Weil Züge sich verspäten oder ausfallen, warten täglich Fahrgäste in Berlin auf S- und U-Bahnen. Oder sie steigen wegen Bauarbeiten auf Busse um. Daran wird sich in den nächsten Jahren auch nicht viel ändern.
Wegen einer Signalstörung“, „aufgrund von Bauarbeiten“ oder „nach einem Polizeieinsatz“ ist „der Zugverkehr noch unregelmäßig“ – diese Durchsagen kennt wohl jeder, der derzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin unterwegs ist. Und wenn dann doch noch eine U- oder S-Bahn kommt, aber auf einem anderen Gleis, ist die Rolltreppe kaputt. Oder der Fahrstuhl.
Eines der Ärgernisse im öffentlichen Nahverkehr ist die Gleissperrung der U2. Und das ausgerechnet am Alexanderplatz, einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Hauptstadt. Seit fast einem halben Jahr darf die U2 in diesem Teil der City Ost nur noch eingleisig fahren. Zwischen Senefelderplatz und Klosterstraße verkehren die U-Bahnen nur im 15-minütigen Pendelverkehr – zum großen Unmut der Berlinerinnen und Berliner im Nordosten. Das Gleis nach Pankow musste gesperrt werden, nachdem der U-Bahntunnel um fast vier Zentimeter abgesackt war. Der 1913 gebaute Tunnel verläuft direkt neben einer Baugrube am Alexanderplatz 17, in der das Immobilienunternehmen Covivio ein Hochhaus errichten will. Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatten Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) Risse im U2-Bahnhof festgestellt. Seit September drang Grundwasser dort ein. Jetzt wird mit den Sanierungsarbeiten begonnen.
Ärger über Sperrungen
Gerechnet wird mit einer Bauzeit von etwa fünf Monaten. In denen wird der abgesackte Tunnel mit eingeführtem Flüssigzement angehoben, das Erdreich unter dem Tunnel verfestigt und die Baugrubenwand verankert. Weitere Sanierungsarbeiten sollen voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, vorzugsweise nachts. Der Kostenrahmen für den Hebevorgang wird aktuell auf einen Betrag knapp unter zehn Millionen Euro geschätzt. Es sei zwar ein folgenschwerer Schaden eingetreten, es gebe aber keinen Verzug bei der Planung und Durchführung der Schadensbehebung, auch wenn dies einem komplexen Sanierungsprojekt gleichkomme, sagte Ephraim Gothe (SPD), Stadtrat für Stadtentwicklung in Mitte. „Für die weitere Bauplanung am Alexanderplatz kann dies nur bedeuten: Wir brauchen gründliche Prüfungen, klare Vereinbarungen und verlässliche Partner.“ Noch am 4. Oktober 2022 fragte Kristian Ronneburg, Abgeordneter der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, bei der BVG nach, wie groß der Sanierungsbedarf des Berliner U-Bahnnetzes sei. Das war nur wenige Tage vor der Gleissperrung der U2. Das Verkehrsunternehmen bewertete damals den baulichen Zustand des U-Bahnnetzes und der U-Bahnhöfe mit gut bis befriedigend. „Der Sanierungsbedarf im Berliner U-Bahnnetz und der U-Bahnhöfe wird auf Basis der aktuellen Vorhabenplanung für den Zeitraum 2023 bis 2035 für alle bautechnischen und elektrotechnischen Anlagen auf insgesamt 3.531,9 Millionen Euro geschätzt.“ Bei den älteren Linien U1 bis U4 sowie auf den Altbauabschnitten der Linien U5 bis U8 sei der Sanierungsbedarf höher als auf denen, die nach 1945 gebaut wurden. In den Planungen bis 2035 entfallen 30 Prozent der Mittel auf Bahnhöfe, 70 Prozent auf Streckenabschnitte. Die meisten Gelder würden die U6, die U2 und die U7 benötigen. Maßnahmen mit höchster Priorität aufgrund sicherheitsrelevanter Sanierungsmaßnahmen und schlechtem Zustand seien laut BVG die Damm- und Brückensanierung der U6 Nord, der Neubau des Waisentunnels unter der Spree in der Nähe der Jannowitzbrücke und die Tunnelsanierungen Karl-Marx-Straße bis Hermannplatz, Chausseestraße und zwischen Wittenbergplatz und Nollendorfplatz.
