Was wir zu den täglichen Leckereien zählen, dürfte bald keine Selbstverständlichkeit mehr sein. Wein, Kaffeebohnen und Co. kämpfen in den bisherigen Gedeih-Regionen ums Überleben und wandern weiter: Wie das Klima regionale Anbaukulturen dramatisch wandelt.

Dürren, Überflutungen, Krankheiten und ein Mangel an Nährstoffen: Beispielsweise für Kaffee ist es besonders in Gebieten des Kaffeegürtels um den Äquator herum ungemütlich geworden. Einige Studien sehen die gewohnten Kaffeegebiete bis 2050 um die Hälfte schrumpfen. Der Börsenpreis für Rohkaffee hatte im Februar 2025 einen Rekord erreicht. Im März erinnern 18 Prozent Teuerung in nur einem Monat die Verbraucher daran, dass die Klimakrise schon mit dem Morgenkaffee an unsere Türen klopft.
Prof. Dr. Reimund P. Rötter, Leiter der Abteilung Tropischer Pflanzenbau und Agrosystem-Modellierung an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen, verweist darauf, dass die CMIP6-Klimaszenarien für den jüngsten Bericht des Weltklimarats eine beschleunigte Erderwärmung und damit auch eine schnellere Veränderung des globalen Klimasystems nahelegen. „Und damit auch eine frühere Konfrontation der landwirtschaftlichen Akteure mit potenziell negativen Effekten auf die Produktion beziehungsweise Erträge von Nahrungsmittelkulturen“, sagte Rötter. Dies habe Konsequenzen für die Planung von Anpassungsmaßnahmen. Wegen des Tempos des Klimawandels muss also auch die Pflanzenzüchtung Gas geben und schneller klimaresiliente Sorten heranschaffen.
Natürlich kommen uns nicht nur Nässe und Trockenheit teuer zu stehen– besonders, wenn sie das Morgenlabsal der Menschen zur falschen Zeit und über mehrere Jahre in Folge touchieren. Insgesamt wird es durch den Klimawandel schwieriger, genügend Kaffee anzubauen. Zudem trinken auch die Menschen in Indien und China immer größere Mengen des aromatischen Getränks. In Deutschland experimentiert man deshalb beispielsweise mit Lupinenkaffee als Alternative zu umweltbelastendem entkoffeiniertem Kaffee. Bei „echtem“ Kaffee besinnen sich die Produzenten und Forscherinnen auf weniger bekannte Sorten, die idealerweise klimawandelresistenter sind.
Auswirkungen früher als angenommen
Derweil ziehen Pflanzen „einfach“ um. So kommen wir in Deutschland neuerdings zu Südfrüchten von heimischen Bäumen und Feldern sowie zu Oliven von den Weinbergen der Ahnen. In der „Tagesschau“ verblüffte Winzer-Senior Hermann Frisch jüngst die Republik, weil er einen Teil seiner baden-württembergischen Weinstöcke gegen italienische und kroatische Olivenbäumchen ausgetauscht hat. Weil sich der Weinanbau bei ihm in Weinsberg nicht mehr rentiere. Und weil die Temperaturen dort aufgrund des Klimawandels schon lange nicht mehr unter olivengefährdende minus 14 Grad Celsius gefallen seien: Was die Heilbronner Gegend zur neuen Heimat für hitzegebeutelte Olivenbäumchen werden lassen könnte. Der 69-Jährige denkt an eine stabile Zukunft seiner drei Handballfelder großen Weinhänge. Und an die seiner Enkel, die beim Pflanzen der Ölfrüchte halfen. So haben frisch eingewanderte Oliven in Weinsberg eine neue Perspektive. Andernorts, in Griechenland, verbrannten im Juli 2023, während rekordverdächtiger Hitzewellen, etwa 4.500 Hektar alteingesessener Olivenhaine.
