Das Ampel-Aus bremst jede Menge Reformprojekte. Das Deutschlandticket ist nur eines von vielen, es steht auf der Wunschliste der Bundesländer weit oben. Nun ist klar: Das Erfolgsmodell wird fürs Erste weiter finanziert.
Für Bayern sind dies keine guten Nachrichten: 900 Millionen Euro weniger wird das Land laut aktueller Steuerschätzung 2025 einnehmen. Aber auch der Rest von Deutschlands Ländern und Kommunen sowie der Bund selbst werden mit weniger Geld auskommen müssen, genauer mit 12,7 Milliarden Euro weniger. Mit einer Minderheitsregierung in Berlin und dem noch fehlenden Haushalt 2025 entstehen nun zahlreiche finanzielle Fragen, etwa: Was wird noch gefördert und was nicht?
Klar ist nun: Das Deutschlandticket zumindest bleibt. Eine formelle Entscheidung soll es nach der Vertrauensfrage Mitte Dezember geben, über die Weiterfinanzierung aber haben sich Minderheitsregierung und Opposition bereits verständigt. Restmittel aus dem Jahr 2023 lägen schon bei den Ländern, meldet die CDU, damit sei das Ticket gesichert. Ginge es nach dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, soll das Deutschlandticket dran glauben. Laut Medienberichten kostet das Ticket den bayerischen Steuerzahler jährlich 300 Millionen Euro. Allerdings hat der Freistaat zusätzlich zum Deutschlandticket für 49 Euro auch ein ermäßigtes Ticket für 29 Euro eingeführt. In seiner jetzigen Form sei das Ticket nicht mehr tragbar, sagt Söder. Es sei denn, der Bund bezahlt es komplett. Andere Flächenländer wie Baden-Württemberg, Niedersachsen und das Saarland drängten auf eine schnelle Entscheidung zur Weiterfinanzierung.
Konkret geht es um eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes, das der Bundestag noch nicht beschlossen hatte. Das Gesetz regelt, ob und wie nicht eingesetztes Geld auch in Folgejahren verwendet werden kann. Passiert dies nicht, droht eine Finanzierungslücke. Die wäre, wenn die CDU im Bundestag im Dezember zustimmt, für 2025 geschlossen.
Das Bundesverkehrsministerium stellte zuvor mit Blick darauf die große Einigkeit der Länder heraus, dass das Ticket ein Projekt sei, das fortgeführt werden solle. Gültig sei weiter die generelle Vereinbarung, nach der Bund und Länder bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro im Jahr beisteuern. Die Verkehrsministerkonferenz hatte im September entschieden, dass das derzeit 49 Euro teure Deutschlandticket von 2025 an 58 Euro pro Monat kosten soll. Für wie lange, ist offen. Sozialverbände und der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierten die Preiserhöhung. „Eine Erhöhung um fast 20 Prozent ist für viele Fahrgäste ein Schlag in die Magengrube und treibt viele neu gewonnenen Fahrgäste zurück ins Auto“, kritisiert Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands.
13 Millionen Ticket-Nutzer in Deutschland
Die neuerliche Debatte ließ die Nervosität bei Verkehrsunternehmen steigen. Viele von ihnen haben ihre Strukturen bereits auf das Deutschlandticket ausgerichtet. Die Zahl der Fahrten mit den ÖPNV haben sich seit Einführung erhöht. Nutzer steigen öfter auf den ÖPNV oder auf‘s Fahrrad um als ins Auto: Laut Evaluationsbericht des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für das Deutschlandticket im ersten Halbjahr 2024 besaßen im Juni über 13 Millionen Menschen ein Deutschlandticket. Diese können oft sogar etwas sparen: Laut Nutzerbefragungen konnten 63 Prozent der Nutzer ihre durchschnittlichen monatlichen Ticketausgaben um fast 40 Euro mindern. Außerdem sparten sie so im ersten Halbjahr 686.000 Tonnen CO2 ein. Das Ticket führe zudem zu einem geänderten Nutzerverhalten: Die Leute fahren länger, über bisherige Tarifgrenzen hinaus, das führt zu volleren Fahrzeugen, gerade im Bahn-Regionalverkehr und auch im Ausflugsverkehr, stellt der VDV fest.
