Für Kai Wegner (CDU) könnte die Wahlwiederholung ein echter Doppel-Wumms für seine Karriere sein. Laut Umfragen könnte er der Wahlsieger werden.
Politikwissenschaftler rechnen dem 50-jährigen Wegner eigentlich gute Wahlchancen vor allem im bürgerlichen Lager aus. Den bisherigen Regierungsparteien, SPD, Grünen und Linkspartei, wird das Wahlversagen vom September vor anderthalb Jahren hauptsächlich angelastet. Dazu kommt die völlige Dysfunktionalität der Stadt, was vor allem der seit 20 Jahren dauerregierenden SPD angelastet wird, auch wenn anfangs die CDU noch mitregierte. Doch da war Wegner gerade raus aus der Jungen Union und nahm seine hauptamtliche Parteiarbeit auf. Er gilt damit im lokalen Politikbetrieb der Bundeshauptstadt als unverbraucht. Dazu kommt: Er ist von allen Spitzenkandidaten der einzige waschechte Berliner, geboren im ehemaligen Westteil der Stadt. Auch diese Karte versucht Wegner gerade auf den letzten Wahlkampfmetern auszuspielen. Dass er mit der Stadt von Geburt an verwachsen ist, das kommt vor allem immer bei älteren Wählern an, der Hauptklientel der CDU. Vorteil: Für die Gruppe ab 50 gilt das Wahlrecht auch als bürgerliche Pflicht, was für eine hohe Wahlbeteiligung in dieser Altersgruppe sorgt.
Neuwahlen als Sprungbrett
Die Wahlwiederholung in Berlin könnte für den CDU-Spitzenkandidaten damit auch ein Sprungbrett in seiner Bundespartei werden, wenn er es schafft, am 12. Februar tatsächlich auf dem ersten Platz zu landen. Eine reale Möglichkeit, glaubt man den Umfragen. Egal, ob es dann auch für eine Regierungsbeteiligung unter seiner Ägide reicht. Denn in der Bundes-CDU spielt der Berliner derzeit keine wirkliche Rolle. Doch ein Wahlsieg am 12. Februar könnte auch ein Aufbruchssignal für die Bundes-CDU sein. Immerhin ist die Wahlwiederholung an der Spree die erste von unterdessen vier Landtagswahlen in diesem Jahr. Fast genau drei Monate später wird in Bremen und im Herbst dann in Hessen und Bayern gewählt. Von einem geglückten Wahlauftakt beim ersten Urnengang des Jahres verspricht sich auch der CDU-Bundesvorsitzende Rückenwind. Doch beim CDU-Winterwahlkampf in Berlin wurde Friedrich Merz gar nicht eingesetzt. Spitzenkandidat Wegner und sein Bundeschef gelten, nicht nur politisch, nicht als beste Freunde. Darum setzte Wegner lieber auf sich selbst und „total lokal“, das heißt nicht auf bundespolitische Themen. Die Stadt hat genug eigene Probleme, da gilt es anzusetzen. Doch das mit angezogener Handbremse. Will Wegner, wohlgemerkt bei einem, wenn überhaupt, knappen Wahlsieg, eine Regierung mit sich als Regierendem Bürgermeister bilden, dann ist er auf die Grünen angewiesen. Beide Parteien liegen gleichauf in den Umfragen, kurz vor dem Wiederholungstermin hatte allerdings die CDU die Nase vorn. Darum verzichtet Wegner im Wahlkampf auf klare Aussagen, zum Beispiel, wenn es um die Verkehrspolitik geht.
Zu Fahrradstraßen, der autofreien Friedrichstraße oder der kostenfreien Parkraum-Umwidmung für Fahr- und Lastenräder oder E-Scooter äußert er sich sehr schwammig, eher gar nicht. Umgekehrt umgarnt Wegner auf Plakaten und bei Wahlkampfauftritten die Autofahrer vor Ort. Doch auf der politischen Bühne im Rampenlicht, wenn er neben seiner grünen Hauptkonkurrentin Bettina Jarasch sitzt, hält er sich wieder zurück. Dafür spricht er Jarasch gern und wiederholt mit Bettina an und hebt hervor, dass man schon seit Jahren auf Du und Du stehe. Was aus Wegners Sicht offenbar bedeuten soll: Wer sich so gut versteht, kann auch zusammen regieren. Klare CDU-Aussagen im Wahlkampf-Talk könnten zukünftige Koalitionsverhandlungen erschweren oder fast unmöglich machen. Koalition bedeutet immer Kompromiss. Aber ohne klare Aussage kann Wegner die bisherige Koalition weder brechen noch selbst zum Erfolg kommen.