Immer mehr Menschen wechseln vom regulären TV zu Video-on-Demand-Anbietern wie Netflix. Ein großes Angebot und exklusive Inhalte rund um die Uhr trösten über teils hohe Gebühren hinweg. Eine Zäsur in der Fernseh-Kultur?
Egal ob „Wetten, dass..?“ oder die Free-TV-Premiere um 20.15 Uhr: Fernsehzeit war lange Zeit auch Familienzeit. Ein bestimmter Zeitpunkt, an dem alle sich gemeinsam auf dem Sofa einfinden, gemeinsam zur Ruhe kommen. Doch in Zeiten von Video-on-Demand, in denen jeder zu jeder Zeit eine große Auswahl an Produktionen sehen kann – genau dann, wenn er es möchte –, entfällt die klassische Primetime immer mehr.
„Cord cutting“ nennt sich dieser Trend, vom traditionellen TV-Dienst zu einem Streaminganbieter zu wechseln. Der Begriff bezieht sich bildlich auf das Durchtrennen (englisch: „cutting“) des Kabels („cord“), das früher verwendet wurde, um Fernsehsignale zu empfangen. Flexibilität, große Auswahl und – je nach Angebot – Werbefreiheit sind nur drei der Gründe. Und letzteres fällt immer mehr weg, denn auch die Werbebranche hat die Streaminganbieter für sich entdeckt.
Dennoch erfreuen sich Netflix, Amazon Prime und Co. weiterhin großer Beliebtheit – wenn auch das Wachstum der Abozahlen etwas stagniert. Eine Studie von Deloitte aus dem Jahr 2020 ergab, dass etwa 80 Prozent der Deutschen mindestens einen Streamingdienst abonniert haben. Kein Wunder, dass sich allein von 2019 bis 2023 der geschätzte Umsatz im Bereich Video-on-Demand in Deutschland mit nun rund 4,6 Milliarden Euro fast verdoppelt hat (Quelle: Statista).
Anpassen, um zu überleben
Doch nicht nur mit exklusiven Titeln und Eigenproduktionen generieren die Streamingdienste Publikum, auch im Bereich Sport sind sie gut vertreten. Prime Video beispielsweise teilt sich die Übertragungsrechte der Fußball-Champions-League mit dem Sport-Streaminganbieter DAZN. Nicht nur aufgrund der Reichweite sind die Anbieter eine attraktive Anlaufstelle für den Sport – sie können auch durchaus höhere Beträge für die Medienrechte zahlen als das reguläre Free TV.
Ganz klar: Die traditionellen TV-Anbieter müssen sich anpassen oder riskieren, weiterhin Marktanteile zu verlieren – in allen Altersgruppen. Untätig sind sie nicht, doch sind sie auch schnell genug? Was jedenfalls große Zustimmung findet, sind Mediathek-Angebote der TV-Sender wie Das Erste, ZDF oder auch RTL. Insbesondere die ARD-Mediathek erfreut sich beachtlicher Klickzahlen. Denn trotz immer wieder laut werdender Kritik haben deutsche Produktionen wie Krimis, Shows und Unterhaltungsformate nach wie vor eine treue Zuschauerschaft. Doch auch hier machen sich die ersten Streaming-Giganten bereits auf den Weg. So produzierte Netflix bereits 2017 mit „Dark“ eine deutsche Thriller-Serie und auch im immer stärker boomenden Reality-TV-Bereich hat Netflix beispielsweise mit „Too Hot to Handle“ oder Prime Video mit dem jüngst erschienenen „The 50“ einen Fuß in der Tür.
In den kommenden Jahren wird die Nutzung von Video-on-Demand jedenfalls nicht weniger werden. Die Frage dabei bleibt nur, ob das traditionelle TV dort versucht mitzuhalten – oder vielleicht damit beginnt, ganz andere Wege einzuschlagen. Auch das wird wohl in den kommenden Jahren zu einem spannenden Krimi – um statt für die Zuschauer.