Der chinesische Elektro-Flitzer Ora Funky Cat sieht hübsch aus, kommt recht weit und bietet viele Assistenten. Wer ihn steuert, muss aber mit Dauer-Überwachung und ständiger Maßregelung leben.
Habe ich schlecht eingeparkt? Den falschen Knopf gedrückt? Oder hätte ich die Uiguren lieber nicht erwähnen sollen? Mein Test-Auto ist jedenfalls sauer auf mich. Kaum habe ich es abgestellt, geht die Alarmanlage los, zweimal hintereinander, ein lautes, anklagendes Hupen. Panisch drücke ich alle Knöpfe auf dem Schlüssel, tätschle beruhigend das Lenkrad und verspreche, nie wieder die Worte Taiwan, Wuhan oder Hongkong in den Mund zu nehmen. Plötzlich Stille! Die Diplomatie hat gesiegt.
Ich sitze im Ora Funky Cat, einem chinesischen Elektro-Flitzer, der aussieht wie eine moderne Version des VW Käfers. Und was für eine! Sobald man den Ora aufschließt, „freut“ er sich, indem er mit seinen großen, runden Frontscheinwerfern blinkt. Innen beeindruckt er mit rotem Kunstleder auf dem Armaturenbrett und an der Türverkleidung, während oben Sonne, Mond und Sterne durchs Glasdach glitzern. Die Displays leuchten gestochen scharf, die Armlehne ist weicher als mancher Ledersessel. Ganz schön edel, diese „Katze“!
Kamera filmt ständig den Fahrer
Was ebenfalls sofort auffällt: der riesige, beinahe Zigarettenschachtel-große Kasten an der A-Säule. Es handelt sich um eine Kamera, die die Person am Steuer filmt und sogar über eine Gesichtserkennung verfügt. Auch andere Autos nutzen Kameras, um etwa Übermüdungen festzustellen. Doch diese sind normalerweise so dezent platziert, dass man sie gar nicht wahrnimmt. Ein ungutes Gefühl also, zumal das Auto aus China kommt – aus einem Staat, der die Überwachung seiner Bevölkerung perfektioniert hat. Der Hersteller versichert auf Nachfrage, dass die Aufnahmen im Fahrzeug verbleiben. Daten zum Fahrverhalten würden nur auf Servern innerhalb der EU gespeichert.
Kaum bin ich losgefahren, zeigt sich, wie genau es der Funky Cat als Aufpasser nimmt. Schaut man auch nur einen Moment nach links oder rechts, ertönt eine Stimme: „Seien Sie nicht geistesabwesend! Bitte Konzentration beim Fahren.“ Auch geringfügige Überschreitungen des Tempolimits oder ein zu beherztes Heranfahren an eine Kreuzung tadelt der Ora („Bitte bremsen!“). Sobald man schneller als 120 km/h fährt, färbt sich der Tacho rot: „Geschwindigkeit zu hoch. Bitte sicher fahren.“
Auch das Navi redet gern und viel. Jeder Rastplatz, jeder Stau, sogar jeder Tunnel wird angesagt. Manchmal wirkt das unfreiwillig komisch, wenn der Computer mit der deutschen Sprache hadert: „Bitte nehmen Sie die rechts drei Fahrspuren.“ Aber gut, wir wollen nicht meckern. Ich kann auf Chinesisch nicht mal Ja oder Nein sagen. Kritischer wiegt die Tatsache, dass das Navi nicht davor warnt, wenn ein Ziel ohne Ladepause nicht erreichbar ist. Auch endet das Kartenmaterial an der Landesgrenze, wie sich bei einer Fahrt nach Belgien zeigt. Laut Hersteller müsste ganz Europa abgedeckt sein.
Hervorragende Rückfahrkamera
Die Fahrt an sich verläuft äußerst angenehm. Der Ora Funky Cat surrt wie eine leichtfüßige Katze, die ihre Streifzüge mit viel Ausdauer meistert. 400 Kilometer beträgt die Reichweite auf dem Papier – ein durchaus realistischer Wert, wie sich während der Testfahrt über die Autobahn zeigt. Aber klar, ich fahre auch nicht schneller als 120 km/h, damit der Bildschirm nicht rot wird. Gut gelungen ist die Umgebungsanzeige: Auf dem Tacho sieht man eine schematische Darstellung der aktuellen Fahrspur; umliegende Autos und Lkw werden als bewegliche Symbole dargestellt – hier hat sich Ora wohl von Tesla inspirieren lassen.
Was die digitalen Helfer angeht, muss sich das Modell aus Fernost nicht verstecken. Einparkhilfe, Querverkehrsassistent, Abstands- und Geschwindigkeitsregelung: alles da. Serienmäßig ist ein Totwinkel-Warner inklusive, genau wie ein Sprachassistent, der den Wetterbericht vorliest und auf Wunsch sogar den Kofferraum öffnet. Komisch nur, dass das Navi siezt und der Sprachassistent duzt. Hat der Ora etwa eine gespaltene Persönlichkeit?
