Warum „Game of Thrones“ ein Spiegelbild unserer Zeit bleibt
Jaaaaa, ich habe „Game of Thrones“ jetzt erst gesehen. Rund fünf Jahre nach TV-Ende der Fantasy-Reihe kam ich auf die Idee, in die Welt von Westeros einzutauchen. „Schande! Schande!“, tönte es wegen meines späten Einstiegs. Wie manche Figur aus der Feder von George R.R. Martin, die mit diesem Ruf durch die Stadt getrieben wird, kamen mir fauler Salat, matschige Tomaten und trockenes Brot entgegen – dem Herr des Lichts sei Dank nur verbal. Kommentare wie „Waaaaaas? Jetzt erst?“ oder Lach-Smileys waren ebenso verlässlich wie der Tod einer der nächsten Hauptfiguren in der Serie. Nur mein Bruder stand mir loyal wie Brienne von Thart zur Seite – ein Bohlander begleicht eben immer seine Schuld.
Jedenfalls kann ich ihm kaum widersprechen, dass das Lied von Eis und Feuer eine der besten Serien überhaupt ist. Und aus meiner Sicht ist „Game of Thrones“ auch fast 14 Jahre nach Beginn der deutschen Erstausstrahlung im November 2011 nicht nur immer noch äußerst sehenswert, sondern auch relevant, da sie Strukturen der Macht aufzeigt.
Erst mal: Gutes Handwerk ist zeitlos. Die Kostüme sind ein Augenschmaus, die Musik episch bis zur letzten Note, die Schauplätze sorgen für Fernweh nach Drehorten wie Nordirland oder Kroatien, die Effekte sind noch immer top (bis auf die Wölfe …), die Darsteller sind in der Regel auf den Punkt gecastet und die Charaktere so fein gezeichnet, dass es kaum eine Grenze zwischen nur Gut und nur Böse gibt.
Für Einsteiger sei ganz grob erklärt, dass es mit der Familie Stark die Protagonisten und mit der Familie Lannister die Antagonisten gibt. Beides sind Dynastien, die sich auf Blutlinien und rechtmäßige Thronfolge berufen. Die einen wollen gar nicht so richtig regieren, würden allerdings tolle Königshäuser abgeben. Und die anderen krallen sich die Macht und wollen sie auch nicht mehr hergeben.
Und schon sind wir mitten in der Gegenwart und angesprochener Relevanz. Denn sowohl in der fantastischen wie auch der gerade weniger fantastischen Welt spielen Mauern zentrale Rollen. Zudem scheint die Welt voll von Anführern zu sein, die ihre Hintern nicht von ihren Eisernen Thronen losheften wollen. Donald Trump beispielsweise schafft es, quasi jeden Tag einen neuen Höhepunkt in puncto Abschaffung von Freiheit zu setzen – und somit immer weitere Tiefpunkte für die Demokratie.
Älter ist da nur die Familienhistorie des Hauses Targaryen. Nur eben, dass Trump deutlich dünnhäutiger ist als Drogon, Drache der neuesten Generation und Spross des Hauses. Gemeinsam ist den beiden vor allem, dass ihr Dasein sowie ihre Macht grotesk scheinen und sie in der Lage sind, Brände zu legen sowie ganze Erdstriche in Schutt und Asche. Trump bezog sich in einigen seiner früheren Tweets sogar auf die Serie und postete Sachen wie „Sanctions are coming“.
Während Drogon am Ende der TV-Serie aber doch noch die Kurve zu bekommen scheint, schart der verurteilte Kriminelle und „alte, weißer Wanderer“ im vollen Lannister-Modus seine Gefolgsleute um sich. „Du weißt gar nichts, Jon Schnee!“, möchte man mehr als einmal laut und vor allem verzweifelt rufen, schaut man sich Presseauftritte der Führungsriege an. Man kann wohl US-Politik-Beobachtern gut und gern glauben, die sagen, dass noch kein US-Kabinett schlechter und inkompetenter besetzt war.
Ich mochte das Ende von „Game of Thrones“ – es ist eine Meinung, die teils einsamer ist als die Tage an der Nachtwache. Doch viele der als Bösewichte gelesenen Figuren bekamen, was sie verdienten, und für viele der positiven Charaktere verblieb die Hoffnung. Die Starks pflegen das zarte Pflänzchen der Demokratie – eines der großen Themen aus „Game of Thrones“. Bei allen Differenzen steht die Familie doch mehr oder minder zusammen, man hört auf die Worte kompetenter Berater, behandelt Frauen zum größten Teil mit Respekt und zeigt sich liberal, soweit das im Serienuniversum möglich ist.
Das macht doch auch Hoffnung für die reale Welt, denn grenzenlose Gier nach Macht zerlegt sich am Ende immer selbst. Und schließlich wär man nicht nur in den Sieben Königslanden besser dran, wenn alle zusammenarbeiten würden. In diesem Sinne – packen wir es an, denn: Valar morghulis!