Das Netz an Ladestationen wächst. Trotzdem müssen sich Besitzer von E-Autos noch immer mit hohen und verwirrenden Tarifen herumschlagen. Johannes Pallasch, Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, gelobt Besserung.
Herr Pallasch, gibt es genügend Ladestationen in Deutschland?
Wir haben einen sehr guten Ausbaustand, der aber je nach Gegend variiert. Im ländlichen Raum, wo die Wirtschaftlichkeit nicht immer gegeben ist, werden im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) rund 9.000 Schnellladepunkte errichtet. Insgesamt haben wir derzeit ein leistungsfähiges Netz, das in den nächsten Jahren noch weiter wachsen muss.
Wo sehen Sie die größten Probleme?
Was uns am meisten schmerzt, ist der Ausbau-Stopp, den es seit ein paar Jahren an deutschen Autobahn-Raststätten gibt. (Die Anbieter Tesla und Fastned klagen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, weil sie vom Raststättenbetreiber „Tank&Rast“ nicht berücksichtigt wurden; Anm. d. Red.)
Wir könnten längst doppelt und dreifach so viele Ladestationen an Raststätten haben. Der Bedarf ist da, die Anbieter stehen bereit, aber durch die rechtlichen Auseinandersetzungen ist das derzeit einfach nicht möglich.
Wie ist die Lage in den Städten?
Dort ist die große Herausforderung, wie wir diejenigen mit Strom versorgt kriegen, die keinen eigenen Stellplatz haben. Also Personen, die regelmäßig an der Straße laden müssen. Da sehen wir in den Kommunen noch einen erheblichen Ausbaubedarf.
Manche Städte sind extrem gut aufgestellt, während anderswo keine einzige Ladesäule steht. Müssen die Gemeinden einen bestimmten Versorgungsgrad erfüllen oder können alle ihr eigenes Süppchen kochen?
Letzteres. Es gibt für die Kommunen keine Verpflichtung, tätig zu werden. Oft hängt es davon ab, wie finanzstark eine Gemeinde ist – oder wie engagiert. Wir stellen den Kommunen im Rahmen unseres Monitorings Daten zur Verfügung, damit sie eine Orientierung haben, wie stark sie ihre Ladeinfrastruktur ausbauen müssten.
In Orten mit guter Versorgung zeigt sich oft ein anderes Problem: Kommunale Stadtwerke bilden Monopole. Nach einer Analyse des Stromanbieters Lichtblick sind in Leipzig 81 Prozent der Ladesäulen in der Hand eines einzelnen Anbieters, in Hannover sogar 91 Prozent. Wie gehen Sie damit um?
Das ist in der Tat eine Herausforderung. Wenn ich an einem Autobahndrehkreuz bin und dort fünf verschiedene Anbieter zur Auswahl habe, funktioniert der Wettbewerb. Wenn es aber in einer Kommune nur einen Anbieter von Ladeinfrastruktur gibt, muss sichergestellt werden, dass dort alle zu einem fairen Preis laden können. Die Ausschreibungen werden leider nicht immer so gestaltet, dass dieser Aspekt berücksichtigt wird.
Beschweren sich manchmal private Firmen bei Ihnen, weil sie in den Kommunen nicht zum Zug kommen?
In der Tat gibt es Fahrstromanbieter, die bei uns aufschlagen. Wir sehen, dass das kein einfacher Markt ist. Gerade haben wir eine Phase, in der wir eine Rolle rückwärts machen. Vor zehn Jahren brauchte man noch zig Ladekarten, um per Elektroauto durch Deutschland zu kommen. Diese Phase hatten wir zum Glück hinter uns gelassen: Heute ermöglichen die großen Anbieter den Zugang zu ihren Ladesäulen. Lange galt dafür ein einheitlicher Preis – es war also egal, bei welchem Anbieter Sie Ihre Ladekarte nutzen. Das hat sich jetzt wieder zurückentwickelt. Viele Anbieter setzen auf Abo-Modelle, um Kunden an sich zu binden.
Man kann also nach wie vor mit einer Ladekarte durchs Land kommen, muss an „fremden“ Ladestationen aber deutlich mehr Geld bezahlen.
Genau. In der Anfangsphase der Elektromobilität war man froh, wenn man überhaupt irgendwo Strom bekam und der Ladevorgang funktionierte. Heute ist das kein Thema mehr. Dafür sind wir preissensibler geworden: Es macht einen großen Unterschied, ob ich 39 Cent, 69 Cent oder 79 Cent pro Kilowattstunde bezahle.
Warum greift der Staat da nicht ein? Beim Smartphone wurden die hohen Roaming-Gebühren in Nachbarländern ja auch irgendwann abgeschafft.
Natürlich analysieren wir die Roamingkosten. Letztendlich obliegen die Preise aber der Hoheit des Ladesäulenbetreibers. Das zu regulieren, ist ein sehr komplexes Thema, und ich weiß, dass die EU-Kommission das im Blick hat. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass wir uns immer noch in einer Phase des Markthochlaufs befinden.
Gerade solche verwirrenden Preise behindern doch aber den Markthochlauf. Haben Sie als Nationale Leitstelle gar keine Eingriffsmöglichkeit?
