Schon nach zwei Jahren hat die 26-jährige Sohee Park ihr eigenes Label zu einem Favoriten von Megastars wie Bella Hadid, Cardi B und Ariana Grande gemacht. Bei ihrer ersten Teilnahme an einer Fashion Show in Mailand 2022 konnte sie sogar alle Luxusmarken ausstechen.
Es waren wieder die großen, altbekannten Namen, die bei der internationalen Berichterstattung über die Mailänder Fashion Week für den Herbst/Winter 2022/2023 im Mittelpunkt standen. Und natürlich wurden wieder die Kollektionen von Prada, Gucci, Bottega Veneta & Co. als Highlights gefeiert. Allerdings musste man schon ganz schön voreingenommen und mit Scheuklappen in die Hauptstadt der Lombardei angereist sein, um einen absoluten Glanzpunkt sämtlicher Laufsteg-Präsentationen zu übersehen. Auch wenn zugegebenermaßen nicht vorausgesetzt werden konnte, dass ein Großteil der Fashion-Journaille mit dem brandneuen Label Miss Sohee, das seine Kollektion erstmals auf der Bühne einer der weltweit vier wichtigsten Mode-Wochen gezeigt hatte, etwas anfangen konnte. Aber wer es wie die 26-jährige gebürtige Südkoreanerin Sohee Park innerhalb kürzester Zeit mit ihrem 2020 in London gegründeten Label geschafft hatte, den derzeit angesagtesten Megastars für deren große Auftritte auf den roten Teppichen dieser Welt luxuriöse Klamotten quasi auf die viel bewunderten Bodys zu schneidern, hätte deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit verdient.
Glanzpunkt sämtlicher Präsentationen
Nur einige Vertreter der britischen Presse hatten sich offenbar den Termin am Corso Venezia im Alta Moda-Studio von Dolce & Gabbana dick im Kalender angestrichen. Weil für sie vorab schon absehbar gewesen war, dass sie bei der Show der Newcomerin, die von den beiden renommierten Designern Domenico Dolce und Stefano Gabbana wie zuvor schon eine ganze Reihe hochkarätiger Talente unterstützt und gefördert wurde, etwas ganz Außergewöhnliches zu sehen bekommen würden. Im Unterschied zu den Kollektionen aller anderen Brands, die in Mailand in gewohnter Weise ihre neue Prêt-à-Porter-Mode vorgestellt hatten, fiel Miss Sohee mit Haute Couture völlig aus dem Rahmen, auch wenn Sohee Park die Kreationen ihres Hauses in aller Bescheidenheit selbst stets nur als „Demi-Couture“ deklariert hatte.
Natürlich ist es etwas ungerecht, gewissermaßen Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen. Dennoch dürfte außer Frage gestanden haben, dass Sohee Park mit ihren aufwendigen, auf meisterhaftem Schneiderhandwerk beruhenden Kreationen, wahren Kunstwerken, die Entwürfe aller übrigen in Milano vertretenden Marken ausgestochen hatte. Sie verarbeitet zum Teil luxuriöse Textilmaterialien aus dem Dolce & Gabbana-Lagerfundus neben nachhaltigen Stoffen, beispielsweise aus den Blättern der Abaca-Pflanze, einer Art von Bananenbaum. Der Londoner „Evening Standard“ hatte sich daher begeistert zur folgenden Headline hinreißen lassen: „Miss Sohee: Die Londoner Designerin dominiert die Mailänder Modewoche.“ Und weiter: „Tatsächlich waren es Sohee Parks Couture-Kleider, die in einem Studio in Islington hergestellt und für ihr Fashion- Week-Debüt versandt worden waren, die das meiste Aufsehen erregt und es geschafft hatten, die reine Phantasie der Mode vom Feinsten einzufangen.“
Inspiriert durch die Volksmalerei
Es gab riesige, krinolinische Satin-Kleider, die mit Fauna- und Flora-Stickereien, Swarowski-Kristallen und glitzernden skulpturalen Kopfbedeckungen verziert waren, zu bewundern. Aufwendige Stickereien waren ohnehin das wesentliche Merkmal der gesamten Kollektion, beispielsweise bei lila Umhängen oder bauchigen Ballsaal-Röcken. Völlig unkonventionell war ein pastellig-rosafarbenes Kleid, dessen Verzierungen entfernt an Austernschalen erinnerten. Tops mit dem Schimmer von Perlmutt oder dramatische Kopfbedeckungen konnten Begehrlichkeiten wecken. Als ihr persönliches Lieblingsstück hatte Sohee Park ein voluminöses, marineblaues, trägerloses Kleid auserkoren, das sie in Kombination mit einem von kristallbestickten Rosen geschmückten Schal präsentiert hatte. Gleichsam direkt von der Natur abgeleitet waren visuelle Motiv-Elemente wie Tiger, Elstern, Schmetterlinge, Hirsche, Kaninchen, Seerochen, Blumen mit den Pfingstrosen an der Spitze oder Meereswellen. Wobei die grundlegende Inspiration der Kollektion die koreanische Volksmalerei namens „Minhwa“ war, die ihren künstlerischen Höhepunkt zwischen 1300 und 1900 hatte und von Sohee Park in ihren Entwurfskizzen und der perfekten Umsetzung in Gestalt von kostbaren Stickereien zu neuem Leben erweckt wurde. „Für mich ist Sticken das Malen mit Perlen und Stoffen“, so Sohee Park. Alle Stickereien sind aufwendige Handarbeit, die im Londoner Studio geleistet wird, wobei die Designerin von freiwilligen Helfern des renommierten Londoner Central Saint Martins College of Art and Design unterstützt wird, wo sie selbst 2020 ihren Bachelor-Abschluss in Modedesign erworben hatte.