So richtig zu Höchstleistungen läuft er im Stadtverkehr auf. Da er selbst im Radkasten Kameras verbaut hat, wird das Einparken zum Kinderspiel. In Kombination mit der Rückfahrkamera und der 3D-Ansicht bleibt wirklich kein Winkel unbeleuchtet – hier hat die Rundum-Überwachung also durchaus Vorteile. Noch dazu bietet er ein gestochen scharfes Bild, das in dieser Fahrzeugklasse seinesgleichen sucht. Besser als beispielsweise beim Peugeot e-208 oder beim Fiat 500. Auch andere chinesische Hersteller wie MG können da nicht mithalten.
Die Euphorie endet an der Ladesäule: Hier fließt der Strom mit maximal 67 Kilowatt, was auch im Kleinwagen-Segment äußerst wenig ist. Zum Vergleich: Beim Fiat 500 sind es 85 Kilowatt, beim Opel Corsa-e bis zu 100 Kilowatt. Natürlich gibt es auch Kleinwagen, die noch langsamer sind, zum Beispiel den Dacia Spring, der auf maximal 30 Kilowatt kommt. Aber der Ora Funky Cat ist eben auch deutlich teurer.
Einen kleinen Trost gibt es dennoch: Da das Auto die Ladeleistung lange auf einem hohen Niveau hält, muss man trotzdem nicht ewig warten. Bei meinem Stopp an der Raststätte dauert es exakt eine Dreiviertelstunde, um die Batterie von 17 auf 80 Prozent aufzuladen. Das ist okay. Ebenso der Verbrauch: Für die Strecke Hamburg – Bonn (460 Kilometer) ist nur ein Zwischenstopp an der Ladestation nötig, eine souveräne Leistung für einen Kleinwagen!
In der Stadt, wo der wendige Flitzer eigentlich gut zurechtkommt, wird ihm die Position seiner Ladeklappe beinahe zum Verhängnis. Diese liegt auf der Fahrerseite. Parkt man also rechts am Straßenrand, reicht das beiliegende Ladekabel kaum aus, um ihn einzustöpseln. Gerade in engen Gassen birgt die zur Fahrbahn hin aufstehende Ladeklappe eine Stolpergefahr. Jedenfalls zischen mehrere Fahrräder und Autos nur knapp daran vorbei.
Nervig sind ständige Ermahnungen
Was die Platzverhältnisse angeht, gibt es keine Überraschungen. Vorne sitzt es sich bequem, hinten wird’s erwartungsgemäß enger. Gleiches gilt für den Kofferraum, in den aber immerhin zwei Getränkekisten und diverse Einkäufe passen. Bei Bedarf lassen sich die Rücksitze umklappen. Angst, bei einem Unfall zermalmt zu werden, muss übrigens niemand haben: Der Funky Cat hat beim EuroNCAP-Crashtest fünf Sterne erhalten, also die beste Bewertung.
In der Einstiegsversion (kleiner Akku, 310 Kilometer Reichweite) kostet der Funky Cat 38.990 Euro. Das Testfahrzeug, die Variante 400 Pro+, kommt auf 47.490 Euro – zuzüglich 690 Euro für den roten Lack. Das ist heftig, denn trotz der edlen Materialien handelt es sich immer noch um ein kleines Auto. Ein weiteres Manko: das grobmaschige Vertriebsnetz. Auf seiner Website listet der Hersteller 157 Händler in Deutschland auf, was in den Metropolregionen kein Problem darstellt. Im Nordosten hingegen müssen Interessierte weite Wege in Kauf nehmen, um eine Probefahrt zu ergattern.
Nach zwei Wochen habe ich den Funky Cat durchaus liebgewonnen. Hohe Qualität, angenehmes Fahrwerk, nützliche Assistenzsysteme. Doch das Gefühl, ständig beobachtet zu werden, ist für mich ein No-go. Fairerweise muss man sagen, dass auch andere Hersteller fragwürdige Überwachungsmethoden nutzen, allen voran Tesla mit seinem „Wächtermodus“. Doch Ora treibt es mit seinen ständigen Ermahnungen auf die Spitze. Zumal für Außenstehende eben nicht nachprüfbar ist, wo die Aufnahmen am Ende landen: Wirklich nur auf Servern in der EU oder über Umwege vielleicht doch im Sicherheitsapparat einer Diktatur?
Moderne Autos eignen sich dank ihrer vielen Sensoren und Kameras nun mal perfekt als rollende Wanzen – wie übrigens auch China einräumt, nur eben in Bezug auf andere. So dürfen sich laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters in der Küstenregion Beidaihe keine Teslas aufhalten, wenn dort die Parteiführung tagt. Die Befürchtung: Spionage.