Justin Neu ist ein Naturtalent an den Boule-Kugeln. Vor Kurzem wurde der 17-Jährige auf Mallorca sogar Jugend-Europameister und hat seither einen Sponsor.
Anvisieren, Schwung holen, werfen, treffen. So macht es der saarländische „Boule-Boy“ Justin Neu. Der Industriemechaniker-Azubi, der am 31. Januar seinen 18. Geburtstag feiert, ist einer der besten Boule-Spieler der Welt. Der junge Mann aus Heusweiler hat im vergangenen Sommer in Palma de Mallorca seinen ersten internationalen Titel gewonnen: Bei den Europameisterschaften sicherte er sich den Titel im Präzisionsschießen in der Altersklasse U18. „Das war schon aufregend“, gibt Nationalspieler Neu noch Wochen nach dem bisher größten Erfolg seiner Karriere zu Protokoll.
Beim Präzisionsschießen wird aus unterschiedlichen Entfernungen (sechs, sieben, acht und neun Meter) auf fünf Bilder, also unterschiedliche Anordnungen von Kugeln, „geschossen“. Wird dabei die Zielkugel, die von Hinderniskugeln umgeben ist, getroffen, gibt es Punkte. Wer am Ende, nach insgesamt 20 Würfen, die meisten Punkte (max. 100) hat, gewinnt. Auf Mallorca setzte sich der Saarländer im Finale mit 49:34 gegen den leicht favorisierten Franzosen Andssy Hut durch. „Was soll ich sagen? Ich bin selbst erstaunt und kann es gar nicht beschreiben“, sagte Neu nach seinem Coup. Dabei wusste er schon vor seinem ersten Schuss in der Vorrunde: „Wenn der sitzt, ist alles okay. Ansonsten hätte ich mir weiter einen Kopf gemacht.“ Im Finale gab es nur noch eines: „Alles andere fiel von mir ab und ich hatte meinen Fokus nur noch auf die Kugel gerichtet.“ Am Ende brachte ihm diese herausragende Konzentrationsleistung ein nahezu perfektes Spiel.
„Justin ist auf dem Bouleplatz groß geworden. Er hat auch mal Fußball gespielt, das hatte er aber irgendwann aufgegeben. Schon als Baby war Justin bei seiner Mutter auf dem Arm dabei und hat bei unseren Spielen quasi mitgespielt“, sagt Vater Sascha Neu, der zusammen mit seiner thailändischen Ehefrau Latdawan ebenfalls im Boulesport aktiv war und ist: „Wenn man mal ehrlich ist: Er hatte eigentlich keine andere Wahl, als ebenfalls Boulespieler zu werden. Als andere Kinder noch mit Legos gespielt haben, hatte er schon seine ersten Boulekugeln in der Hand“, ergänzt Sascha Neu lachend und betont mit Blick auf die eigenen Fähigkeiten und die seiner Frau: „Wir sind auch im Leistungsbereich unterwegs, aber eher auf regionaler Ebene. Unser Talent war nicht so groß wie seines.“ Mit nur drei Jahren hatte Justin die schweren Kugeln in die Hand genommen und nach eigenen Angaben „alles damit umgeworfen, was gerade da war.“
Ursprünglich stammt die Familie aus Heusweiler. Seinen Sohn hatte Sascha Neu aber schon unmittelbar nach der Geburt im BC Niedersalbach angemeldet – dem Verein, den Justins Opa Michael lange Jahre als Vorsitzender führte. Opa Michael und Oma Astrid Neu sprangen deshalb auch gerne ein, wenn die Eltern ihren Sprössling nicht ins Vereinstraining begleiten konnten. Kaum war Justin im Alter von neun Jahren dort eingestiegen, gewann er schon seinen ersten nationalen Titel: Noch im gleichen Jahr wurde er auf Anhieb in Berlin Deutscher Meister – bis dato der jüngste überhaupt. Aus unterschiedlichen Gründen wechselte Familie Neu 2017 zum FV Diefflen, wo Justin seither täglich trainiert. Im Winter geht es in Gersweiler in die Halle. Inzwischen hat Justin Neu fünf weitere deutsche Jugend-Meistertitel gesammelt und sogar schon zwei Mal an Jugend-Weltmeisterschaften teilgenommen. Sowohl in Kambodscha (2019) als auch mit dem Team in Barcelona (2021) landete er jeweils auf dem fünften Platz. Dass er insgesamt schon zum zehnten Mal Saarlandmeister geworden ist, darf dabei nicht unerwähnt bleiben.
Unterstützung aus Frankreich
„Man vertreibt damit seine Zeit, hat Spaß, und ich habe durch das Spiel in ganz Deutschland viele Freunde kennengelernt, mit denen ich mich auch regelmäßig treffe“, erklärt Neu, was ihm an seiner Sportart besonders gefällt. Auch seine Freundin, die in Baden-Württemberg lebt, hat er über Boule kennengelernt. Unterstützt wird Justin, der seit seinem EM-Titel einen französischen Sponsor hat, sportlich und organisatorisch von seinem fünf Jahre älteren Kumpel Maurice Racz. „Er ist sein bester Freund, sein Trainer und Manager. Maurice studiert gerade auch Management. Irgendwie passt gerade alles zusammen, davon sind wir selbst gerade etwas beeindruckt“, sagt Papa Sascha: „Dass ein deutscher Boule-Spieler einen Sponsor hat, ist etwas ganz Neues. Also jedenfalls habe ich bis dahin noch nie von so einem Fall gehört. Das ist schon Wahnsinn.“
Dazu, dass alles passt, tragen auch Justins Arbeitgeber ZF, bei dem er seit September 2021 eine Ausbildung zum Industriemechaniker absolviert, und die Berufsschule bei. „Er wird schon ziemlich oft für Reisen mit der Nationalmannschaft freigestellt. Das geht schon seit seiner Schulzeit an der Leonardo-da-Vinci-Gemeinschaftsschule in Riegelsberg so, als er gerade 13 Jahre alt war“, merkt Sascha Neu dankbar an und ergänzt: „Seine schulischen Leistungen haben auch dazu beigetragen, dass es weder für die Schulen noch für ihn ein Problem darstellte, wenn er mal fehlte.“ Das sieht auch sein Ausbilder bei ZF so: „Er ist sehr ehrgeizig und arbeitet sehr präzise. Die Werkstücke, die er abgibt, sind alle im Maß“, lobte dieser ihn im Saarländischen Runfunk.
Seine nächsten Ziele hat Justin schon im Blick: „Ich will auch bei den nächsten Europameisterschaften dabei sein, später bei den Herren vielleicht auch wieder bei den Weltmeisterschaften.“ – „Wegen des Wechsels der Altersklasse muss er drei Jahre warten, bis er wieder an einer WM teilnehmen kann“, erklärt Vater Sascha. Die nächste EM findet dieses Jahr in Monaco statt. Darüber hinaus wird Justin Neu weiterhin auch an internationalen Turnieren teilnehmen. Neben Frankreich zählen unter anderem Tunesien und Luxemburg zu den „Boule-Nationen“.
„Er kommt in der ganzen Welt herum. Das ist schon geil“, freut sich Sascha Neu für seinen Sohn: „Als ich noch sein Jugendtrainer war, haben wir ihn auf solche Turniere begleitet. Natürlich war das eine sehr kostspielige Angelegenheit und hat unsere kompletten Urlaubstage in Anspruch genommen. Aber wir haben es immer gerne gemacht. Bald ist er 18 Jahre alt und kann das ruhig ohne uns machen.“ Das sieht der saarländische „Boule-Boy“ genauso.