Im Vietnamkrieg büßten die USA den Nimbus der Unbesiegbarkeit ein. Erstmals standen sie in der bis dahin längsten militärischen Auseinandersetzung ihrer Geschichte als Verlierer da. Die Schmach der Niederlage verschlimmerte noch, dass ihr diese von einer klar unterlegenen Guerillabewegung zugefügt wurde.

Gelegentliche Angriffe der südvietnamesischen Armee auf nordvietnamesische Inseln im Golf von Tonkin vor der Küste Nordvietnams wurden im vietnamesischen Bürgerkrieg des Sommers 1964 eigentlich als militärisch völlig belanglos eingestuft. Ungewöhnlich war hingegen das Auftauchen des gewaltigen US-Kriegsschiffs „USS Maddox“ am 31. Juli 1964 in den Gewässern der ausgedehnten Bucht. Es hatte den Auftrag, die elektronischen Radaranlagen des kommunistischen Regimes in Hanoi auszuspionieren. Die Präsenz des Zerstörers unweit der nordvietnamesischen Hauptstadt wurde als amerikanische Machtdemonstration und Provokation interpretiert, was die Nordvietnamesen veranlasste, drei Schnellboote zu entsenden. Prompt kam es am 2. August 1964 zu einem kleinen Scharmützel, bei dem die kleinen Torpedoboote vom übermächtigen US-Kriegsschiff kampfunfähig gemacht wurden.
Blankoscheck für künftige Kriegspolitik
Statt nun eine weitere Eskalation zu vermeiden, entsandten die USA sogar ein zweites Kriegsschiff namens „USS Turner Joy“ in das Gewässer, und dies führte am Abend des 4. August 1964 zum folgenschweren sogenannten Tonkin-Zwischenfall – einem vermeintlichen zweiten Angriff nordvietnamesischer Schiffe auf die beiden US-Zerstörer. Inzwischen gilt es als historisch gesichert, dass es diesen Zwischenfall nie gegeben hat, auch wenn die US-Öffentlichkeit davon erst 1971 dank der Enthüllung streng geheimer Pentagon-Papiere durch den seinerzeit ersten Whistleblower erfuhr.
Die Verantwortlichen an Bord der US-Kriegsschiffe hatten demnach ungewöhnliche Wetterphänomene irrtümlich für Torpedo-Beschüsse gehalten, aber ihre ersten entsprechenden Meldungen wenig später mit deutlichen Fragezeichen relativiert. Davon wollte in Washington auch dank entscheidender Mitwirkung des US-Auslandsgeheimdienstes NSA allerdings niemand ernsthaft etwas wissen, denn die US-Regierung hatte schon seit Langem einen Vorwand für den offiziellen Eintritt in den Vietnamkrieg gesucht. Jetzt war ihre Chance gekommen.

Entsprechend flogen US-Flugzeuge bereits am nächsten Tag erste Vergeltungsschläge auf nordvietnamesische Marinestützpunkte. Am 7. August 1964 ließ sich der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson im US-Kongress durch die Verabschiedung einer schon Monate zuvor fertiggestellten Resolution praktisch einen Blankoscheck für die künftige Kriegspolitik in Vietnam ausstellen. Die sogenannte Tonkin-Resolution, die anstelle einer förmlichen Kriegserklärung trat, ermächtigte den Präsidenten, „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich des Einsatzes der Streitkräfte, um Angriffe zurückzuschlagen und um künftige Aggressionen zu verhindern.“
Der direkte Eintritt in den Vietnamkrieg, der mit seiner Dauer von 20 Jahren zwischen 1955 und 1975 die längste militärische Auseinandersetzung des 20. Jahrhunderts darstellte, erschien aus US-amerikanischer Perspektive alternativlos. Zumindest, wenn man sich in Washington nicht von den beiden zentralen Pfeilern der Sicherheitsstrategie verabschieden wollte. Zum einen galt seit 1947 einerseits die „Containment“-Politik, die darauf abzielte, die Ausbreitung des Kommunismus über die Grenzen der bereits damit infiltrierten Staaten hinaus einzudämmen.
Achtwöchige Bombardierungen

