Seit Ende November vorigen Jahres ist St. Ingbert um eine kulinarische Adresse reicher. Im „Gasthaus Weisgerber“ wird gute bürgerliche Küche zelebriert, die zudem richtig gut schmeckt. Unser Tester jedenfalls ist begeistert.

Ich habe schon häufiger in den vergangenen Monaten an dieser Stelle über Restaurants und Lokale in St. Ingbert berichtet. Da gibt es zurzeit wirklich Interessantes in den unterschiedlichen Gastronomien zu entdecken. Und dies in vielfältigen Ausrichtungen, sodass nie Langeweile aufkommt. Was mir immer gefällt – leider ging das in den vergangenen Jahrzehnten im Saarland etwas verloren – ist ein Wirtshaus, indem eine gute bürgerliche Küche zelebriert wird. In der St. Ingberter Fußgängerzone, im Herzen der Stadt, habe ich jetzt ein Wirtshaus entdeckt, das all das hat: das „Gasthaus Weisgerber“.
Es verbindet Tradition und Moderne, hier herrscht Esskultur im besten bürgerlichen Sinne und ein frisch gezapftes Becker’s Bier – wir sind am historischen Standort dieser Brauerei – bestelle ich mir zu den Klassikern. Eröffnet haben sie hier am 14. November 2024. Ein großes Gasthaus mit rustikalem Ambiente. Weitläufig, auf zwei Etagen. Allerdings so intelligent eingerichtet, sodass die Gäste, je nachdem, wo sie sitzen, diese Weitläufigkeit gar nicht mitbekommen.
Benannt nach dem berühmtesten Sohn der Stadt

Im vorderen Bereich nehmen wir auf bequemen Holzstühlen mit Sitzpolstern Platz und freuen uns auf eine rustikale Küche. Unsere Ansprechpartner sind Betriebsleiter Martin Bartsch und Dennis Van de Kerkhoff. Letzteren kenne ich schon länger aus seiner Zeit bei Sterne-Koch Cliff Hämmerle. Er unterstützt jetzt in seinem neuen Job die Betriebsleiter beim Aufbau des Konzepts. Etwa auch mit seiner Erfahrung, Arbeitsabläufe zu optimieren. Immer ein paar Monate lang.

Betreiber ist die „place2b–Gruppe“, die zahlreiche Gastronomien im Saarland betreibt. Und bei der Personalauswahl hat deren Chef, Cornel Hahnenberg, wirklich ein gutes Händchen: freundlich, empathisch, alle können ihren Job. Martin Bartsch entgegnet auf meine Frage, wie das Publikum hier sei: „Unser Publikum ist tatsächlich gemischt, wir haben junge und ältere Gäste. Darauf legen wir auch großen Wert. Vor allem, dass sich ältere Gäste bei uns sehr wohlfühlen. Wir haben sowohl für Junge gute Angebote auf der Speisekarte wie auch für das ältere Publikum. Für die Jungen etwa dieses Hendl-Popcorn, eine vegane Geschichte, und bei den Älteren kommen Kartoffelsuppe, Rindfleischsuppe oder der Zwiebelrostbraten gut an.“
Über das ganze Restaurant sind Schilder aus unterschiedlichen Materialien mit der Aufschrift „Becker’s Bier“ aufgehängt. Martin Bartsch: „All diese Schilder haben wir von einer Frau, deren Mann bei Becker’s Bier arbeitete. Dieser hat alles gesammelt. Seine Frau hat einen Riesenkeller mit Utensilien von Becker’s Bier. Bei ihr haben wir einzelne Teile gekauft und auch andere als Leihgabe zur Verfügung gestellt bekommen.“

Benannt ist das Gasthaus nach dem berühmten Sohn der Stadt, Albert Weisgerber – ein Maler und Grafiker. Geboren wurde er 1878 in St. Ingbert. Albert Weisgerber war der Sohn eines St. Ingberter Bäckers und Gastwirtes. Im Rahmen seines Studiums der Künste lernte er etwa Paul Klee, Wassily Kandinsky und Max Slevogt kennen, mit denen ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Internationale Anerkennung brachten Albert Weisgerber 1906 Ankäufe der Münchener Pinakothek und der Städtischen Galerie Frankfurt. Er hinterließ ein sehr umfangreiches Werk. Weisgerbers Stil wird zwischen dem Impressionismus und dem beginnenden Expressionismus eingeordnet. Bestellt hat das „Gasthaus Weisgerber“ eine Handvoll Gemälde dieses großen Sohns der Stadt, die bald ihren Platz an den Wänden finden werden.

