Die Deutsche Telekom investiert zunehmend mehr in den Ausbau der Glasfasernetze – mit teils unfairen Mitteln, sagt Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbandes Breitbandkommunikation.
Herr Albers, die Bundesregierung will mit ihrer Gigabitstrategie bis 2030 jedes Haus ans Glasfasernetz bringen und den neuesten Mobilfunkstandard haben, auch im ländlichen Raum. Wie realistisch ist dieses Vorhaben?
In reinen Zahlen betrachtet liegt Deutschland mit derzeit rund 36 Prozent Abdeckung der Haushalte mit Glasfaser im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld. Aber die Geschwindigkeit des Ausbaus hat in den letzten fünf Jahren in Deutschland enorm zugelegt, von elf Prozent Verfügbarkeit 2018 auf heute 36 Prozent. Treiber sind vor allem die vielen regionalen Netzbetreiber, die für gut zwei Drittel des Glasfaserausbaus stehen. Anteilseigner sind oftmals regionale Energieunternehmen, Stadtwerke oder Kommunen, die großes Interesse haben, ihre Städte und Gemeinden ans schnelle Internet zu bringen und nicht warten wollen, bis die Telekom eventuell tätig wird. Eine flächendeckende Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen bis 2030 herzustellen sehen wir im Verband unter den aktuell deutlich erschwerten Rahmenbedingungen als große Herausforderung. Wir arbeiten aber weiterhin auf dieses Ziel hin.
Die Telekom auch?
Der Überbau von Glasfaserinfrastruktur, sprich der Aufbau von Parallelnetzen, wie ihn die Deutsche Telekom praktiziert, ist nicht zielführend und behindert massiv den Wettbewerb. Das führt dazu, dass erstplanende Netzbetreiber sich zurückziehen, weil durch die Rosinenpickerei der Ausbau für sie nicht mehr wirtschaftlich ist. Die Wettbewerbshüter müssten hier einschreiten, aber vermutlich ist der Druck noch nicht groß genug, das zu tun.
Was wäre aus Ihrer Sicht eine wettbewerbskonforme Lösung?
Das ist der Open Access, also der Netzzugang Dritter, so wie wir es aus dem Strommarkt kennen. Netzbetreiber, die eigenwirtschaftlich bauen, ermöglichen den Wettbewerbern einen marktfähigen Zugang zu ihren eigenen Glasfasernetzen. Das verhindert den Überbau, ist nachhaltiger, weil keine zusätzlichen Ressourcen verschwendet werden und sorgt außerdem dafür, dass der Staat nicht regulierend eingreifen muss. Fairer Wettbewerb ist auch eine Art Prophylaxe für drohende Regulierung. Das wiederum könnte verstärkt zusätzliche Investoren anlocken, um in den Ausbau schneller Netze zu investieren. Es gibt im Übrigen bereits Netzbetreiber, die ohne staatliche Vorgaben freiwillig den Netzzugang Dritter praktizieren. Dazu zählt im Saarland die VSE NET, die mit der Deutschen Telekom schon vor ein paar Jahren so eine gegenseitige Vereinbarung getroffen hat.
Wie kommt der Glasfaserausbau im ländlichen Raum voran?
Im Rückblick auf die letzten 20 Jahre gab es zwei wesentliche Phasen. Die alternativen Carrier sind zunächst in die weniger lukrativen Gebiete gegangen und haben in Glasfaser-Infrastruktur investiert, weil dort der Bedarf enorm und der Wettbewerb nicht ganz so groß war. Inzwischen konzentriert sich der Wettbewerb verstärkt auf die größeren Städte und auf Industrie- und Gewerbegebiete, weil es dort ein höheres Kundenpotenzial gibt. Die Branche insgesamt hat seit 1998 etwa 200 Milliarden Euro in den Breitbandausbau investiert und das bei einem überwiegend marktwirtschaftlich getriebenen Ausbau. Die staatliche Förderung betrug 2022 lediglich acht Prozent. Das eigenwirtschaftliche Ausbaupotenzial beim Breitbandausbau ohne Einsatz staatlicher Fördermittel ist sehr hoch und beträgt im Bundesdurchschnitt 92 Prozent, im Saarland sind es sogar 98 Prozent. Die Anbindung von Mobilfunkstandorten, also die Basisstationen für 5G, bleibt übrigens ein wichtiges Geschäftsfeld für Glasfaser ausbauende Unternehmen, eine wichtige Voraussetzung für schnelles Internet auch in ländlichen Räumen.
Wie ist das Verhältnis Datenvolumen Mobilfunk zu Festnetz? Lange Zeit hieß es, Festnetz sei out.
Das Gegenteil ist der Fall. Beide ergänzen sich und es sind keine nennenswerten Substitutionseffekte erkennbar. Nur sechs Prozent der Haushalte verzichten auf einen festnetzbasierten Internetanschluss und die Zahl der Festnetzanschlüsse hat sich in den letzten drei Jahren um 300.000 erhöht. Das liegt am steigenden Datenvolumen im Festnetz: Es wächst pro Jahr um etwa 32 Prozent. Hohe Bandbreiten mit hoher Stabilität werden zunehmend wichtiger, fast die Hälfte der gebuchten Anschlüsse haben Bandbreiten von mehr als 100 Mbit/s. Die Telefonie dagegen findet mehr und mehr im Mobilfunknetz statt.
Wo sehen Sie die größten Risiken für den Glasfaser-Ausbau in Deutschland?
Es gibt einige Faktoren, die erheblichen Einfluss auf den Glasfaser-Ausbau haben. Dazu zählt der Fachkräftemangel. Schon heute gibt es nicht genügend Baufirmen, die Glasfaser verlegen. Kritisch zu betrachten ist der bereits erwähnte Doppelausbau der Deutschen Telekom. Die überbordende Bürokratie, wie langwierige und analoge Genehmigungsverfahren, tut ihr Übriges. Entscheiden sich die Haushalte angesichts der weiterhin hohen Inflation tatsächlich alle für einen Glasfaseranschluss? Es gibt viele Unwägbarkeiten.
Der Glasfaserausbau wird auch irgendwann in Deutschland weitestgehend abgeschlossen sein. Was passiert mit den vielen Netzbetreibern?
Der Markt wird sich konsolidieren. Deshalb ist es für reine Netzbetreiber wichtig, darüber nachzudenken, wo sie in ein paar Jahren unternehmerisch stehen wollen. Es wird unterschiedliche Szenarien geben. Das können Übernahmen sein oder sinnvolle Kooperationen untereinander wie Netzkopplungen unter Carriern. Dänemark ist uns auf diesem Gebiet um Jahre voraus. Netzbetreiber werden sich zunehmend mehr zu integrierten Systemhäusern für IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie) entwickeln müssen, um ihren Kunden Fullservice-Lösungen anzubieten, also nicht nur Bandbreiten, sondern auch innovative Produkte und Dienstleistungen, zum Beispiel in den Bereichen Rechenzentren, Cybersicherheit, Sprachmehrwertdienste, Cloud-Lösungen oder dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Des Weiteren wird das Open-Access-Geschäftsmodell an Fahrt gewinnen. Der Aufbau und Betrieb eines Glasfasernetzes ist kostenintensiv und es ist aus Sicht des Betreibers sinnvoll, ein gut ausgelastetes Netz zu haben und hohe Skalen-Effekte zu erzielen. Der Markt auf der Anbieterseite wird sich verändern. Darauf müssen sich die Netzbetreiber einstellen und ihre Strategien und Visionen für morgen entwickeln.