Zum anderen gab es die auf Präsident Dwight D. Eisenhower zurückgehende Domino-Theorie, nach der der Beitritt eines Staates zum kommunistischen Block fast zwangsläufig eine Kettenreaktion mit weiteren zu dieser Ideologie wechselnden Nachbarstaaten auslösen musste.
In Vietnam drohte 1964 aus US-Sicht der Worst Case eines von Hanoi dominierten kommunistischen Einheitsstaates. Immer weitere Teile des autokratischen und von den USA finanziell und mit 16.000 Militärberatern unterstützten Südvietnams wurden durch die als Vietcong bezeichneten Guerilla-Kämpfer der 1960 gegründeten Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams besetzt. Den regulären Truppen Südvietnams, der Armee der Republik Vietnam (ARVN), gelang es kaum mehr, die kommunistischen Vietcong in Schach zu halten. Seit 1961 wurden diese vom durch China hochgerüsteten Nordvietnam militärisch und seit Januar 1964 zusätzlich noch durch die Entsendung von regulären Truppen der Vietnamesischen Volksarmee aus Nordvietnam unterstützt, während sie zuvor im südvietnamesischen Bürgerkrieg von Hanoi nur politische Rückendeckung erhalten hatten. Hinzu kam, dass ein Großteil der bäuerlichen Bevölkerung Südvietnams wenig Vertrauen in die Einheiten der ARVN und zu der in ihren Augen zu US-Marionetten gewordenen politischen Führung in Saigon hegten. Diese zeigte zudem keinerlei Ambitionen, die von den USA gewünschten freiheitlich-demokratischen Strukturen in Südvietnam einzuführen.

Ohne legale Rückendeckung durch den Kongress hatte schon Präsident John F. Kennedy mehrere verdeckte Militäroperationen gegen Nordvietnam sowie Bombardierungen von durch die Vietcong kontrollierten Dörfern in Südvietnam durchführen lassen. Anfang 1964 setzten die USA unter Präsident Johnson die verdeckten Operationen gegen Nordvietnam fort. Zeitgleich bereitete das Pentagon detaillierte Pläne für eine Bombardierung des Nordens vor, im Sommer 1964 hatte US-Luftwaffengeneral Curtis LeMay die Zielsetzung proklamiert, Nordvietnam „in die Steinzeit zurückzubomben“.
Im Frühjahr 1965 wurde aus einem schwelenden vietnamesischen Bürgerkrieg innerhalb Südvietnams und zwischen den beiden getrennten Landesteilen Nord- und Südvietnam ein amerikanischer Krieg. Dieser wurde wegen der Involvierung der USA auf Seiten Südvietnams und der Chinas sowie der Sowjetunion, die ab 1965 ihre Kooperation mit Hanoi ganz erheblich ausgeweitet hatte, auf Seiten Nordvietnams auch zu einem Stellvertreter-Krieg im Rahmen des Kalten Krieges. Nach Angriffen der Vietcong, die nach und nach ein ausgeklügeltes Tunnelsystem als Rückzugsort und zum Schutz vor Artillerieangriffen aufgebaut hatten, auf US-Stützpunkte befahl Präsident Johnson zunächst eine Strafaktion: Bei der „Operation Flaming Dart“ nahmen die USA vom 7. bis zum 24. Februar 1965 Ziele in Nordvietnam unter Bombenbeschuss.
Grausame Massaker, etwa 1968 in My Lai

Nach weiteren Angriffen der Vietcong auf US-Kasernen startete die US-Luftwaffe am 2. März 1965 mit der „Operation Rolling Thunder“. Sie bedeutete eine erstmalige systematische, acht Wochen dauernde Bombardierung Nordvietnams. Sie war Auftakt zur kompletten und schließlich 1968 abgeschlossenen Zerstörung der nordvietnamesischen Infrastruktur und Energieproduktion, was bei einem industriell unterentwickelten Land wie Nordvietnam aber nicht kriegsentscheidend sein konnte. Beim gesamten US-Flächenbombardement wurde weit mehr an Zerstörungskraft freigesetzt als während des Zweiten Weltkriegs. Mindestens ebenso bedenklich war die chemische Kriegsführung mit Einsatz von Napalm und dem hochgiftigen dioxinhaltigen Herbizid Agent Orange. Mit dessen Hilfe zur Vorbereitung von Attacken konnten die US-Streitkräfte nicht nur den Urwald entlauben, sondern zerstörten unvermeidlich auch Reisfelder, vergifteten Wasserreservoirs und verursachten gravierende menschliche Gesundheitsschäden – nicht nur Nord-, auch Südvietnam war davon betroffen. Die Nachbarländer Laos und Kambodscha nicht zu vergessen, sie wurden von der US-Luftwaffe mit gewaltigen Bombardements, vor allem zur Unterbindung des Vietcong-Nachschubs über den Ho-Chi-Minh-Pfad, überzogen.
Am 8. März 1965 begann mit der Landung von 3.500 US-Marines bei Da Nang die amerikanische Bodenoffensive. Sie beschränkte sich allerdings einzig und allein auf das Territorium Südvietnams, weil ein grenzüberschreitender Einsatz wegen des damit verbundenen Risikos einer Konfrontation mit China und der Sowjetunion unbedingt vermieden werden sollte. Die US-Truppenstärke in Südvietnam wurde in den folgenden Jahren drastisch erhöht und erreichte im Frühjahr 1968 rund 550.000 Soldaten, wobei es sich um eine schlecht ausgebildete Teenager-Armee handelte. Das Durchschnittsalter lag bei gerade einmal 19 Jahren, und der Anteil dunkelhäutiger Soldaten war unverhältnismäßig hoch. Hier wurde eine Generation Heranwachsender regelrecht verheizt.

