamstärke (je drei statt fünf) ist der größte Unterschied beim 3x3 im Vergleich zum klassischen Basketball, dass nur auf einen Korb gespielt wird. Bei der Streetball-ähnlichen Variante gewinnt eine Mannschaft vorzeitig, wenn sie innerhalb von maximal zehn Minuten als erste 21 Punkte erzielt. Ansonsten entscheiden die Punkte nach Ablauf der Zeit. Das 3x3 wurde am 9. Juni 2017 ins olympische Programm aufgenommen, nachdem es sieben Jahre zuvor bereits bei den Olympischen Jugendspielen in Singapur Teil des Wettkampfprogramms gewesen war. Ihre Premiere feierte die Disziplin 2021 bei den wegen Corona um ein Jahr nach hinten verschobenen Spielen in Tokio. Gold gewannen damals das US-Team (Frauen) und Lettland (Männer). Deutsche Mannschaften waren in der japanischen Metropole nicht am Start.
In Paris kommt es für das Frauen-Team gleich zum Vorrundenauftakt am 30. Juli zum schweren Spiel gegen Olympiasieger USA. „Wenn bei einem Basketballteam USA auf der Brust steht, muss es ein Favorit für Gold sein“, sagte Brunckhorst. Doch sie erklärte auch, dass es beim 3x3 deutlich häufiger zu Überraschungen komme: „In zehn Minuten kann alles passieren.“ Der Start in ein Spiel sei daher enorm wichtig, genauso wie Kommunikation und Abstimmung untereinander. Denn der Platz ist kleiner, die Aktionen hektischer und schneller, vom Trainer verordnete Auszeiten als beruhigendes oder taktisches Element gibt es auch nicht. „Daher sind diese Absprachen und Routinen untereinander auch so besonders wichtig“, erklärte Brunckhorst, die sich auch deshalb in dieser Disziplin so wohlfühlt. „Mein Job ist eigentlich, immer ein bisschen der Coach für die anderen zu sein. Ich muss die anderen Spielerinnen motivieren und sozusagen den Haufen zusammenhalten.“ Und genau das entspricht auch ihrem Naturell. „Ich muss emotional der Leader sein.“
Ähnlich leidenschaftlich will sie danach ihre Aufgabe bei Alba Berlin angehen. Hier soll die gebürtige Niedersächsin die Förderung und Entwicklung des Mädchen- und Frauenbasketballs im Club in allen Alters- und Leistungsstufen verantworten, „vom Minibereich bis zur Bundesliga, vom Freizeit- bis zum Spitzensport“, wie Alba bei der Vorstellung bekannt gab. Dabei wird sie sich eng mit Sportdirektor Himar Ojeda abstimmen, der die sportliche Leitung des DBBL-Teams weiterhin verantwortet. Bei Alba habe sie „eine eingeschworene Familie und viele engagierte Menschen kennengelernt, die sich mit Leidenschaft für Sport und Gleichberechtigung einsetzen“, sagte Brunckhorst: „Die Aufgabe reizt mich sehr, das kann etwas wirklich Gutes werden.“