Die saarländische Ministerin für Bildung und Kultur Christine Streichert-Clivot (SPD) benennt im Kultur-Interview die Schwerpunkte ihrer Aufgaben und erläutert die Vorkommnisse bei der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.
Frau Ministerin Streichert-Clivot, im Kulturinterview 2022 sagten Sie: „Das ist das schönste Amt, das man im Land haben kann, weil man viel erreichen kann – sowohl in der Kultur als auch in der Bildung.“ Nach meinem Kenntnisstand haben Sie inzwischen einiges für die Kultur erreicht. Was erachten Sie als besonders wichtig?
Die Grundlage einer guten Kulturpolitik ist für mich, dass wir die Menschen mit dem Angebot erreichen können. Das bedeutet, dass wir sowohl in der institutionellen Förderung unserer Kulturpolitik, aber auch mit Blick auf die besondere DNA, die das Land hat, unsere Vereinslandschaft, Sorge tragen, dass wir junge Menschen an diese Angebote heranbringen und Räume schaffen, in denen sich junge Menschen kreativ entfalten können. Deswegen ist dieses Amt für mich immer noch das schönste, weil ich durch die Verknüpfung von Bildung und Kultur für selbiges sorgen kann. In der Breitenkultur haben wir die Stärkung und die Verknüpfung zwischen Jugendarbeit und Kultur zustande gebracht. Und, auch das ist ein wesentlicher Punkt: Bis zum Ende des Jahres werde ich an vielen Stellen dafür gesorgt haben, dass Kultureinrichtungen mit neuen Köpfen besetzt werden. Einige sind bereits gefunden: Das Festival Loostik geht mit einer neuen Festivalleiterin an den Start. Der neue Generalintendant bereitet seine erste Spielzeit für das Saarländische Staatstheater vor. Durch die Neubesetzungen – auch an weiteren Stellen – werden wir sicherlich neue Impulse sehen. Einen dritten Punkt will ich nennen, denn wenn es um die besondere kulturpolitische DNA des Landes geht, ist der gesamte Bereich der freien Szene für mich ein ganz wichtiger. Daher arbeite ich intensiv mit dem „Netzwerk Freie Szene“ zusammen. Akteure der freien Szene sind darauf angewiesen, dass sie Räume zum Proben und für Aufführungen haben, um ihr Publikum unmittelbar erreichen zu können. Für deren kulturelles Schaffen eine soziale Absicherung erreicht zu haben, ist von existenzieller Bedeutung. Wir haben im Bereich der freien Szene Mindesthonorare etabliert. Daran kann man buchstäblich einen Haken machen. Wir bekommen die Rückmeldung vom Netzwerk Freie Szene auf der Bundesebene (Fonds Darstellende Künste; Anm. d. Red.), dass wir damit im Saarland Vorreiter und Beispiel für andere Bundesländer sind. Damit sind wir noch nicht am Ende dessen angelangt, was wir gemeinsam vorantreiben wollen. Ich glaube aber, es gelingt – mir als Ministerin und meinem Haus – dadurch, dass wir einen engen Draht zu den Akteuren haben. Darauf bin ich auch sehr stolz.
Die Kultusministerkonferenz, deren Präsidentschaft Sie derzeit innehaben, hat im März dieses Jahres gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und den kommunalen Spitzenverbänden eine Erklärung mit der Forderung abgegeben, dass „sichergestellt sein muss, dass öffentliche Gelder nicht dazu missbraucht werden, antisemitische, rassistische und andere menschenverachtende Kunst- und Kulturprojekte zu finanzieren.“ Wie stellen Sie das in Ihrem Haus künftig sicher? Und: Wer macht das?
Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ich bin auch sehr froh, dass die Kultusministerkonferenz sich in allen drei Sparten – Kultur, Bildung und Wissenschaft – klar positioniert hat. Genau diese Positionierung im Kulturbereich wurde bisweilen sehr heftig diskutiert, weil Kulturschaffende die Sorge haben, man erwartet von Künstlern in einer Art von Gesinnungsprüfung, dass sie eine Erklärung unterzeichnen, was sie mit den Zuwendungsmitteln machen. Ich glaube, dass das nicht der richtige Weg ist. Eine Sensibilisierung auf möglichst vielen Ebenen ist für mich der Weg, um klarzumachen, dass wir im Saarland keinen Platz für Antisemitismus, aber auch keinen Platz für Rassismus und Diskriminierung einräumen. Das sind Themen, die nicht nur von mir als Ministerin gesetzt werden in Erwartung, dass sie alle umgesetzt werden. An diesen Themenfeldern müssen alle arbeiten, jeder einzelne für sich. Aber auch mit Blick auf Programmgestaltungen muss man vergegenwärtigen, an welcher Stelle ein Programm einer Kultureinrichtung diskriminierend wirken kann, und wie man damit umgeht.
