Psychotherapeutin Stefanie Stahl beschreibt in ihrem Buch „Wer wir sind“, warum Bindung das A und O ist. Die Autorin stellt das Buch bei der diesjährigen HomBuch am 7. September im Siebenpfeifferhaus in Homburg vor.
Auf manche Dinge reagiere ich anders als meine Freunde, bin schneller gereizt oder empfinde eine Freude, die der andere nicht teilt. Aber warum ist das so? Stefanie Stahl ist Psychotherapeutin. Und Autorin. Vor Kurzem erschien ihr neuestes Buch „Wer wir sind“, das sich genau mit dieser Thematik auseinandersetzt. „Ich beschreibe den Bauplan unserer Psyche, nach dem alle Menschen aufgestellt sind“, erklärt sie. „Evolutionär haben alle Menschen psychisch den gleichen Bauplan, die Abweichungen sind geringfügig. Daher sind wir gar nicht so individuell und komplex, wie der Laie gemeinhin vielleicht denken mag.“ Genau diese psychische Struktur will sie für den Leser greifbar machen: „Denn wenn ich diese Strukturen kenne, dann kann ich viel freier Entscheidungen treffen. Wenn man gar nicht reflektiert, wie man psychisch aufgebaut ist, dann ist man immer der Sklave des eigenen Gehirns.“
Sich selbst besser reflektieren
Denn die Psyche ist grundlegend für so ziemlich alles in unserem Leben. Sie entscheidet darüber, wie wir wahrnehmen, wie wir fühlen, wie wir denken und wie wir uns verhalten. Das herauszuarbeiten und begreifbar zu machen, sei eine „echt große Nummer“ gewesen, wie Stahl berichtet: „Es ist für mich das anspruchsvollste Buch, das ich je geschrieben habe. Da fließt mein ganzes Wissen ein, das ich mir in 30 Jahren Berufserfahrung als Psychotherapeutin und Autorin erarbeitet habe.“ Das mache „Wer wir sind“ auch gewissermaßen zu ihrem „Herzensprojekt“. „Meine Bücher tragen dazu bei, dass Menschen sich selbst besser reflektieren. Und je besser wir uns selbst reflektieren, desto besser erkennt man seine eigenen Ängste, seine Verhaltensweisen, wo man vielleicht Dinge falsch wahrnimmt oder sich zu rigide verhält“, so Stahl. Gerade in der heutigen Zeit, in der viele Menschen zu einem Schwarz-Weiß-Denken neigen, sei Selbstreflexion von großer Bedeutung. Frei nach dem Motto: Ich kann andere nur dann verstehen, wenn ich mich selbst verstehe!
Zudem seien Menschen gar nicht so unterschiedlich, wie man vielleicht denkt: „Wir empfinden gar nicht so verschieden“, so Stahl. Das A und O sei Bindung: „Wir streben alle nach Bindung. Das ist ein fundamentales Grundbedürfnis. Jeder will irgendwo dazugehören. Um dazuzugehören, brauchen wir Anerkennung. Anerkennung ist die Währung der Bindung. Wenn uns keiner anerkennt, dann bindet sich auch niemand an uns.“ Auf der anderen Seite strebt der Mensch nach Autonomie: „Wir wollen unser eigenes Ding machen, wollen eine gewisse Kontrolle. Auch das ist jedem Menschen in die Wiege gelegt.“ Entscheidend dabei sei auch, wie wir uns selbst dabei sehen: „Das Selbstbild entscheidet über unsere Wahrnehmung: Wie wir uns selbst sehen, so sehen wir auch die Welt“, erklärt die Diplom-Psychologin. „Wenn ich das Gefühl habe, dass ich unzulänglich bin und nicht genüge, dann rechne ich mit Ablehnung, ist ja logisch.“ Das führe auf der Wahrnehmungsebene dazu, dass man andere Menschen als überlegen und besser ansieht – was fundamentalte Auswirkungen auf unsere Verhaltensebene hat: „Vielleicht versuche ich deswegen alle Erwartungen zu erfüllen, alles richtig zu machen und strebe nach Perfektionismus, um möglichst keine Angriffsfläche zu bieten. Ich bin also überangepasst. Es kann aber auf der anderen Seite auch ins andere Extrem schlagen: Ich könnte sagen: ‚Ihr könnt mich alle mal. Ich mach’ jetzt stur mein eigenes Ding und scheiß’ auf eure Anerkennung. Ich brauche euch alle nicht.‘ Ich bin also überabgegrenzt. Beides belastet die Beziehungen.“
Noch greifbarer beleuchtet Stahl diese Strukturen durch selbst erlebte Fallbeispiele aus dem Praxisalltag. So erfährt der Leser beispielsweise von Hanna, die auch im Job dazu neigt, bei geringstem Widerstand die Flinte ins Korn zu werfen, von Christoph, der um jeden Preis nach Harmonie sucht oder von Elisa, die sich in Beziehungen oft selbst sabotiert. „Zu diesen Beispielen gebe ich in meinem Buch auch fallbezogene Lösungsansätze“, so die Autorin. Um das für den Leser noch greifbarer zu machen, soll es zudem bald ein Arbeitsbuch geben, an welchem sie aktuell arbeite: „Die Leute können damit ihren persönlichen Bauplan erstellen und entsprechend dieser Grundstrukturen Lösungen für ihre Probleme finden.“
Fallbeispiele aus der Praxis
Ebenfalls interaktiv geht es beim zweiten Großprojekt der Psychologin zu: „Ich bin dabei, eine Online-Akademie aufzuziehen. Da stehen auch schon einige Kurse online, die dort gebucht und von zu Hause aus im eigenen Tempo bearbeitet werden können“, so Stahl. Auf www.stefaniestahlakademie.de findet sich aktuell neben dem Kurs „Beziehungen auf Augenhöhe führen“ ein Angebot zum gleichnamigen Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“. Ihr Bestseller dient auch als Drehbuchvorlage für einen aktuell produzierten Kinofilm: „Die Konzepte aus dem Buch werden in eine Spielfilmhandlung gebettet“, so Stahl, die selbst beratend beim Film tätig ist. Ein Starttermin steht allerdings noch nicht fest.
Ihre Autorenkarriere war so nie geplant: „Das kam mehr oder weniger zufällig“, erinnert sie sich. „Ich habe damals darüber nachgedacht, dass so wenige Menschen darüber informiert sind, wie viel es ausmacht, ob man ein extrovertierter oder introvertierter Typ ist. Da hängen unfassbar viele Charaktereigenschaften dran und es gibt so häufig Missverständnisse zwischen Introvertierten und Extrovertierten. Ich dachte, das Wissen muss man mal in die Welt bringen.“ So entstand ihr erstes Buch „So bin ich eben!“, das sich mit Persönlichkeitstypen befasst. „Das war ziemlich erfolgreich und ich habe mich getraut, auch zu weiteren Themen, die mir am Herzen liegen, zu schreiben. So hat sich das Step by Step entwickelt.“