Elektrofahrzeuge mit Range Extender haben sowohl einen Hochvoltakku als auch einen Verbrennungsmotor an Bord. Sie kommen deutlich weiter als reguläre Stromer. Aber braucht man sie überhaupt?
Nach zehn Kilometern auf der Autobahn hat es sich ausgesurrt. Das leise Hintergrundrauschen, typisch für Elektroautos, wird abgelöst von einem Brummen. Nein, nicht abgelöst. Übertönt. Das Geräusch eines Verbrennungsmotors kommt plötzlich hinzu, doch auch es klingt anders als ein normaler Benziner, eher wie ein Flugzeugtriebwerk im Leerlauf.
Die Kakofonie entsteht, weil der C10 REEV, ein SUV der chinesischen Marke Leapmotor, sowohl einen Elektroantrieb als auch einen Benzintank an Bord hat. Je nach Tank- und Batteriefüllstand fährt er mal elektrisch, mal fossil. Oder beides gleichzeitig. Das sorgt für einen Sound, an den man sich erst mal gewöhnen muss.
Elektroauto und Benziner in einem? Das ist an sich nichts Neues. Schon 1997 hatte Toyota den Prius auf den Markt gebracht, das erste in Großserie gefertigte Hybridfahrzeug. Später zogen andere Hersteller mit sogenannten Plug-in-Hybriden nach. Sie bauten Verbrenner, die eine kurze Strecke elektrisch fahren können. So entstand auch der Name: Weil man einen Stecker einstöpseln kann, heißen sie „plug in“.
Unterschied in der Reichweite
Neuentwicklungen wie der C10 REEV gehen jedoch einen Schritt weiter. Sie verfügen über einen sogenannten Range Extender, zu Deutsch: einen Reichweitenverlängerer. „Das Prinzip ist im Grunde identisch“, sagt Martin Doppelbauer, Professor für Hybridelektrische Fahrzeuge am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Allerdings verfügen Fahrzeuge mit Range Extender über eine wesentlich größere Batterie als klassische Plug-in-Hybride.“ Auch die Technik funktioniert ein wenig anders: „Wenn Plug-in-Hybride mit Benzin fahren, treibt der Verbrennungsmotor direkt die Räder an“, erklärt der Experte. Bei Modellen mit Range Extender erzeuge der Motor hingegen über einen Generator den Strom für den E-Antrieb.
Von den technischen Finessen einmal abgesehen, besteht der Unterschied vor allem in der Reichweite: E-Autos mit Range Extender können wesentlich weitere Strecken ohne Lade- beziehungsweise Tankstopp zurücklegen. So schafft der Mazda MX-30 R-EV laut Herstellerangaben 85 Kilometer rein elektrisch – mit Benzinunterstützung soll er 600 Kilometer weit kommen. Der Leapmotor C10 REEV peilt fast 1.000 Kilometer an, davon 145 Kilometer rein elektrisch. Auch der VW-Konzern liebäugelt mit der Technologie, weil sie „die Hürde senkt, in die Elektromobilität einzusteigen“. So zumindest formulierte es VW-Chef Oliver Blume im März im Gespräch mit dem Onlineportal „golem.de“.
Leapmotor-Deutschlandchef Martin Resch argumentiert in die gleiche Richtung. „Natürlich ist das eine Brückentechnologie“, räumt Resch ein. „Aber wir sind überzeugt: Wer einmal mit einem Range Extender gefahren ist, kauft danach ein rein elektrisches Auto.“ Zwar habe sich die Ladeinfrastruktur in den letzten Jahren verbessert. Aber für Resch bleibt sie Stückwerk: „Die unterschiedlichen Bezahlsysteme, Lade-Apps und Tarife überfordern viele Leute. Diese Hemmschwelle wollen wir überwinden.“
Das Kalkül, dass die Pseudo-E-Autos den Weg zu umweltfreundlicher Mobilität ebnen, hegt offenbar auch die Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD heißt es, dass Fahrzeuge mit Range Extender künftig gefördert werden sollen. Ob die Rechnung am Ende aufgeht, ist fraglich. Denn die Autobauer sind offenbar selbst nicht überzeugt davon. Außer Leapmotor bietet aktuell nur Mazda ein entsprechendes Fahrzeug an, und auch dies wird im Laufe des Jahres zugunsten eines reinen Stromers eingestellt. Die Umstellung sei rein „zyklusbedingt“, heißt es von Mazda. Man glaube weiterhin an die Technologie. Aber: „Die Stückzahlen hielten sich in Grenzen“, räumt der Hersteller auf Nachfrage ein. Laut Kraftfahrtbundesamt wurde der MX30 R-EV im Jahr 2024 nur 1.131-mal neu zugelassen.