Wir sehen die Parallelen zum Mobilfunkmarkt. Ein direkter Eingriff liegt aber in der Hoheit anderer Institutionen, zum Beispiel beim Bundeskartellamt. Trotzdem haben wir durchaus gewisse Möglichkeiten. Bei neuen Ausschreibungen zur Ladeinfrastruktur nehmen wir Wettbewerbsthemen verstärkt auf. Beim „Deutschlandnetz“ haben wir genau solche Kriterien explizit berücksichtigt. Da dürfen die Anbieter keine strategische Preissetzung vornehmen.
Das Deutschlandnetz ist ein staatliches Finanzierungsprogramm, mit dem etwa 9.000 zusätzliche Schnellladepunkte an über 1.000 Standorten entstehen sollen. Die Ausschreibung wurde im Dezember 2021 veröffentlicht. Wie ist der Stand heute?
Wir sind aktuell in die Umsetzungsphase gestartet. Die Zuschläge wurden erteilt, zwei Standorte eröffnet, in Düren und Augsburg. Für 2025 erwarten wir noch mal einen Riesenschwung an Eröffnungen. Was mich wirklich freut, ist, dass wir im Deutschlandnetz bestimmte Gestaltungsvorgaben haben, wie ein attraktiver Standort aussehen muss. Viele dieser Anforderungen werden von den Anbietern inzwischen auch an anderen Standorten umgesetzt, auch wenn sie dort gar nicht vorgeschrieben sind.
Bisher stehen Ladestationen an Raststätten oft in dunklen Ecken, ohne Toilette, Überdachung oder ausreichende Beleuchtung. Das wird sich also ändern?
Ja, solche Kriterien wurden bei der Ausschreibung des Deutschlandnetzes berücksichtigt. Es gab sogar eine eigene Design-Jury. Sie hat tolle Entwürfe ausgewählt, die wir demnächst auf der Straße sehen dürfen. Es kann ja nicht sein, dass Laden länger dauert als Tanken, aber man dabei weniger Komfort genießt. Wir haben den Anspruch, dass es beim Laden hell, freundlich, sauber und sicher zugeht. Die Wertigkeit wird künftig steigen.
Die vorherige Bundesregierung hatte eine „Versorgungsauflage“ erlassen, nach der an allen existierenden Tankstellen auch Ladestationen gebaut werden müssen. Was ist aus diesen Plänen geworden?
Die Versorgungsauflage ist so gestaltet, dass sie nicht übers Ziel hinausschießt. Nicht jede Tankstelle muss zwangsläufig eine Ladestation vorhalten, aber die Betreiber müssen bestimmte Quoten erfüllen. Dabei gibt es eine gewisse Flexibilität. Wenn zum Beispiel eine Tankstelle eine Ladestation auf dem Supermarktparkplatz um die Ecke betreibt, muss nicht direkt vor der Zapfsäule noch eine sein.
Ein weiteres Ärgernis sind sogenannte Blockiergebühren, die anfallen, wenn man zu lange an einer Ladesäule steht. Wie man hört, plant das Bundeswirtschaftsministerium, diese Gebühren einzuschränken. Können Sie das bestätigen?
Wir sind schon der Meinung, dass eine Ladesäule kein Parkplatz ist und freigegeben werden sollte, wenn die Batterie voll ist. Schließlich muss auch das nächste Fahrzeug dort laden können. Manchmal fallen solche Gebühren aber schon nach ein paar Stunden an, selbst wenn der Ladevorgang noch läuft. Das führt dazu, dass nachts an bestimmten Standorten gar nicht mehr geladen wird. Das ist paradox, denn gerade diese Zeit kann man nutzen, um einen Akku komplett vollzuladen. Da brauchen wir definitiv eine Regelung und begrüßen, dass sich das Bundeswirtschaftsministerium darum kümmert.
Auch der Ausbau von Wasserstoff-Tankstellen wurde staatlich mit Millionen gefördert. Inzwischen bauen manche Betreiber sie aber wieder ab, weil die Nachfrage zu gering ist. Sehen Sie diese Gefahr bei Ladesäulen auch?
Mit 1,4 Millionen E-Autos sind wir aktuell noch weit vom Massenmarkt entfernt. Außerdem gibt es gerade eine Delle im Verkauf. Das kennen wir nach dem Wegfall einer Förderung aber aus anderen Ländern, die inzwischen sehr erfolgreich sind, zum Beispiel den Niederlanden. Das Produkt funktioniert; wir müssen es nur in die Köpfe der Leute kriegen. Wir haben ein leistungsfähiges Netz; E-Autos werden immer günstiger, und ihr Betrieb ist wirtschaftlich sinnvoll, gerade mit einer eigenen Photovoltaikanlage. Mittel- und langfristig bin ich daher ziemlich optimistisch.
Sind Sie privat auch elektrisch unterwegs?
Ja, das bin ich. Ich habe einen deutschen Kompaktwagen mit einer 54-kWh-Batterie. Mit dem war ich schon in Dänemark, England, Kroatien, Italien – alles ohne Probleme. Ich bin auch noch nie mit einem leeren Akku liegen geblieben, nur mal mit einem kaputten Reifen.