Das „Juving“ im französischen Herbitzheim steht seit Generationen für besten elsässischen Genuss. Vor fünf Jahren haben Eric und Stephane Juving das Haus in vierter Generation übernommen – mit anhaltend großem Erfolg.
Vielen Menschen ist das „krumme Elsass“, L’Alsace bossue, bekannt. Es ist der hügelige Teil im Nordwesten unserer Nachbarregion. Wer vom lothringischen Sarreguemines auf der Straße über Rémelfing, Sarreinsming, Zetting und Wittring fährt, immer an Saar und Saarkanal entlang, erreicht Herbitzheim, den ersten Ort im krummen Elsass. Vier Kilometer hinter der Grenze zwischen dem Elsass und Lothringen.
Für alle Feinschmecker ist das natürlich etwas Besonderes, denn die lothringische Küche und die elsässische Küche unterscheiden sich schon recht deutlich! Das Gute: Beide Küchen liegen für uns praktisch vor der Haustür. Die französische Kochbuchautorin Marguerite Spoerlin zitierte in ihrem Buch „La cuisinière alsacienne“, die elsässische Köchin, eine elsässische Weisheit: „En Allemagne, c’est beaucoup, mais ce n’est pas bon. En France, c’est bon, mais ce n’est pas beaucoup. En Alsace, c’est bon et c’est beaucoup.“ Sie meint also: „In Deutschland sind die Portionen groß, aber nicht gut. In Frankreich isst man gut, aber nicht viel. Im Elsass isst man gut und viel.“
Dies mag in der Vergangenheit stärker gegolten haben als heute. Aber grundsätzlich ist da etwas dran. Wobei man deutlich sagen muss: In den vergangenen 30 Jahren ist die deutsche Küche deutlich besser geworden. Zum Beispiel verkauft der elsässische Käse-Affineur Bernhard Antony aus dem Sundgau, an der elsässisch-schweizerischen Grenze, mehr seiner hochwertigen Käse nach Deutschland als er in Frankreich an Restaurants verkauft! Obwohl auch Alain Ducasse mit seinen vielen besonderen Restaurants Kunde bei ihm ist!
Kaum eine Region in Europa hat für ihre Küche solch ein hohes Ansehen wie die elsässische. Sie präsentiert die gastronomische Entwicklung der Region. Die kulinarischen Traditionen des Elsass haben sich im Laufe der Jahrhunderte mit den deutschen Traditionen verbunden, während der jüdische Einfluss sich insbesondere bei der Verwendung von Gewürzen und der Zubereitung von Fisch bemerkbar macht. Nicht nur Gänsefett, Innereien, Froschschenkel und lokale Weine verleihen der elsässischen Küche ihren eigenen charakteristischen Geschmack.
Diese Küche ist eine Vermählung aus französischer Finesse und deutscher Herzhaftigkeit. In den vielen kleinen Bistros und Weinstuben findet man diese Küche. Die Küche im Elsass ist wahnsinnig vielschichtig! Hier gibt es große Schlachtplatten mit Sauerkraut, Würsten und Sauerkraut, frittierten Karpfen, Zwiebelkuchen, Hirschpfeffer, Baeckeoffe, Boudin mit Äpfeln, Gänsestopfleber, Fasan und noch sehr viel mehr.
Aber zurück nach Herbitzheim. Wir besuchen heute das Restaurant „Juving“. Wenn Sie das Gasthaus betreten, findet hier das Leben rund um den Tresen statt. Linker Hand gibt es noch einen Raum und hinter dem eigentlichen Gastraum zwei weitere. Einer für den täglichen Betrieb, der andere für Gesellschaften. Bis vor fünf Jahren betrieben die Eltern Jean und Caroline Juving das Haus. Es ist ein Familienbetrieb, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Rosa und Joseph Juving gründeten das Haus 1919. Inzwischen haben die Söhne Eric und Stephane in vierter Generation das Haus von ihren Eltern Jean und Caroline übernommen. Wobei: Ganz losgelassen hat die ältere Generation noch nicht. Bei unserem Besuch etwa bedient Mutter Caroline.
