Der 1. FC Heidenheim mit seinem Trainer Frank Schmidt begeistert nicht nur Fußballdeutschland, sondern auch auf internationalem Parkett – mit Menschlichkeit, Demut und einer klaren Kante.
Der 1. FC Heidenheim 1846 hat in der Fußball-Bundesliga ein Kapitel geschrieben, das wie aus einem Märchen klingt: Nach einem beeindruckenden 4:0-Sieg gegen den FC Augsburg steht der Verein zum ersten Mal in seiner Geschichte an der Tabellenspitze. Dieser Erfolg ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass der Verein in den Jahren zuvor als Dorfclub galt, der eher für seine bescheidenen Mittel bekannt war, als für große Erfolge im deutschen Fußball. Mit diesem Sieg gehört Heidenheim nun zu den 35 Vereinen, die seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 mindestens einmal von der Spitze grüßen durften. Der Mann hinter diesem Erfolg ist niemand Geringeres als Frank Schmidt, der dienstälteste Trainer im deutschen Profifußball. Seit fast 17 Jahren steht er an der Seitenlinie der Heidenheimer und hat den Verein Schritt für Schritt von der Oberliga bis in die höchste Spielklasse geführt.
Frank Schmidt, 50 Jahre alt und gebürtig aus der Region um Heidenheim, ist eine Persönlichkeit, die sich durch außergewöhnliche Beständigkeit und Bodenständigkeit auszeichnet. Seine Spielerkarriere führte ihn zu Vereinen wie Greuther Fürth und Alemannia Aachen, doch seine größte Leistung sollte erst nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn folgen. Als er 2007 seine Fußballschuhe an den Nagel hängte, plante er eigentlich, sich seiner Familie zu widmen und samstags den Rasen zu mähen. Doch die Geschichte nahm eine andere Wendung: Nach der Entlassung von Dieter Märkle am 17. September 2007 wurde Schmidt, damals noch ohne große Trainererfahrung, als Interimstrainer eingesetzt. Die Aufgabe schien zunächst überschaubar: „Mach mal zwei Spiele, wir müssen einen neuen Trainer suchen“, hatte Clubchef Holger Sanwald ihm damals gesagt. Doch bereits nach den ersten beiden Spielen, die er mit einem 2:1-Sieg gegen Normannia Gmünd und einem 9:1 gegen den VfL Kirchheim abschloss, war klar, dass Schmidt mehr als nur eine Übergangslösung sein würde. Sanwald ist übrigens bis heute der Vereinsboss.
„Mach mal zwei Spiele“, hieß es am Anfang
Unter Schmidts Leitung begann eine beeindruckende Reise für den 1. FC Heidenheim. Was als Interimsrolle begann, entwickelte sich zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte im deutschen Fußball. Bereits 2008/09 führte Schmidt den FCH zur Meisterschaft in der Oberliga und damit zum Aufstieg in die Regionalliga. Die Zusammenarbeit zwischen Schmidt und dem Verein erwies sich als äußerst fruchtbar: Parallel zu seiner Arbeit als Trainer erwarb er die Fußballlehrer-Lizenz, was seine fachliche Kompetenz weiter stärkte. Was jedoch am meisten beeindruckt, ist die Art und Weise, wie Schmidt es geschafft hat, einen Club, der lange im Schatten der großen Vereine stand, kontinuierlich weiterzuentwickeln. Zunächst etablierte man sich in der neu gegründeten Dritten Liga. Der nächste große Schritt erfolgte in der Saison 2013/14, als Schmidt Heidenheim erneut zur Meisterschaft führte und den Aufstieg in die 2. Bundesliga perfekt machte. Damit war der FCH endgültig im deutschen Profifußball angekommen. Der Verein honorierte Schmidts Arbeit mit mehreren Vertragsverlängerungen, die letzte davon im Jahr 2021 bis 2027. Der Traum vom Aufstieg in die Bundesliga schien zum Greifen nah, doch es sollte noch einige Jahre dauern, bis dieser Traum Wirklichkeit wurde.
In der Saison 2019/20 stand der FCH kurz davor, den großen Coup zu landen. Nach einer beeindruckenden Saison erreichten sie die Relegation, doch dort scheiterte der Verein knapp an Werder Bremen. Dennoch bewies Schmidt in dieser Phase seine Fähigkeit, Rückschläge zu verkraften und sein Team zu motivieren. „Wir geben halt nie auf“, sagte Schmidt damals und zeigte, dass er weiterhin fest an den Traum vom Aufstieg glaubte. Dieser Glaube zahlte sich in der Saison 2022/23 aus, als Heidenheim nach einem dramatischen letzten Spieltag schließlich den Aufstieg in die Bundesliga schaffte. Besonders der Sieg gegen den SSV Jahn Regensburg, bei dem Tim Kleindienst in der neunten Minute der Nachspielzeit das entscheidende Tor erzielte, wird den Fans des Vereins noch lange in Erinnerung bleiben.
