Mit Charme und günstigen Preisen macht das slowakische Bratislava dem nahen Wien zunehmend Konkurrenz. Derweil ist nicht nur die Donau ein verbindendes Element, sondern auch die Habsburger-Geschichte. Bei den „Krönungstagen“ im Juli wird das deutlich.
Die Automobilindustrie und junge Leute wissen es schon länger: Bratislava, seit der Kelten-Besiedlung im 5. Jahrhundert vor Christus an einem der wichtigsten Kreuzungspunkte europäischer Wege und Kulturen gelegen, ist (wieder) attraktiv. Das hässliche Entchen, über Jahrzehnte im Schatten des Eisernen Vorhangs und dann des gerade einmal 70 Kilometer entfernten Wiens, hat sich vielleicht nicht unbedingt zum makellosen Schwan entwickelt, wohl aber zu einer sehr ansehnlichen Halbmillionenstadt. Mit viel Street Art, launigen Bierkneipen in ehemals öffentlichen Toiletten, schwimmenden Restaurants und Hotels und zukunftsweisender (E-)Mobilitätstechnik und Architektur. Über all das sind viele Besucher überrascht, da sie meist wegen der Vergangenheit kommen. Gemeint sind damit weniger die mitunter noch sichtbaren Zeugnisse des Sozialismus, etwa in Gestalt des größten Plattenbauviertels sowie des monumentalsten Kriegsdenkmals Zentraleuropas. Vielmehr geht es um die Habsburgerzeit. Schließlich war das am Rand der Kleinen Karpaten befindliche Bratislava alias Pressburg rund 250 Jahre Hauptstadt des Königreichs Ungarn, ähnlich lang Residenz. Als Buda türkisch besetzt war, wurden hier auf sicherem Terrain 18 Könige und Königinnen gekrönt, darunter die bis heute geschätzte Maria Theresia. Einmal im Jahr wird eine solche Pomp-Zeremonie in der Krönungskirche und auf Bratislavas Straßen nachgespielt. 2025 findet das bunte Spektakel vom 25. bis 27. Juli statt. Einer der Hauptorganisatoren: Vladimír Grežo. Der 63-Jährige, seit Jahren im Festkomitee, meint: „Der Krönungsumzug in prächtigen Kostümen verleiht unserer Stadt eine einmalige, festliche Atmosphäre.“
Einst Hauptstadt des Königreichs
Da werden an mehreren Stellen altertümliche Marktbuden aufgebaut und auf dem Hauptplatz vor dem Alten Rathaus ein Ritterturnier sowie eine Greifvogelschau veranstaltet. Grežo verrät: „In diesem Jahr bieten wir neben zeitgemäßen Tänzen und thematischen Besichtigungen auch extra viel Programm für Familien. Das reicht von Workshops über lustige Quiz bis zu Theatervorführungen.“

Den Höhepunkt markiert die mehrere hundert Akteure (und etliche Pferde) umfassende Parade am Samstagmittag. Los geht es auf der hoch über der Donau thronenden Burg, die Maria Theresia 1770 im Glanz des Rokoko herrichten ließ. Erst vor einigen Jahren erfuhr Bratislavas wuchtiges Wahrzeichen ein erneutes Facelift. Klangvoll der Konzertsaal in der ehemaligen Kapelle, eindrucksvoll das Historische Museum und stimmungsvoll der Blick von der Terrasse – noch besser vom 47 Meter hohen Kronenturm – auf die kompakte Altstadt. Dort ragt der gotische Martinsdom heraus, als ehemalige Krönungskirche spielt er bei den Krönungstagen ebenfalls eine Hauptrolle.
Die vergoldete 150-Kilo-Replik der Krönungskrone auf der Turmspitze erinnert aber rund ums Jahr an Maria Theresia und Co., ebenso die gut sichtbaren Messingplaketten. Wer ihnen folgt, kann den Krönungsweg auch jenseits des Juli-Umzugs individuell beschreiten. Dieser führt durch die fast vollständig zur Fußgängerzone erklärte Altstadt – vorbei an Pawlatschen(innen)höfen, hübschen Plätzen, Stadtresidenzen mit Rokoko- und Klassizismus-Fassaden und dem alten Michaelertor. Grežo schwärmt: „Dort finden sich zeitgenössisch eingerichtete Räume sowie ein 3D-Modell der Mittelalterstadt. Mein Tipp: Sich beim Fotopoint in historischen Kostümen und mit den Krönungsinsignien fotografieren oder filmen lassen – ein tolles Erlebnis.“
Modernes Shoppingzentrum
Die einzige Hauptstadt der Welt, die an zwei Länder grenzt – Österreich und Ungarn –, besitzt indessen nicht nur ganz unterschiedliche Donau-Ufer, sondern auch verschiedene Gesichter. So hat sich in Bratislava, in puncto Bewohneralter eine der jüngsten Kapitalen Europas, eine pulsierende Kunst-, Ausgeh- und Esskultur entwickelt. Die mehrstöckige Galéria Nedbalka, Heimstatt zeitgenössischer Kunst, wird auch „slowakisches Guggenheim“ genannt. Welch Ehre! Ein kulinarisches Erlebnis der besonderen (oder dritten) Art verspricht ein Dinner im Restaurant „UFO“. Am Ende der berühmten Most-SNP-Brücke lassen sich Gäste mit dem Lift nach oben beamen, wo ihnen in 85 Metern Höhe bei Top-Gerichten die Stadt zu Füßen liegt. Und die 2016 umgestaltete Donaupromenade, an die das moderne Shoppingzentrum Eurovea sowie das mit weißem Travertin gesäumte Nationaltheater angrenzen. „In diesem Viertel, das sich zum modernen Zentrum von Bratislava entwickelt, finden Sie herrliche Cafés und Restaurants am Flussufer mit Blick auf die Burg – einer meiner Lieblingsplätze.“
Ein Hingucker für alle stellt das Gebäude des Slowakischen Rundfunks dar, im Volksmund „Pyramide“ genannt. Wobei diese auf dem Kopf steht und zu Recht den Titel „Gebäude des Jahrhunderts“ trägt. Auch die inneren Werte haben es in sich, konkret: hervorragende Konzert- und Aufnahmestudios, außerdem zieren 6.300 Pfeifen eine der größten Orgeln Mitteleuropas. Sehenswert ist auch das erste private Kunstmuseum der Slowakei, etwas stadtauswärts auf einer Halbinsel in der Donau gelegen. Das im Jahr 2000 eröffnete Danubiana Meulensteen Art Museum vereint moderne Architektur mit Ausstellungen führender internationaler Künstler, im Park stehen zudem 40 Skulpturen.
Vergleichsweise urwüchsige Natur im Herzen von Bratislava bietet der Horský Park, „eine Oase der Ruhe, in der man auf Waldpfaden wandern oder einfach nur entspannen kann“. Was Grežo (Miet-)Radfahrern empfiehlt: „Dem Radweg an der March entlang bis zu deren Einmündung in die Donau folgen – sehr angenehm!“ Die dort auf einem hohen Felsen befindliche Ruine Devín (Theben) hat für Slowaken eine wichtige identitätsstiftende Funktion. Für alle ergreifend ist die zauberhafte Kulisse samt erhabener Aussicht.