Ausbildung an TopInstitut
Zum Beruf des Kochs kam Eric Juving eher auf Umwegen: „Als ich mit dem Gymnasium fertig war, suchte ich einen Beruf, in dem ich mit den Händen arbeiten kann. Deshalb ging ich ins Schmuckgeschäft. Mein Chef dort war ein sehr kreativer Mann, das reizte mich. Mit den Händen schönen Schmuck herstellen, das wollte ich machen. Leider hatte ich nach der Ausbildung nur eine Halbtagsstelle bei ihm. Also ging ich in den Betrieb meiner Eltern, um etwas Geld zu verdienen. Ich kannte ja die Arbeit meiner Eltern seit meiner Kindheit.“
In dieser Zeit beschloss er dann umzusatteln und doch Koch zu werden. Im Fernsehen sah er eine Reportage über eine ganz besondere Kochschule: das Institut Paul Bocuse in Lyon. Genauer gesagt, in Ecully bei Lyon. Dort wollte er hin. Seine Ausbildung im Institut dauerte 30 Monate, und dieses Institut öffnet Türen. Die Schüler von „Monsieur Paul“, wie die Franzosen ihren berühmtesten Koch liebevoll nennen, machen ihre Praktika in der Regel nur in Drei-Sterne-Restaurants. In seinem Fall waren es das „Troisgros“ in Roanne und die „Auberge de L’Ill“ der Familie Haeberlin im Elsass. Zwei weltbekannte Namen mit einer ganz großen Kochtradition. Der junge Mann machte unbezahlbare Erfahrungen in diesen Häusern. Er arbeitete in einer Kochbrigade mit 25 Köchen auf höchstem Niveau. Die Arbeit war zwar hart, der Lohn nicht üppig. „Viel Arbeit, wenig Geld“, lacht er. Aber letztlich unbezahlbar.
Das macht sich heute bezahlt, wie wir vor Ort erleben dürfen. Zunächst gibt es einen Vorspeisenteller, der sich rund um die Tomate dreht. Es gibt Ravioli in einer eingekochten Tomatenbouillon, die Ravioli sind mit Tomaten, Pesto mit Basilikum aus dem eigenen Garten und Parmesan gefüllt. Dazu als zweite Vorspeise einen Teller mit hausgemachten Produkten. Rillettes, Blutwurst, Sülze, Fromage de Tête und Schinken. Dazu Crudités, Sellerie und Karotten.
Traditionelles trifft Moderne
Als Hauptgang genießen wir einen Lachs mit Sauerampfer nach den Gebrüdern Troisgros in Roanne. Dazu ein Kartoffelgericht nach Rezept der Großmutter, gefüllt mit Schwein und Kalb. Daneben noch einen Kartoffelpuffer. Und zum Abschluss flambierte Mirabellen mit Vanillemus, eine Tarte mit grünen Zitronen sowie eine Mandelcreme. „Oh, das gelbe Gold Lothringens“, merke ich an und frage: „Hast Du Dir Mirabellen in Lothringen besorgt?“ Darauf entgegnet Eric Juving lächelnd: „Nein, meine Mirabellen stammen aus dem Elsass. Vom Baum, den mein Großvater selbst gepflanzt hat!“
Es war nicht mein erster Besuch hier, und sicher auch nicht mein letzter, denn wie immer war das Essen ein Gedicht. Jedes einzelne Gericht war die weitere Anfahrt wert. Und auch auf der Weinkarte findet sich so manch gutes Tröpfchen. Ich trinke hier am liebsten Muscat d’Alsace oder einen Wein der Traube Viognier. Aber auch andere Weine auf dieser Karte kann ich nur empfehlen!
Als die beiden Brüder vor fünf Jahren übernommen haben, rissen sie die Fenster auf und renovierten einmal alles. Sie arbeiteten beim Umbau nur mit lokalen Unternehmen zusammen. Besonders schön finde ich, dass auf den Toiletten große Kochtöpfe als Waschbecken dienen. Nach der Renovierung haben sie auch eines der beiden hinteren Nebenzimmer in den täglichen Betrieb integriert. Ein Raum, der vorher für Gesellschaften vorgesehen war. Die Nachfrage hier ist so groß, dass sie ihn fast täglich vollhaben. Das gut besuchte Gasthaus ist eine tägliche Herausforderung, denn hier ist es immer voll.
Eric Juving hat vor fünf Jahren die Küchenleitung übernommen. Vorher schon war er die rechte Hand seines Vaters, der für seine neuen Ideen stets offen war. Er ließ ihn damals schon machen. Eric machte vorher schon die Vorspeisen und die Pâtisserie, die er sehr liebt. Heute versucht er, das Moderne mit dem Traditionellen zu verbinden. Dabei will er die Küche nicht neu erfinden, aber auch italienische Einflüsse hat er in seinen Kochstil integriert. Probieren Sie es doch einfach mal aus.