Ihre in der traditionellen koreanischen Farbpalette aus Rot-, Blau-, Schwarz-, Weiß- und Goldtönen gehaltene Präsentation in Mailand bezeichnete Sohee Park selbst als „meine Traumkollektion“, in der sie ihre heimischen Wurzeln verarbeiten konnte. Schließlich wurde sie 1998 in Seoul geboren und war erst im Alter von 19 Jahren zum Studium nach London gekommen. „Meine Großmutter pflegte das Sticken als ihr persönliches Hobby. Sie hat mich großgezogen, und als Kind bin ich umgeben von ihrer handwerklichen Arbeit aufgewachsen“, so Sohee Park, „Die Liebe zum Sticken ist daher schon die ganze Zeit in mir drin gewesen. Und jedes Mal, wenn ich mich damit beschäftige, werde ich an das Hobby meiner Großmutter erinnert.“
Natürlich durfte in Mailand neben den Stickereien auch Sohee Parks zweites Markenzeichen nicht fehlen, wobei es sich um muschelartig-glitzernde Strukturen aus Abaca-Stoff handelt. „Ich arbeite wirklich hart daran, nachhaltige Materialien zu finden“, so Sohee Park. Dank der Unterstützung durch Dolce & Gabbana konnte die Designerin in Mailand erstmals auch Accessoires wie Taschen, Schuhe und Glitzerschmuck vorführen. Die Taschen waren dabei mit den gleichen Minhwa-Motiven wie die Kleider geschmückt, von Meereswellen bis Pfingstrosen. Für das Jahr 2023 hat sich die Designerin die Teilnahme an den Pariser Haute Couture-Schauen vorgenommen. „Couture sollte nicht nur großen Modehäusern mit einem Atelier in Paris vorbehalten sein“, so Sohee Park, „es geht um das Handwerk und die Kunstfertigkeit. Wir leben in einer Welt, in der so viel massenproduzierte Kleidung unnötigen Abfall erzeugt, also hoffe ich, dass in Zukunft mehr junge Couturiers dagegen sind.“
Bewerbung bei Central Saint Martins
Eigentlich wollte Sohee Park beruflich in die Fußstapfen ihrer Mutter treten, die in Südkorea zu den bekanntesten Kinderbuch-Illustratoren zählt. Sie begann selbst eifrig im Atelier der Mutter zu malen und zu zeichnen und sich dabei eine eigene Fantasiewelt zu schaffen. „Der Wendepunkt kam, als ich 14 Jahre alt war“, so Sohee Park, „und die Chanel-Couture-Show im Frühjahr 2012 im Fernsehen im Haus meiner Großmutter gesehen hatte. Der komplette Eskapismus der Show hat mich sofort mitgerissen. Danach fing ich an, den Unterricht zu schwänzen, um mir Modenschauen anzusehen und mir die entsprechenden Magazine zu kaufen.“ Den Entschluss, Fashion machen zu wollen, setzte sie in einer Bewerbung bei Central Saint Martins um, laut Sohee Park „die beste Schule für Mode“ weltweit. „Ich habe meine Zeit im Central Saint Martins wirklich geliebt. Ich hatte so viele Freunde, und die Tutoren haben mich perfekt unterstützt. Sie haben mir beigebracht, meine Vision auszudrücken und die extremste und ausdrucksvollste Version von mir selbst zu werden“, so Sohee Park, „wobei ich schon immer fasziniert war von alten Sachen wie Vintage-Kleidung und antiken Möbeln. Weil ich einfach jede Menge Potenzial im Klassischen und Zeitlosen sehe.“
Während des Studiums absolvierte sie Praktika bei Marc Jacobs und Molly Goddard, wo sie ihre eigene ätherische Ästhetik entwickeln und ihre Vorliebe für skulpturale Silhouetten verfeinern konnte. Da sie ihren Abschluss 2020 ausgerechnet während der Corona-Hochphase machen musste, war es ausgeschlossen, ihre Kollektion, der sie den Titel „The Girl in Full Bloom“ gegeben hatte, öffentlich präsentieren zu können. „Ich habe diese Kollektion während des Lockdowns kreiert und wollte etwas ganz besonders Schönes schaffen, um die Menschen damit Hoffnung schöpfen zu lassen. Die Silhouetten sind vor allem von der Form blühender Blumen inspiriert. Ich fand Blüten schon immer faszinierend, weil sie wie kleine Skulpturen aussehen“, so Sohee Park. Atemberaubend war die Umsetzung der Pfingstrosenblüten in einem schillernden grünen und einem rosa Kleid, während die Mohnblumenblüte sich in einem blauen Dress niederschlug. Die „Vogue“ zog schon zu diesem frühen Zeitpunkt in Sohee Parks Karriere wegen ihrer Interpretation der extravaganten Formen Vergleiche mit den ganz Großen der Modebranche wie Christian Dior, Charles James oder Christóbal Balenciaga. Auch wenn der Südkoreanerin dank der sozialen Medien und der Macht der Bilderzeugung im digitalen Zeitalter ganz andere Möglichkeiten zur Selbstdarstellung zur Verfügung stehen, von der „Vogue“ wurde sie zum „New-Gen Couturier“ gekürt.