Ein bisschen Urlaub in Deutschland anbauen: Was ein Paradies in den Vorstellungshorizont malt, ist doch Auswuchs der Hölle, die steigende Temperaturen und Wassermangel im Klimawandel mit den Anbauböden weltweit veranstalten. Auch wenn wir zumindest in Westeuropa den Luxus genießen, uns anpassen und aufwendige Schutzschilde errichten zu können. Und keine drastisch steigende Nahrungsnot zu leiden, wie die Menschen in manchen Regionen Afrikas sowie Süd- und Mittelamerikas, wo frühere Hungersnöte teils überwunden schienen.
Um zweieinhalb Grad hat sich die Temperatur seit dem Ende des letzten Jahrtausends hierzulande erwärmt. Im Verbund mit weniger Frostnächten fühlen sich Südfrüchte und -Gemüse deshalb auch in Nord- und Süddeutschland immer wohler. Süßkartoffeln aus dem Umland sind etwa auf Münchener Märkten längst ein vertrauter Anblick. Obwohl das wohlschmeckende Gemüse sensibel und keineswegs angetan von viel Regen ist. Den gibt es aber selbst im Frühling rund um München nur noch selten. Ein wenig Wasser mag das aromatische Gemüse aber doch. Deshalb migriert es bereits jetzt aus Afrika, Mittelamerika und Spanien zu uns. Eingesparte Transportwege vermeiden im Nebeneffekt schädliche Treibhausgasemissionen.

Im November 2021 erregte die Veröffentlichung eines internationalen Teams, mit Forschenden von Instituten in Deutschland und Österreich, im Fachjournal „Nature Food“ Aufmerksamkeit. Warum, beschrieb Dr. Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie und Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: „Die aktuelle Studie kommt mit verbesserten Methoden und Daten zu dem Ergebnis, dass deutliche Ertragseffekte durch den Klimawandel vermutlich schon sehr viel früher zu erwarten sind als bisher angenommen.“
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erträge wichtiger Kulturpflanzen wie Weizen und Mais würden in weiten Teilen der Welt bereits in den nächsten 20 Jahren deutlich spürbar sein – und damit um Jahrzehnte früher als bisher angenommen. So lautete vor knapp vier Jahren das Fazit der Studie mit Blick darauf, wie sicher die künftige Nahrungsmittelversorgung ist.
„Der Zeitraum für mögliche Anpassungen wird kürzer; der Druck, schnell und entschieden zu handeln, wächst massiv an“, kommentierte Matin Qaim. „Ohne deutliche Veränderungen kann es regional sehr leicht zu Versorgungsengpässen und Hungernöten kommen.“
Anpassungsstrategien für die Landwirtschaft zu entwickeln und umzusetzen, bedeute vor allem vielfältigere Produktionssysteme, „auch unter Berücksichtigung neuer beziehungsweise bisher vernachlässigter Kulturarten“, sagte der Agrarökonom. „Bei uns in den gemäßigten Klimazonen werden die negativen Ertragseffekte durch den Klimawandel viel weniger stark auftreten als in tropischen und subtropischen Regionen.“ Qaim verwies auch auf die Möglichkeit von Zukäufen. Ganz anders sehe das in den armen Regionen Afrikas und Asiens aus, wo nicht nur die Ertragsausfälle größer wären, sondern mehrere hundert Millionen Kleinbauern direkt von der Landwirtschaft abhängig seien.