In Europa sind sie nicht zu kaufen
Das Urteil von Antriebsexperte Martin Doppelbauer fällt dementsprechend hart aus: „Ich halte Range Extender in Europa für eine saublöde Idee“, sagt der Professor. „Die Zeiten, in denen wir das gebraucht hätten, sind lange vorbei.“ Niemand müsse mehr Angst haben, mit leerem Akku liegen zu bleiben. Dafür sei die Ladeinfrastruktur inzwischen zu gut ausgebaut. „Mit Range Extender fahren Sie unnötig eine Masse an Technik durch die Gegend“, klagt der Experte. Und wer damit wirklich nur elektrisch fahre, habe schnell ein anderes Problem: „Nach etwa einem Jahr wird das Benzin im Tank schlecht. Was dann?“ Die Hersteller bestätigen diese Hürde, verweisen aber auf eine technische Lösung: Werde der Verbrennungsmotor zu lange nicht genutzt, springe er automatisch an.
Wirklich sinnvoll sind Range Extender daher vor allem in China und den USA, wo es noch größere Lücken im Ladenetz gibt. Das spricht zwar kaum ein Hersteller so offen aus, denn sie wollen die Nische in Europa bedienen. Die Strategie ist aber offenkundig. So bietet VW seinen neuen ID.Era, der mehr als 1.000 Kilometer weit kommen soll (davon 350 Kilometer rein elektrisch), in Europa erst gar nicht an. „In China, für China“ lautet die Strategie.
Ähnlich sieht es mit der Marke „Scout“ aus, die ebenfalls zum VW-Konzern gehört. In den USA soll ab 2027 die Produktion des Pick-ups „Terra“ und des SUVs „Traveler“ anlaufen. Beide Modelle wird es sowohl rein elektrisch als auch mit Range Extender geben. Auf Nachfrage erklärt VW, es seien bereits 100.000 Reservierungen eingegangen. Wie viele davon auf welche Variante entfallen, verrät der Konzern nicht im Detail. Nur so viel: Die bestellten Autos hätten „überwiegend“ einen Range Extender. Auch für diese Autos gilt: In Europa wird man sie nicht kaufen können.
Bei den Modellen, die es in Europa gibt, verwundert wiederum die Preiskalkulation. So kostet bei Leapmotor der C10 in der vollelektrischen Variante genauso viel wie jener mit Range Extender, obwohl Letzterer wegen der doppelten Technik eigentlich teurer sein müsste. „Die Batterie ist deutlich kleiner, wodurch die Produktionskosten sinken“, heißt es dazu von Leapmotor. Ein Branchen-Insider nennt aber noch einen anderen Grund: Die Preiskalkulation funktioniere vor allem deshalb, weil auf rein elektrische Fahrzeuge die EU-China-Zölle anfallen, auf solche mit Verbrennungsmotor hingegen nicht.
Bei 30 Kilometern springt Benzin an
Und wie sieht es mit der Umweltbilanz aus? Hierzu gibt es in Bezug auf reine Elektroautos inzwischen klare Erkenntnisse. So stellt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in einer aktuellen Vergleichsstudie fest, dass E-Autos über ihre gesamte Lebensdauer zwischen 40 und 50 Prozent weniger Emissionen ausstoßen als solche mit Verbrennungsmotor. Zwar wird bei der Batterie-Herstellung und Rohstoff-Förderung deutlich mehr CO2 freigesetzt als bei reinen Benzinautos. Doch diesen Nachteil fahren die Stromer im Laufe ihres Autolebens wieder rein, da sie keine Abgase ausstoßen.
Bei Plug-in-Hybriden und Range Extendern sind klare Aussagen weitaus schwieriger, da es aufs individuelle Nutzungsverhalten ankommt. Wer ausschließlich elektrisch fährt, schont das Klima deutlich mehr, als wenn der Verbrennungsmotor zum Einsatz kommt.
Konkret lässt sich das etwa beim EU-Umweltlabel des Leapmotor C10 ablesen. Der reine Stromer enthält die bestmögliche CO2-Klasse „A“. Die Variante mit Range Extender erhält zwei Noten: ein „B“ für die kombinierten Emissionen sowie ein „E“ für Fahrten mit entladener Batterie. Ein denkbar schlechter Wert. Andererseits: Wenn man dafür auf einen Verbrenner-Erstwagen verzichtet, sieht die Sache schon wieder anders aus. Eine klassische „Glas halb voll oder halb leer“-Situation.
Zurück im C10. Hier pendelt sich der Durchschnittsverbrauch auf 15,5 Kilowattstunden und 6,7 Liter pro 100 Kilometer ein. Als der Akku eine Restreichweite von 30 Kilometern anzeigt, springt dezent der Benzinmotor an. Ganz leer kann man den Akku offenbar nicht fahren: Der C10 sorgt dafür, dass ein gewisser Füllstand erhalten bleibt. Gleichwohl fühlt sich die Beschleunigung auf der Autobahn ungewohnt schwammig an, als dauere es immer einen Moment, bis sich das Auto für einen Antriebsmodus entscheidet. Tritt man als Fahrer nun aufs Gas- oder aufs Strompedal? Wirklich spüren kann man es nicht. Aber vielleicht ist es am Ende auch egal.