Nach einer langwierigen Verletzung will Maurice Multhaup beim 1. FC Saarbrücken richtig durchstarten. Der 27-Jährige weiß, „wie Aufstieg funktioniert“.
Ein paar heimatliche Gefühle kamen schon auf, als Maurice Multhaup vor einigen Wochen das erste Mal im Saarbrücker Ludwigsparkstadion zu Gast war. „Da ist das Steigerlied gelaufen, das kenne ich aus dem Ruhrpott. Ich hatte es gar nicht auf dem Schirm, dass das auch zu dieser Region gehört“, erzählt der 27-Jährige. Multhaup stammt aus Bottrop, hat den größten Teil seiner Jugendzeit beim FC Schalke 04 verbracht. Peter Neururer, krisenerprobter Schalke-Trainer und zu turbulenten Zeiten Bundesliga-Coach beim FCS bezeichnete den saarländischen Traditionsverein mal als „Schalke des Südwestens“.
Ein Kind des Ruhrgebiets
Die Ansprüche entsprechen nicht immer der aktuellen Liga-Zugehörigkeit, Geduld ist eher ein Fremdwort und die Zündschnur der leidgeprüften Anhängerschar ist traditionell äußerst kurz.
Bei seinem ersten Einsatz vor knapp zwei Wochen gegen die Spielvereinigung Unterhaching kam der Offensivspieler kurz vor Schluss zu seinem Debüt. Die Partie endete mit einem enttäuschenden 1:1, der Frust der Fans war groß und laut. „Man muss die Leute verstehen. Ich kenne das von Traditionsvereinen.
Die Menschen bringen eine hohe Identifikation mit und investieren viel. Da muss man als Fußballer liefern“, sagt Multhaup. Es war das dritte Saisonheimspiel der Blau-Schwarzen und das dritte, das nicht gewonnen wurde. „Wenn Du Deine Heimspiele gewinnst und dafür auswärts ein bisschen holprig in die Saison startest, ist die Stimmung anders. Zu Hause musst du die Punkte holen, dann sind die Leute eher zufrieden“, sagt Multhaup. Er muss es wissen. Mit 27 Jahren hat er bereits 104 Zweitligaspiele auf dem Buckel, bis zu seinem Wechsel im Sommer zum FCS kamen 32 Drittliga-Einsätze für Eintracht Braunschweig hinzu. Als die Eintracht 2022 in die Zweite Liga aufstieg, hatte Maurice Multhaup einen großen Anteil daran. „Man kann schon sagen, dass es damals die beste Saison von mir war. Die Quote war einfach gut“, sagt er rückblickend. Es schien, als habe der Flügelstürmer in Niedersachsen sein Glück gefunden. In der ersten Zweitliga-Saison nach dem Aufstieg gehörte er fast immer zur Stammelf und auch im darauffolgenden Jahr, als die Eintracht schlecht startete, war er regelmäßig dabei. Dann kam es zum Trainerwechsel. „Ich habe am Anfang auch noch unter Daniel Scherning gespielt. Dann habe ich mich verletzt und die Mannschaft fing an zu gewinnen. Danach war es schwer, wieder zu Einsatzzeiten zu kommen.“
Fast wäre Multhaup bereits im vergangenen Winter beim FCS gelandet. Rüdiger Ziehl versuchte dem Offensivspieler bereits im Dezember einen Wechsel schmackhaft zu machen. „Im Endeffekt hat das den Ausschlag gegeben, dass ich mich sehr früh für den FCS entschieden habe. Im Winter hatte ich noch den Anspruch, mich in Braunschweig durchzusetzen. Aber im Frühjahr war klar, dass ich mehr als ein halbes Jahr nicht gespielt habe. Und Rüdiger war nicht beleidigt, weil ich im Winter zuerst abgesagt habe. Er ist dran geblieben und hat immer den Kontakt gehalten. Das ist schon eine außergewöhnliche Form der Wertschätzung und daher habe ich sehr schnell beim FCS unterschrieben“, erzählt der 27-Jährige.
Multhaup sollte dem FCS-Spiel die besondere Note geben, die in der vergangenen Saison manchmal gefehlt hat. Tempo auf der Außenposition, überraschende Lösungen und explosive Dribblings. Doch bereits in der ersten Trainingswoche verletzte sich der 27-Jährige unter dem Fuß. „Ich weiß nicht, ob ein Loch im Boden war. Ich bin falsch aufgekommen, es hat gekracht. Aber es war eine Allerweltsbewegung. Ich dachte nicht, dass es etwas Schlimmes ist. Aber es hat sich dann doch als relativ langwierig herausgestellt“, blickt er auf schmerzhafte Wochen zurück. Den Anfang im Saarland hatte er sich ganz anders vorgestellt, vor allem, weil er den Weg nach Saarbrücken alleine antreten musste. Die Ehefrau ist aus beruflichen Gründen im Ruhrgebiet geblieben. „Es bringt nichts zu hadern. Ich habe hart gearbeitet, damit ich wieder fit werde. Jetzt bin ich bei 95 Prozent. Natürlich wünscht man sich einen besseren Einstieg, aber es war ja nicht mein erster Wechsel. Ich bin jemand, der sich schnell zurechtfindet“, sagt Multhaup.
Die Kabine als entscheidender Faktor
Ausgebildet beim FC Schalke verschlug es ihn mit 18 Jahren zum FC Ingolstadt, wo er sogar auf einige Bundesliga-Minuten kam. Es ging weiter zum 1. FC Heidenheim, dann zum VfL Osnabrück und schließlich zu Eintracht Braunschweig. „Ich habe mit 27 einiges erlebt, war in vier Bundesländern. Ich bin überall klargekommen“, sagt Multhaup. Eindruck hinterlassen hat vor allem die Zeit beim FC Heidenheim, mit dem der Offensivspieler an die Bundesliga-Tür klopfte und im Sommer 2020 in der Relegation an Werder Bremen scheiterte. Multhaup stand in beiden Partien auf dem Platz: „Der Verein hat einen klaren Plan und eine gute Struktur. Es war absehbar, dass sie diesen Weg weitergehen. Aber das Modell Heidenheim ist schon einzigartig, man kann es halt nicht mit Traditionsvereinen vergleichen.“
Durch den Stotterstart war die Stimmung im Saarland eher mäßig. Multhaup kann damit umgehen. Mit seiner Rückkehr sind große Hoffnungen verbunden; so gesehen ist er ein doppelter Neuzugang. „Die Saison ist noch sehr lange, man muss die Nerven behalten. Natürlich müssen wir punkten. Aber das Besondere in der 3. Liga ist, dass im März fast immer noch acht Mannschaften um den Aufstieg spielen. Ich bin ja schon zwei Mal aufgestiegen und weiß, wie es geht“, sagt Multhaup und verrät die Erfolgsformel: „Ob du aufsteigst, entscheidet sich in der Kabine. In Braunschweig hatten wir keine Mannschaft, die die Liga her dominieren konnte. Aber jeder hat sich gefreut, auch wenn er mal draußen gesessen hat. Wir waren eine Einheit und haben dadurch die ganz engen Spiele gezogen.“ Mit der Situation, ein Hoffnungsträger zu sein, kann er gut umgehen. „Das Kollektiv ist gerade in dieser Liga wichtig, aber ich weiß schon, was der Trainer von mir erwartet. Ich bin ja keine 20 mehr.“