Ich durchstöbere die Speisekarte und sehe gleich, hier gibt es für jede Gelegenheit etwas. Etwa unter „Brotzeit und Vorspeisen“ eine schmackhafte Begleitung zum Becker’s Bier. Von „Weisgerbers Rindertartar“ über die vegane Zubereitung von „Hendl Popcorn“ bis zur Vesperplatte und mehr. Auf der nächsten Seite des umfangreichen Werks: „Saarländische Rindfleischsuppe mit hausgemachten Markklößchen“ und „hausgemachte Grumbeersupp“.
Unter der Rubrik „Wurstküche“ entdecke ich „Weisgerbers Wurstschnecke“, vom Metzger Schwamm eine handgelegte, mittelgrobe Bratwurst mit Kartoffelpüree, hausgemachtem Sauerkraut und Bliesgau-Bio-Senf. Für den kleineren Hunger eine „Original Weißwurst“ vom Münchener Metzger Vinzenz Murr mit süßem Händlmaier-Senf und einer frisch gebackenen Laugenbrezel. Diese Variante gibt es auch vegan aus Erbsenpüree.
Himmlisches Gulasch
Ich überfliege die Rubrik „knackig und frisch“ mit zahlreichen Salatvariationen und

lande dort, wo ich hinwill: „Weisgerbers Spezialitäten“. Hier wird jeder fündig, der sich an einer gutbürgerlichen Küche orientiert. Etwa mit „Weisgerbers Zwiebelrostbraten“, „Weisgerbers Wiener Schnitzel“, „geschmorten Ochsenbäckchen“ oder „Tschickerias Burger“. Und auf der nächsten Seite werde auch ich fündig: „Alberts Biergulasch“ und „der größte, saarländische Gefillde der Welt“.
Ich beginne – in Absprache mit unserem Fotografen – an diesem historischen Ort mit „Alberts Biergulasch“. Alleine die Präsentation in einer kleinen Pfanne macht schon Lust, dieses Gericht zu bestellen. Ein wohlschmeckendes Schweinegulasch, vier Stunden schonend geschmort, mit einem Schuss Dunkelbier, kräftig gewürzt, wie ich es liebe, und Schneebällchen. Einfach himmlisch.

Natürlich will ich noch andere Spezialitäten probieren. Da der Fotograf und ich die Portionen teilen, wagen wir uns als Nächstes an „den größten, saarländischen Gefillden der Welt“. Cornel Hahnenberg erzählt, dieses Rezept stamme von seiner Oma. Diese betrieb mit ihrem Mann in einem kleinen Dorf im St. Wendeler Land im vergangenen Jahrhundert viele Jahre lang ein Dorfgasthaus. So stammt Oma Elses Rezept aus dem Jahr 1967. Ein unsagbar großer Kartoffelkloß von 800 Gramm, nach meinem Geschmack eher für vier Personen als für eine, gefüllt mit Hackfleisch, Lauch und Brot. Natürlich mit einer exzellenten Speckrahmsauce und Sauerkraut. Das Ganze schmeckt einmalig gut! Auch hier machte die Präsentation große Lust aufs Essen und ich bleibe beim Becker-Bier. Und bestelle mir gleich noch eins nach, denn es folgt noch ein Gang.
Eisknödel mit Marillenfüllung
Und zwar „Weisgerbers Wurstschnecke“ vom Metzger Schwamm – eine handgelegte, mittelgrobe Bratwurst mit Kartoffelpüree, hausgemachtem Sauerkraut und Bliesgau-Bio-Senf. Auch dieses Gericht ist für mich ein Grund, nochmals ins „Weisgerber“ zu fahren. Die Gerichte sind alle tadellos und wirklich sehr schmackhaft.
Satt bin ich eigentlich schon, aber dann entdecke ich ein Dessert, das man auf saarländischen Speisekarten suchen muss: „Eismarillenknödel.“ Knödel aus Vanilleeis mit Marillenmarmelade gefüllt und gerollt in Bröseln mit geriebenen Haselnüssen. Halleluja, ist das gut! Ich erinnere mich danach an eine Französin in Metz vor Jahren, die mir mal nach einem großen Menü sagte: „So, das war genug für zwei Tage. Morgen gibt es Spargelwasser.“ Bei mir ist es diesmal am nächsten Tag Ingwerwasser.