Damit überhaupt irgendjemand Kenntnis von ihrer Abschluss-Kollektion nehmen konnte und weil die Möglichkeit auf eine Live-Präsentation angesichts der Corona-Pandemie nicht gegeben war, stellte Sohee Park ihre Kreationen ins Web. Das war natürlich erst mal nichts für Insta-Girls & Co. Doch urplötzlich tauchten schon Ende 2020 ihre Entwürfe auf dem Cover des renommierten britischen Mode-Magazins „Love“ auf. Dadurch wurde US-Superstar Miley Cyrus auf die Newcomerin aufmerksam, die sich in ihrem Musik-Video „Midnight Sky“ in Miss Sophee-Roben präsentiert hatte. Kurze Zeit später klopfte Cardi B für ihr Billboard-Cover bei Sophee Park wegen einer Gala-Garderobe an. Danach gab es auch für andere Promi-Ladys kein Halten mehr, alle wollten sich für ihre Auftritte auf den roten Teppichen dieser Welt in Haute Couture made by Sohee Park hüllen. Um nur einige zu nennen: Bella Hadid, Rita Ora, Christina Aguilera, Gemma Chan, Ariana Grande, Bella Thorne, Munroe Bergdorf, Jhené Aiko, Taylor Hill, Naomi Campbell oder Zendaya.
Modeausstellung in Hongkong
Miss Sohee war in kürzester Zeit über den Status eines Geheimtipps hinausgewachsen. In allen sozialen Medien war sie angesagt und wurde durch Publikationen in den wichtigsten Magazinen von „Vogue“ über „Elle“ oder „L’Officiel“ bis hin zu „Vanity Fair“ populär gemacht. Der britische Designer Christian Cowan lud Sohee Park mit drei Looks für seine Sommerkollektion 2021 zur Mitarbeit ein. Gleichzeitig schuf Sohee Park eine kleine Kollektion mit dem Titel „Haenyeo“, die ihre Inspiration von Taucherinnen erhalten hatte, die in der Nähe der koreanischen Insel Jeju ohne Sauerstoffmasken in bis zu 15 Metern Meerestiefe Jagd auf Schalentiere zu machen pflegen. Damit nicht genug, setzte Sohee Park auch noch einen Teil ihrer Haute Couture-Abschluss-Kollektion in Prêt-à-Porter um, die sogleich ins Angebot des Luxusmode-Versenders Net-A-Porter aufgenommen wurde. Mithin reichlich viel zu tun für ein junges Label, das aktuell gerade mal zehn feste Mitarbeiter hat.
Wobei sich Sohee Park offenbar noch nicht ganz im Klaren darüber zu sein scheint, ob der Ausflug Richtung Prêt-à-Porter eine einmalige Angelegenheit bleiben soll. Nach ihrem Debüt in Milano erhielt Sohee Park, die ihr Atelier in Londons Finsbury Park eingerichtet hat, die Einladung zur Teilnahme an einer bemerkenswerten Mode-Ausstellung in Hongkong. Und ihr wurde die Ehre zuteil, vor dem Londoner Victoria and Albert Museum eine besondere, in der Silhouette an einen Tannenbaum erinnernde Installation für Weihnachten 2022 aufzustellen. Dabei handelte es sich um eine ätherische Frauengestalt in Madonnen-Gestus, die von Kopf bis Fuß in bodenlanger weißer Robe mehr als drei Meter gemessen hatte und in gleißend helles Licht getaucht worden war.