Einschränkungen im Nahverkehr gibt es in Berlin fast täglich auch bei der S-Bahn. Vergangenes Wochenende etwa verkehrten keine S-Bahnen zwischen Wuhlheide, Köpenick und Friedrichshagen. Der Bahnhof erhält einen Regionalbahnsteig, einen neuen Zugang und drei Aufzüge. Geplant sind vier Jahre Bauzeit. Gebaut wird ebenso am Bahnhof Zoologischer Garten. 2027 sollte auch er endlich seine Schönheitskur hinter sich haben. Die Berliner S-Bahn wird im kommenden Jahr 100 Jahre alt. Das und die Trennung des Netzes 1961 sowie die Wiederzusammenführung nach 1990 stellen die Bahn vor große Herausforderungen. Neben Instandsetzung und Modernisierung der Anlagen ist auch der Neubau von Strecken immer mal wieder Grund für Pendel- oder Schienenersatzverkehr. Seit 2010 wird der Berliner Ostbahnhof, der drittgrößte Bahnhof Berlins mit täglich rund 100.000 Reisenden, modernisiert und bau- und sicherheitstechnisch an neue Standards angepasst. Das dauert voraussichtlich bis 2025. Ein Jahr früher will man mit der Modernisierung der elektronischen Stellwerkstechnik auf dem nördlichen Abschnitt der Linie S1 fertig sein. Der S-Bahnhof Schöneweide ist seit 2018 Baustelle und stellt die Nerven der Fahrgäste des Öfteren auf eine harte Probe, wenn mal wieder ein Zug unvermittelt dort endet und man ungeschützt vor Wind und Regen auf den nächsten warten muss.
Große und kleine Baustellen
Neben diesen größeren Projekten gibt es auch immer wieder kleinere Bauarbeiten. Die finden meist am Wochenende oder nachts statt, sodass zumindest der Berufsverkehr nicht beeinträchtigt ist. Im Gegensatz zur oft recht spärlichen Kommunikation auf den Bahnhöfen sind auf den Webseiten der DB alle Fahrplanänderungen genau aufgelistet. Mobilitätseinschränkend sind auch defekte Rolltreppen und Aufzüge. Bei der S-Bahn gab es am 10. März 2023 bei 26 S-Bahnhöfen und vier U-Bahn-Umsteigebahnhöfen nur bei zweien (!) keine Störungsmeldung über defekte Rolltreppen und Fahrstühle. Viermal waren Bauarbeiten der Grund. Und oft dauert es, bis diese repariert werden.
2020 machte sich der Landesverband Berlin/Brandenburg von „Pro Bahn“ Gedanken darüber, wie es mit der Berliner S-Bahn weitergehen soll. Da diese fast ausschließlich auf eigener Schienen-, Bahnhofs- und Energie-Infrastruktur betrieben wird, könnten die Gleise nicht von anderen Zügen genutzt werden. Das habe man bei der Bahnreform 1994 nicht berücksichtigt, die S-Bahn-Infrastruktur wurde behandelt wie die der übrigen bundeseigenen Eisenbahn. Gleise, Weichen, Signalsystem, Bahnhöfe und Stromversorgung würden von der S-Bahn Berlin GmbH getrennt geführt und befänden sich in der Regie des Infrastrukturbereichs der Deutschen Bahn AG „DB Netze“. Die daraus resultierenden Nachteile merken die Fahrgäste nahezu täglich, wenn es mal wieder Stellwerks-, Weichen- und Signalstörungen und die damit verbundenen Abstimmungsprobleme gibt. Dabei belegt die Berliner S-Bahn, wenn sie denn fährt, bundesweit den ersten Platz bei der Pünktlichkeit von S-Bahnen. Das ergaben Anfragen des Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) an die DB im Jahr 2020 und 2022. Vor drei Jahren lag die Pünktlichkeit bei 98 Prozent, vergangenes Jahr bei 97,6 Prozent.