Ihren Durchbruch hatte sie als Sängerin der New-Wave-Band Blondie vor knapp 50 Jahren. Es folgten eine Solo-Karriere und ein Mini-Comeback mit Blondie Ende der 90er. Vor Kurzem feierte sie ihren 80. Geburtstag und kündigte ein neues Blondie-Album an.
Als Debbie Harry Mitte der 1960er-Jahre in die Subkultur von New York eintauchte, war das der langersehnte Befreiungsschlag von ihren konservativen Adoptiveltern. Sie schlug sich in Manhattan als Fotomodel, Tänzerin und Playboy-Bunny durch und kellnerte im Szene-Lokal Max’s Kansas City am Union Square, in dem unter anderem auch Andy Warhol, Lou Reed, Iggy Pop, Miles Davis und David Bowie verkehrten. Angeblich war sie dauernd bekifft und ließ regelmäßig Cheeseburger in den Schoß der Gäste fallen. Anfang der 70er-Jahre trat sie nebenbei in der Frauenband The Stilettos auf und lernte den Musiker Chris Stein kennen. Die beiden wurden ein Paar und gründeten 1974 die New-Wave-Band Blondie.
Durch Auftritte im legendären CBCB, einem Punk-Club in Lower Manhattan, wurde Blondie schnell zum Szenenliebling. 1976 kam ihr erstes Album „Blondie“ heraus, zwei Jahre später hatte die Band mit dem Album „Parallel Lines“ und Hits wie „Heart of Glass“, „Call Me“ und „The Tide Is High“ den internationalen Durchbruch und verkaufte über 40 Millionen Alben. Mit einer Mischung aus Punk, Pop, Reggae und Disco sorgten sie für den Soundtrack einer ganzen Generation. Und Debbie Harry wurde mit ihrem aufreizenden Gesang, ihrer sexy Bühnenshow und ihrer Marilyn-Monroe-esken Attitüde zum Postergirl des New Wave, aber auch Vorbild für ein cooles, selbstbestimmtes Frau-Sein. Debbie Harry erinnert sich: „Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurde aber mein Aussehen zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Und auch viele Journalisten schienen sich damals leider mehr für meinen Look zu interessieren als für unsere Musik.“ Nach „Parallel Lines“ erschienen noch drei weitere Alben, dann löste sich die Band 1982 auf.
Immer wieder neu erfunden
1983 wurde bei Chris Stein eine lebensgefährliche Autoimmunkrankheit diagnostiziert. Debbie Harry blieb an seiner Seite und pflegte ihn gesund. Das Paar trennte sich 1987. „Der Trennungsgrund war aber nicht seine Krankheit“, betont Debbie Harry, „wir haben damals beide viel zu viele Drogen genommen und das hat uns langsam ins Chaos gestürzt. Chris und ich machten einen Drogenentzug und sind seitdem clean.“ Die beiden sind bis heute gut befreundet. Schon 1981 startete Debbie Harry mit dem Album „KooKoo“ ihre Solo-Karriere, die allerdings nicht so richtig in die Gänge kommen wollte. Es folgten aber noch vier weitere Soloalben. In den 80er-Jahren spielte Debbie Harry auch immer wieder in TV-Serien und Filmen mit, wie zum Beispiel in „Videodrome“ von David Cronenberg und „Hairspray“ von John Waters. Außerdem gab sie weiter Konzerte und trat regelmäßig mit der Band Jazz Passengers auf.
Nachdem sich Blondie 1997 reformiert hatten, brachte die Band 1999 das Album „No Exit“ auf den Markt und hatte mit der Single „Maria“ einen weltweiten Hit. 2017 folgte mit „Pollinator“ noch ein weiteres Album. Im Laufe der Zeit hat sich Debbie Harry immer wieder neu erfunden und sich als Künstlerin weiterentwickelt. „Ich habe mir von Anfang an eine Karriere vorgestellt, die nicht schon nach fünf Jahren beendet ist. Dafür habe ich hart gearbeitet. Der Trick dabei ist, dass man sich selbst treu bleibt, aber auch immer offen ist für neue Einflüsse.“
2019 veröffentlichte Debbie Harry ihre Autobiographie „Face It“ und enthüllte darin auch, dass sie in den 70er-Jahren während eines Einbruchs in ihrem Apartment mit vorgehaltenem Messer vergewaltigt wurde. Und dass 1970 der Serien-Killer Ted Bundy sie in New York in sein Auto lockte, sie aber entkommen konnte. Natürlich hatte sie den Vorfall gleich bei der Polizei angezeigt, aber damals glaubte ihr niemand, dass es Ted Bundy war. In „Face It“ erfährt man viel Privates und natürlich auch von ihrem Leben als Künstlerin. Doch die Anfrage ihres Verlags, dem noch einen zweiten Teil Lebenserinnerungen folgen zu lassen, lehnte sie ab. „So aufregend und schön es war – ich lebe nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt“, meint sie lächelnd.
„Ich lebe im Hier und Jetzt“
Im Laufe der letzten Jahre hat sich Debbie Harry aber auch intensiv für karitative Zwecke engagiert. Dazu angeregt wurde sie, nach eigener Aussage, von Elton John und seinem jahrelangen Kampf gegen HIV und AIDS. Sie unterstützt Einrichtungen wie die Elton John AIDS Foundation, AIDS Life, die Endometriosis Foundation of America, Killing Cancer, Amnesty International und The Rainforest Foundation. Auch der Umweltschutz liegt ihr sehr am Herzen.
Vor Kurzem feierte Debbie Harry ihren 80. Geburtstag. Sie ist immer noch fit und energiegeladen und denkt noch lange nicht an den Ruhestand. Von einer australischen TV-Journalistin gefragt, wie sie denn mit dem Altern zurechtkomme, gestand sie freimütig: „Es ist der reinste Horror. Aber ich halte mich, glaube ich, ganz gut und mache einfach immer weiter. Ich bin gesund und habe immer noch viel Energie und Lebensfreude. Und im Herzen bin ich immer noch 25. Natürlich kann ich heute einige Dinge nicht mehr machen wie mit 25 – aber das Feeling ist eigentlich noch da. Ich bin immer noch neugierig auf Neues und verspüre immer noch diese starke kreative Leidenschaft in mir. Ich schreibe nach wie vor Songs. Vor Kurzem habe ich mit der Bildhauerei angefangen und plane auch, demnächst ein Drehbuch zu schreiben. Und ich freue mich sehr darauf, mit Blondie auf Tournee zu gehen. Das machen wir tatsächlich immer noch jedes Jahr. Da spielen wir auf dem ein oder andern Open-Air-Konzert in der ganzen Welt. Und wir werden auch bald wieder ins Studio gehen und gemeinsam ein neues Album aufnehmen.“