Wie stellen Sie das in Ihrem Haus künftig sicher? Und: Wer macht das?
Sowohl unsere Kultureinrichtungen als auch unser Haus stellen diese Art der Sensibilisierung sicher. Wir haben in beiden Feldern – Bildung und Kultur – enge Verbindung mit der Synagogengemeinde. Unsere Kultureinrichtungen nutzen diese Kontakte, wenn Ausstellungen mit aktuellen oder historischen Bezügen zur jüdischen Geschichte geplant werden, wie beispielsweise im Vorfeld der Chagall-Ausstellung. Wir unterstützen genau die Organisationen, die sich für den Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung stark machen – Akteure wie das „Netzwerk für Demokratie und Courage“ oder das Adolf-Bender-Zentrum. Diese Akteure, die wir zu Bildungszwecken unterstützen und mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten, sind auch genau diejenigen, die Kultureinrichtungen und Akteure zum Austausch befähigen und zur Verfügung stehen und zum Austausch befähigen. Zudem befasst sich in meinem Haus ein Referat mit Demokratieförderung und dem Kampf gegen Antisemitismus und trägt immer wieder zur Vernetzung bei.
Das Kuratorium Saarländischer Kulturbesitz, dessen Vorsitzende Sie sind, hat verhindert, dass Candice Breitz die zuvor vielfach ausgestellte Videoinstallation „TLDR“ (2017) zum Thema Sexarbeit in Johannesburg im Saarlandmuseum zeigt.
Stimmt nicht.
Das können Sie gleich richtigstellen. Was haben Sie an Antisemitischem, Rassistischem oder Menschenverachtendem in diesem Kunstwerk entdeckt, was zuvor keinem aufgefallen war?
Diese Frage ist falsch formuliert. Das Kuratorium hat keine Ausstellung verhindert. Der Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz hat eine Ausstellung der Aktivistin Candice Breitz vor dem Hintergrund ihrer Aussagen zum Angriff der Hamas am 7. Oktober und der damaligen aktuellen Entwicklungen nicht finalisiert.
Die vorzeitige Vertragsbeendigung von Frau Dr. Jahn kommt die Steuerzahler mit 45.000 Euro teuer zu stehen. Man könnte fragen, warum versucht worden ist, die Summe geheim zu halten, aber ich frage: Warum musste Frau Dr. Jahn gehen?
Wir haben den Vertrag von Frau Dr. Jahn ein Jahr vor Ablauf in gegenseitigem Einvernehmen beendet. Der Grund für die Vertragsauflösung waren grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen über die Weiterentwicklung der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.
Im Kulturinterview 2020 hatte ich meinem Zweifel an Ihrer Wahl für Dr. Jahn zum Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz Ausdruck gegeben: „Sie ist eine ausgewiesene Expertin für zeitgenössische Kunst, bringt jedoch keine Erfahrungen mit einem vielschichtigen Sammlungsbestand mit.“ Im Presse-Sommergespräch 2024 haben Sie gesagt: „Die Sammlung war in den vergangenen Jahren zu wenig sichtbar.“
Das stimmt, ja. Aber Sie wollen wissen, weshalb ich sie trotzdem eingestellt habe?
Naja, haben Sie deshalb eine Personalberatungsfirma beauftragt, damit so eine Fehleinschätzung nicht noch mal auftritt?
Grundsätzlich gilt bei Personalentscheidungen immer, dass man auf Basis der aktuellen Einschätzung eines Bewerbers oder einer Bewerberin und der Perspektive, sich gemeinsam zu entwickeln, entscheidet. An dieser Stelle ist das nicht so geschehen, wie das Kuratorium sich das gewünscht hat. Dass man dann sagt, man beendet einen Vertrag vorzeitig, war eine wichtige, von uns getroffene Entscheidung. Die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz hat eine Personalagentur als gute Begleitung hinzugezogen, auch um den Blick nach gutem Personal über die Landesgrenzen öffnen zu können. Ich hoffe, dass ich zum Beginn des neuen Jahres eine neue Persönlichkeit vorstellen kann, und bin auch sehr zuversichtlich, dass das gelingt.
Die Kulturelle-Leuchttürme-Förderung des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie unterstützt „Events und kulturelle Highlights, die eine überregionale Strahlkraft für das Saarland als Tourismusstandort entfalten und damit Wirtschaftswachstum in die Region bringen“. Werden die Hoffnungen erfüllt?