Doch auch Bio-Bauernhöfe in Bayern passen sich zwangsläufig und wohlüberlegt an. „Im Frühjahr, nach den letzten Frösten, stecken wir die kleinen Pflänzchen von Hand in Erdhügel, die sogenannten Dämme“, beschreiben die Leute vom Sieber Hof aus der Nähe von Augsburg den Umgang mit ihrem „Superfood“. „Diese Dämme bedecken wir zuvor mit einer biologisch abbaubaren ‚Folie‘, die das Unkraut unterdrückt und den Boden erwärmt.“ Beim Anbau der Süßkartoffeln verwende der Sieber Hof keine Pflanzenschutzmittel. „Deshalb bearbeiten wir das Unkraut mechanisch.“ Wiederum von Hand lesen drei Generationen der Familie Sieber und ihre Mitarbeiter die Knollen im September auf. Klima-Anpassung mit südlichen Früchten, die auch für Verbraucher Vorteile hat: Aus der Süßkartoffel lassen sich mit weniger Kohlenhydraten und dafür mehr Calcium, Vitamin C und Vitamin E als bei Kartoffeln leckere Menüs, mit leicht karottiger Note, zaubern.
„Die Klimaveränderungen erlauben die Einführung von Fruchtarten, die bislang in Deutschland kaum angebaut wurden“, schreibt das Umweltbundesamt in seinen Anpassungsempfehlungen an den Klimawandel. Besonders geeignet seien auch „bestimmte Maissorten, Hirse und weitere wärmeliebende Arten, die Wasser effektiv nutzen“. So habe sich beispielsweise der Anbau von Sojabohnen in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich ausgeweitet. Was wiederum den Import von weither reduziert.
Der Kulturwandel kann sich rentieren

Egal, ob es sich um Pfirsiche im Alten Land bei Hamburg oder Oliven und Kiwis aus Baden-Württemberg beziehungsweise regenwaldschonende Sojabohnen aus Süddeutschland handelt: Der Anbau-Kulturwandel kann sich auf lange Sicht rentieren. Vor allem, wenn dabei die Böden geschont oder gar verbessert und vor der Ertragslosigkeit bewahrt werden. Und wenn die Menschen sich gesund ernähren und sich dabei wohlfühlen.
Genuss darf sein. Zum Süßkartoffel-Aufstrich mit Brezen im Biergarten gehört natürlich ein Bier. Doch auch das ist doppelt gefährdet: von Klimawandel und Kostendruck. Die Hopfenpflanzer sorgen sich um die hitzeempfindlichen Schattenpflanzen. Der Biergrundstoff mag nicht zu viel Sonne, freut sich aber über Regen zur rechten Zeit. Weil 2024 fürs flüssige Brot alles passte, gab es eine Rekordernte. Die rief andere Kümmerer auf den Plan: Damit der Markt den Preis wieder richtet – gemeint ist hier nicht der Markt, wo es Lebensmittel zum direkten Verzehr zu kaufen gibt –, bräuchte es eine Missernte. Also das Gegenteil von gutem Ertrag. Weil der Hopfen – trotz Klimawandels – durch seine massenhaft verfügbaren Mengen derzeit zu wenig einbringt, wird seine Anbaufläche deshalb aktuell künstlich geschrumpft. Zumal die Menschen sowieso weniger Bier trinken. Derartige ökonomische Kunstgriffe im abseitigen Umfeld des Klimawandels bergen zum Glück auch Chancen. Ohne, dass es an Bier – mit oder ohne Alkohol – mangelt.
In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Earth for All Germany: Towards a Future for All“ verdeutlichen das Wuppertal Institut und der Club of Rome, dass man sich gar nicht zwischen Wirtschaft, menschenwürdigem Leben und Klimaschutz zu entscheiden habe. So müssten die Förderbedingungen im Rahmen der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) „grundlegend überarbeitet“ werden. Geld von der öffentlichen Hand sollte, der deutschen „Erde-für-alle“-Initiative zufolge, gezielt für die Sicherung öffentlicher Güter und Leistungen bereitgestellt werden – insbesondere für den Schutz von Böden, Wasser und Artenvielfalt. Die Autoren vom Club of Rome und Wuppertal Institut machen Vorschläge, wie Umweltkrisen überwunden und gleichzeitig Demokratie und Wohlstand gesichert werden können. Ein Lösungsweg: „Wir müssen … unsere Agrarflächen nachhaltiger, effizienter und sinnvoller nutzen.“ In Deutschland reichten die landwirtschaftlichen Flächen schon jetzt nicht aus, um die heimische Nahrungsmittelnachfrage zu decken. Eine wachsende Weltbevölkerung könne nur ernährt werden, wenn die vorhandenen Flächen effizienter verwendet würden.