Problematisch war im Bodenkampf die militärische Taktik des „search and destroy“ („suchen und zerstören“), die in erster Linie auf die Vernichtung möglichst vieler gegnerischer Kämpfer und nicht auf die Eroberung oder Kontrolle von Territorien ausgerichtet war. Als Erfolgsmaßstab einer Aktion wurde daher der sogenannte Body Count ausgegeben, der die eigenen militärischen Fortschritte anhand der Zahl der gegnerischen Leichen bemaß. Dahinter verbarg sich die abstruse Idee, dass der Vietcong so ab einem gewissen Punkt seine Verluste nicht mehr würde ausgleichen können und so zum Aufgeben gezwungen werden könnte. Dass aus dieser vornehmlich auf das Töten angelegten Taktik der US-Streitkräfte, verbunden mit einem Kontrollverlust vieler GIs aufgrund einer grassierenden Heroinsucht, auch schlimmste Kriegsverbrechen hervorgehen konnten, wurde am bekanntesten Beispiel des US-Massakers von My Lai vom 16. März 1968 überdeutlich. Mitglieder einer US-Infanteriedivision metzelten dabei unweit der Grenze zu Nordvietnam mehr als 500 wehrlose Dorfbewohner nieder.
Die entscheidende Kriegswende brachte die am 30. Januar 1968 von Verbänden der nordvietnamesischen Armee und des Vietcong eingeleitete sogenannte Tet-Offensive, die bis zum 25. Februar 1968 dauerte. Von diesem Großangriff mit 80.000 Soldaten wurden die USA und ihre südvietnamesischen Verbündeten völlig überrascht. Zwar konnte das US-Militär relativ schnell wieder die zahlreichen vom Gegner eroberten Gebiete zurückgewinnen, doch das Ganze war letztlich ein Pyrrhussieg.
Krieg forderte gut fünf Millionen Tote
Angesichts der offenkundigen Stärke des kommunistischen Gegners hatte die amerikanische Öffentlichkeit längst den Glauben an einen baldigen Triumph gemäß den optimistischen Versprechungen von Präsident Johnson komplett verloren. Entsprechend hatte Johnsons Nachfolger Richard Nixon die Wahl vor allem wegen des Versprechens eines Ausstiegs aus dem Vietnamkrieg gewinnen können.

Daher verkündete Nixon im Juli 1969 die neue Doktrin „Vietnamisierung“. Darunter verstand er die schrittweise Übertragung der Verantwortung für die Weiterführung des Krieges an die südvietnamesische Armee – verbunden mit dem Abzug sämtlicher amerikanischer Streitkräfte. Letztlich war dies nichts anderes als ein stillschweigendes Eingeständnis der US-Niederlage im Vietnamkrieg.
Bei den Geheimverhandlungen mit Nordvietnam über die Bedingungen eines Kriegsausstiegs der USA in Paris konnte es unter Federführung von Henry Kissinger, Nixons Nationalem Sicherheitsberater, daher für die USA nur noch um eine möglichst gute Gesichtswahrung gehen. Die erfolgreiche Offensive Nordvietnams im März 1972 mit 120.000 Soldaten hatte nochmals nachdrücklich die Sinnlosigkeit weiteren US-Widerstands bewiesen. Unmittelbar vor Unterzeichnung des Pariser „Abkommens über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam“ am 27. Januar 1973 hatten die USA Nordvietnam noch ein letztes Mal mit einem gigantischen Bombardement attackiert.
Das Pariser Abkommen sah die Freilassung aller US-Kriegsgefangenen und den kompletten Abzug der US-Truppen binnen sechs Wochen vor, während Nordvietnam ein starkes Truppenkontingent in Südvietnam behalten durfte. Für die USA war der Krieg vorbei, am 29. März 1973 verließ der letzte GI Südvietnam. Das Land musste nun den Krieg gegen seinen übermächtigen Gegner alleine weiterführen.
Im März 1975 gelang dem Norden mit der Ho-Chi-Min-Offensive der entscheidende Schlag, der am 30. April 1975 mit der Einnahme Saigons zur Kapitulation Südvietnams führte. Im Juli 1976 riefen die Sieger die Sozialistische Republik Vietnam aus.
Das Land veröffentlichte 1995 eine offizielle Schätzung der während des Krieges getöteten Menschen. Demnach starben in Nord- und Südvietnam jeweils rund zwei Millionen Zivilisten, dazu kamen rund 1,1 Millionen Kämpfer beider Seiten ums Leben. Die USA vermeldeten exakt 58.269 im Krieg gefallene Soldaten sowie mehr als 300.000 verletzte Armeeangehörige.