Das Programm ist ein klarer Beleg dafür, dass das Saarland in der Kulturförderung starke Akzente setzt. Es dient dazu, eine gute Anschubfinanzierung für besondere Events und Festivals zu ermöglichen. Parallel dazu hat sich die Landesregierung – damit mein Ressort – auch zum Ziel gesetzt, etablierte Festivals, die wir seit Jahren unterstützen, beispielsweise das Festival Perspectives, das Filmfestival Max Ophüls Preis oder die Musikfestspiele, durch eine dauerhafte Unterstützung im Haushalt zu flankieren, sodass wir zwei Förderstränge haben. Haushaltsförderung bedeutet, dass man verlässlich weiß, für dieses oder die Folgejahre – sofern das saarländische Parlament keine andere Entscheidung trifft – auf Finanzmittel zugreifen zu können. Aber wir finanzieren im Kulturministerium auch jedes Jahr neue Initiativen, denen wir eine Chance geben. Genau das macht unsere Kulturlandschaft aus. Diese Wege werden auch in der Zukunft dazu führen, dass dieses Bundesland – trotz der angespannten Haushaltslage – den Menschen ein gutes, reichhaltiges und auch diverses Kulturangebot anbieten kann. Daran arbeiten wir als gesamte Landesregierung.
Der Kulturgipfel 2023 war der Auftakt für einen partizipativen Prozess, der zur Veröffentlichung von kulturpolitischen Leitlinien für das Saarland führen soll. Wie steht es darum?
Wir sind sehr froh, dass diese Initiative auf positive Resonanz gestoßen ist. Das Format besteht darin, unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen zusammenzubringen. Diesen Kulturgipfel haben wir dann genutzt, um einen partizipativen Prozess zur Entwicklung kulturpolitischer Leitlinien auf den Weg zu bringen. Wir planen für Januar des kommenden Jahres den nächsten Kulturgipfel, um diese kulturpolitischen Leitlinien für das Saarland vorzustellen. Kultur tut gut daran, nicht nur starre Leitlinien und Prinzipien auf ein Blatt Papier zu stellen, sondern auch immer wieder neue Impulse zu entwickeln. Wie schaffen wir es, dass Transparenz entsteht? Was macht die saarländische Kulturpolitik genau? Wo fließen Gelder hin? Das Staatstheater hat eine Infrastruktur, über die die freie Szene nicht verfügt. Wie kann eine Zusammenarbeit der kulturellen Akteure entstehen? Dass ist im Übrigen auch meine Erwartung, dass diese Zusammenarbeit stattfindet. Wir haben uns in diesem Jahr auch mit der Nachhaltigkeit beschäftigt, Nachhaltigkeit im Sinne klarer Finanzierungen, Nachhaltigkeit im Sinne von Ressourcennutzung. Wie setzten wir Green Culture um? Was macht beispielsweise das Staatstheater mit einem Bühnenbild, das nicht mehr gebraucht wird? Für mich gehört zur Nachhaltigkeit dazu, dass wir uns immer wieder vor Augen führen: Wen erreichen wir mit dem Angebot? Der Kulturgipfel kann ein solidarisches Miteinander unter den Kulturakteuren schaffen. Ich freue mich auf diesen als kulturpolitischen Neujahrsempfang geplanten Kulturgipfel, bei dem wir die kulturpolitischen Leitlinien vorstellen und Austausch fördern wollen.
Die kulturpolitischen Leitlinien für das Saarland möchten Sie in der Zukunft vorrangig behandeln …
Als Kulturministerin will ich Dinge ermöglichen. Ich möchte den Kulturakteuren den Rahmen zur Verfügung stellen, den sie benötigen, um sich kulturell entfalten zu können. Das ist auch die Art und Weise, wie man Kultur im Land am besten fördert. Innovation und Kreativität entsteht immer durch Begegnung von Menschen, deshalb ist der Kulturgipfel auch ein besonders Format. Das Thema Nachhaltigkeit ist ein aktuelles, aber es gibt weitere: Wo sind kulturelle Räume, die wir noch nicht geöffnet haben? Wo sind Nischen, wo wir Menschen noch gar nicht erreichen können? Wie wollen wir den ländlichen Raum stärker mit dem bereits Vorhandenen erreichen? Wir haben noch viele weitere Fragestellungen und Ideen. Beim Kulturgipfel im Januar werden wir meines Erachtens schöne Ergebnisse präsentieren können.
Der Kulturpass wurde 2023 von Kulturstaatsministerin Roth für 18-Jährige mit 200 Euro eingeführt, aber 2024 auf 100 Euro gekürzt. Wäre das nicht schön, wenn Kulturministerin Streichert-Clivot für 18-Jährige im Saarland 100 Euro wieder drauflegen würde?
(lacht) Der große Wunsch ist, dass der Kulturpass auch seine Wirkung im Grenzraum entfalten kann, daran arbeiten wir aktuell mit den Kollegen und Kolleginnen auf der französischen Seite. Alles Weitere werden die Haushaltsberatungen in der Zukunft zeigen …