Der Nachteil: Der hohe Zuspruch für das Ticket und die Umstellung von Tarifen führt dazu, dass das bestehende Fahrplan-Angebot unter Druck gekommen ist. Sowohl der Preis des Deutschlandtickets wie auch die übrigen Tarife haben eine preisliche Obergrenze. Höhere Preise wären „angesichts von steigenden Kosten bei Personal, Kraftstoff und Energie nötig“, heißt es vom VDV. Nicht zuletzt deswegen planen bundesweit Verkehrsunternehmen das Angebot, wo nötig, zurückzufahren.
Dennoch sei das Deutschlandticket das dominierende Ticket im Tarifsegment. Das führe zu der Situation, „dass man eigentlich nun das bestehende Rest-Tarifsystem vereinfachen kann“. So geschehen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. Die Debatte um eine Weiterfinanzierung stellte jedoch jene Umstellungen infrage. Denn nach dem Vorstoß von Ministerpräsident Söder, der stattdessen ein Ferienticket für 49 Euro einführen möchte, lehnte auch der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, eine Unterstützung rot-grüner Gesetzesinitiativen wie dem Deutschlandticket zunächst ab. „Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube, da müssen wir den Schwerpunkt setzen bei Investitionen in die Infrastruktur“, sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin Politico. Die saarländische Mobilitätsministerin Petra Berg (SPD) forderte eine rasche Entscheidung pro Deutschlandticket. „Das Deutschlandticket hat die Mobilität der Menschen revolutioniert und darf jetzt nicht unter die Räder kommen“, sagte Berg. Auch für die Weiterfinanzierung nach 2025 brauche es ein klares Signal aller Parteien. Die SPD-geführten Bundesländer „appellieren deshalb auch an die CDU/CSU, gemeinsam den Weg für das Regionalisierungsgesetz frei zu machen und nicht mit isolierten Vorstößen wie Herr Söder in Bayern vorzupreschen und sich damit aus der Verantwortung ziehen zu wollen. Ein solches Vorgehen gefährdet das Fortbestehen des Tickets.“
Der Verband der Verkehrsunternehmen fordert für die abschließenden Beratungen des Gesetzes drei wesentliche Anpassungen: Zunächst eine Streichung des Enddatums 31. Dezember 2025, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann und erklärt: „Damit wird sichergestellt, dass es das Deutschland-Ticket und die Bundesmittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr über das Jahr 2025 hinaus gibt.“
Zweitens: Im Entwurf sollten anfangs 350 Millionen Euro an Regionalisierungsmitteln vom Bund für die ÖPNV-Betriebe nicht 2025, sondern erst 2026 gezahlt werden – nachdem nachgewiesen wurde, wie die Mittel aus dem Vorjahr verwendet wurden. Auch dies müsse gestrichen werden, sagt Wortmann mit Blick auf die derzeitige Geldnot im ÖPNV. „Drittens brauchen wir die Erhöhung der Regionalisierungsmittel um drei Milliarden Euro pro Jahr ab 2026 mit jährlich anwachsenden Beträgen.“
Stichtag ist nun der 16. Dezember: Nach der Vertrauensfrage von Kanzler Olaf Scholz will die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag mit der Minderheitsregierung von SPD und Grünen über mögliche gemeinsame Gesetzesvorhaben sprechen. Die Weiterfinanzierung des Deutschlandtickets ist eines davon. Pendler, die den Löwenanteil der Deutschlandticket-Nutzer ausmachen, dürften erleichtert sein. „Wir gehen davon aus, dass sich für den notwendigen Beschluss zur Überjährigkeit der Bundesmittel entsprechende Mehrheiten im Parlament finden werden“, heißt es beim VDV zuversichtlich. Und weiter: „Denn sicher wollen die im Bundestag vertretenen Parteien mehrheitlich nicht ein Ticket gefährden, das aktuell bereits über 13 Millionen Bürgerinnen und Bürger nutzen.“