Im „Survivalguide für unseren Planeten“ mahnen die Wissenschaftler der Initiative, dass jeder zwölfte Mensch von Nahrungsunsicherheit sowie insgesamt 800 Millionen Menschen von Hungersnöten bedroht seien. Diese würden durch Pandemien, internationale Konflikte, den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt verursacht. In der deutschen Zusammenfassung der Anleitung zum Überleben heißt es: „Zusätzlich zu den gesundheitlichen und humanitären Krisen belasten die Art und Weise, wie wir unsere Nahrungsmittel anbauen, transportieren und verbrauchen, die Grenzen unserer Planeten mehr als jeder andere Sektor.“ Die Landwirtschaft trage am stärksten zur Entwaldung, zum Verlust der Artenvielfalt und zur Entstehung von riesigen toten Zonen in unseren Bächen, Seen und Meeren bei und sei eine der größten Quellen für Treibhausgasemissionen. „Die Einführung einer regenerativen und nachhaltigen Landwirtschaft und von regenerativen und nachhaltigen landwirtschaftlichen Praktiken ist für das Leben innerhalb der Grenzen des Planeten unerlässlich.“
Frucht-Umstieg bei Ernteausfällen

Am Lehrstuhl für Ökonomik des Gartenbaus und Landschaftsbaus der Technischen Universität München kündete der „Obstbericht“ schon vor vier Jahren von klimatischen Veränderungen in Süddeutschland: „Die Auswirkungen des Klimawandels, in Form von klimabedingten Ereignissen wie Hagel, Spätfröste und Trockenheit, spüren die Obstbauer*innen in der Fränkischen Schweiz. Während die warmen Tage im Frühjahr immer früher einsetzen und sich die Böden früher erwärmen, treffen immer häufiger auftretende Spätfrostereignisse auf die Obstblüten im entscheidenden Reifestadium.“ Gleich mehrmals habe dies bei manchen Produzentinnen und Produzenten zu Ernteausfällen von 60 bis 100 Prozent geführt. Diese klimatischen Entwicklungen böten, den Wissenschaftlern aus Freilassing zufolge, manchem Betrieb auch Chancen, auf andere Obstarten umzusteigen. So gehören Pfirsiche und Nektarinen zu den Alternativ-Beispielen der TUM-Experten.
Veränderung verunsichert. Keiner sollte sich damit alleingelassen fühlen. Besonders im Klimawandel. Deshalb hat die Rainforest Alliance beispielsweise gemeinsam mit der Kaffeebäuerin Evelyn Nyawira in Kenia Schattenbäume gepflanzt. In Chiapas in Mexiko sind Kleinbäuerinnen, der Umwelt-Initiative zufolge, auf nachhaltigere Praktiken umgestiegen. „Insgesamt konnten wir auf unserer Mission, langfristig einen grundlegenden Wandel im weltweiten Kaffeeanbau zu erreichen, mithelfen, die Ernten und Einkommen von 1,6 Millionen FarmerInnen in 26 Ländern zu steigern“, vermeldet die Rainforest Alliance, die sich seit bald 38 Jahren für mehr Nachhaltigkeit in der Kaffeeproduktion einsetzt. Weitsichtige Winzer und Bauern leisten auch in Deutschland das Ihre für Nahrungsmittel mit Zukunft. Und der kleine Frosch auf den Kaffeepackungen bekannter und weniger bekannter, kleiner und großer Kaffeefirmen macht Hoffnung, dass dem Klimawandel aktiv etwas entgegengesetzt wird. Damit auch künftig die Tasse Kaffee am Morgen die Tage ein wenig heller aussehen lässt.