Frank Schmidt, der nicht nur durch seine sportlichen Erfolge, sondern auch durch seine Bodenständigkeit und Menschlichkeit auffällt, zeigte sich nach dem historischen Aufstieg überwältigt: „Das war ein unfassbarer Moment“, sagte er und dankte dem in dieser Partie abgestiegenen SSV Jahn Regensburg für die Möglichkeit, in deren Stadion den Aufstieg feiern zu dürfen. Diese Geste zeigt, dass Schmidt nicht nur ein hervorragender Taktiker ist, sondern auch ein Trainer mit großem Respekt vor dem Gegner. Solche menschlichen Qualitäten haben ihn zu einer Institution im deutschen Fußball gemacht.
Mit 306 Spielen als Trainer in der 2. Bundesliga war Schmidt am Ende der Saison 2022/23 der erfahrenste Coach dieser Liga. Unter seiner Leitung konnte der FCH mehr Siege als Niederlagen feiern: 125 Siege bei 97 Niederlagen sprechen eine deutliche Sprache. Auch die Tordifferenz von 443 erzielten Treffern gegenüber 390 Gegentoren zeigt, dass Heidenheim unter Schmidt eine spielstarke Mannschaft geworden ist. Tatsächlich war Heidenheim in den neun Jahren in der 2. Bundesliga nach Punkten und Toren die erfolgreichste Mannschaft, noch vor renommierten Clubs wie dem FC St. Pauli.
Finanziell agiert man besonnen
Der Schritt in die Bundesliga bedeutete für Schmidt und Heidenheim eine neue Herausforderung, die sie jedoch mit Bravour meisterten. Nach der Hinrunde der Premierensaison belegte der Aufsteiger einen bemerkenswerten neunten Tabellenplatz, mit einem Vorsprung von zehn Punkten auf den Relegationsrang. Besonders eindrucksvoll war der 3:2-Sieg gegen den deutschen Rekordmeister FC Bayern München, der am 28. Spieltag gelang. Dieser Sieg brachte dem Verein nationale Aufmerksamkeit und machte deutlich, dass Heidenheim in der Bundesliga nicht nur um den Klassenerhalt kämpft, sondern auch in der Lage ist, gegen die Großen der Liga zu bestehen.
Am Ende der Saison 2023/24 belegte der FCH den achten Tabellenplatz und qualifizierte sich sensationell für die Uefa Conference League. In der Gruppenphase trifft Heidenheim nun auf Gegner wie den FC Chelsea – eine unglaubliche Entwicklung für einen Verein, der vor wenigen Jahren noch in der Dritten Liga spielte. Die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb ist ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des 1. FC Heidenheim und zeigt, wie weit der Verein unter der Leitung von Frank Schmidt gekommen ist.
Auf dem Transfermarkt agierte Heidenheim mit Bedacht. Trotz der Abgänge von Schlüsselspielern wie Tim Kleindienst und Jan-Niklas Beste, die zu Borussia Mönchengladbach beziehungsweise Benfica Lissabon wechselten, bewies der Verein ein geschicktes Händchen bei der Kaderplanung. Besonders die Verpflichtung des 18-jährigen Paul Wanner, der vom FC Bayern München ausgeliehen wurde, erwies sich als Glücksgriff. Wanner zeigte bereits in den ersten Spielen seine Qualitäten und trug entscheidend zum erfolgreichen Saisonstart bei. So gewann der FCH seine ersten fünf Pflichtspiele und setzte sich nach dem zweiten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison mit sechs Punkten und 6:0 Toren an die Tabellenspitze.
Finanziell agierte der Verein ebenfalls besonnen: Während die Ausgaben auf dem Transfermarkt bei etwas mehr als zwei Millionen Euro lagen, erzielte der Verein Einnahmen in Höhe von 15 Millionen Euro. Diese strategische Ruhe zeigt sich auch in der Arbeitsweise von Schmidt, der trotz aller Erfolge weiterhin bodenständig bleibt. „Wir haben 15 Prozent der Punkte, die wir am Ende brauchen“, sagte er nach dem Erreichen der Tabellenführung. Sein primäres Ziel bleibt der Klassenerhalt, und auch wenn Heidenheim derzeit an der Spitze der Liga steht, genießt Schmidt primär den Moment: „Die Mannschaft funktioniert, und das ist momentan das Entscheidende.“
Die Erfolgsgeschichte des 1. FC Heidenheim und seines langjährigen Trainers Frank Schmidt ist ein Beispiel dafür, was mit harter Arbeit, Konstanz und einer klaren Philosophie erreicht werden kann. Schmidt hat den Verein nicht nur sportlich auf ein neues Niveau gehoben, sondern auch menschlich beeindruckt. Ob der FCH die Erfolgsgeschichte in der Bundesliga und auf internationaler Bühne fortsetzen kann, bleibt abzuwarten. Doch schon jetzt haben Schmidt und seine Mannschaft bewiesen, dass sie in der Lage sind, Geschichte zu schreiben– und das Märchen vom kleinen Dorfclub, der es an die Spitze des deutschen Fußballs schafft, hat längst die Realität eingeholt.