Das Titel-Thema ist abgehakt, doch im Champions-League-Rennen befindet sich Union Berlin weiterhin gut positioniert. Nun geht es zum VfL Wolfsburg, für Abwehrchef Robin Knoche ist es ein besonderes Spiel.
Auf das ZDF-„Sportstudio“ hatte sich Robin Knoche gut vorbereitet. Schließlich wagt der zurückhaltende Abwehrchef des 1. FC Union Berlin nur selten den Schritt ins Rampenlicht. Und so wusste Knoche, was am Ende auf ihn zukommt: die Schnellfragerunde. Auf ein Stichwort hin gab der Profi spontane Antworten – und die waren sehr aufschlussreich. So erfuhren die Zuschauer, dass sich der Innenverteidiger noch immer „sehr gute Chancen“ auf sein Länderspieldebüt ausrechnet. Dass er im Falle des sensationellen Meistertitels mit Union „die größte Party, die man je gesehen hat“ erwartet. Und dass er den geplatzten Isco-Transfer für „vielleicht gar nicht so verkehrt“ hält.
„Ich weiß natürlich nicht, wie er sich bei uns in der Mannschaft eingefügt hätte. Wir haben eben nicht die großen Stars in der Mannschaft, und er hätte viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen“, sagte Knoche: „Im Endeffekt passt es so, wie es im Moment ist, ganz gut.“ Mittelfeldstar Isco, der mit Real Madrid und der spanischen Nationalmannschaft riesige Erfolge gefeiert hatte, war am letzten Tag der Transferperiode Ende Januar nach Berlin zur Vertragsunterschrift gereist. Doch der Deal platzte doch noch wegen diffuser Detailfragen, im Nachhinein machten sich Club und Spielerseite gegenseitig Vorwürfe.
„Sehr gute Chancen“ für Länderspieldebüt
Von dem Theater unbeeindruckt legte Union einen famosen Start ins neue Jahr hin und war zwischenzeitlich sogar erster Bayern-Jäger. Doch nach dem 0:3 in München und dem torlosen Unentschieden zu Hause gegen den 1. FC Köln ist das Titelthema abgehakt. Die Champions-League-Qualifikation ist aber weiterhin „im Bereich des Machbaren“, wie Knoche betonte. Königsklassen-Auftritte gegen Real Madrid, FC Barcelona oder Manchester City in der Alten Försterei? „Das hört sich gut an“, sagte der 30-Jährige schmunzelnd. Nach dem bereits feststehenden Klassenerhalt hat sich das Team in einer Sitzung mindestens den Europacup auf die Fahnen geschrieben, und dafür dürfte in dieser Saison schon Platz sieben reichen. Den achten Rang nimmt aktuell der VfL Wolfsburg ein, zu den Niedersachsen reisen die Unioner am Sonntag (12. März, 19.30 Uhr) zum Auswärtsspiel. Ein Sieg – und das neue Saisonziel wäre bei dann 13 Punkten Vorsprung fast schon erreicht. Doch leicht wird das nicht, der VfL holte am vergangenen Wochenende ein verdientes 2:2 gegen Europa-League-Gewinner Eintracht Frankfurt.
Mit einer gewissen Extra-Motivation läuft Knoche gegen seinen Ex-Club auf. „Ich denke schon, dass es immer noch etwas Besonderes ist“, sagte er, „wegen der Vergangenheit“. Knoche war ein „Wolf“ durch und durch, 15 Jahre war er bei den Grün-Weißen aktiv. Nachdem er dort von einem C-Jugendlichen bis zum Stammspieler im Profikader aufgestiegen war, stand für den gebürtigen Niedersachsen fest: Hier beende ich meine Karriere! Doch als sein Vertrag 2020 auslief, drückte das neue Angebot seines Herzensclubs nur wenig Wertschätzung aus: stark leistungsbezogen, kaum Perspektive auf einen Stammplatz.
„Die genauen Einzelheiten lasse ich mal außen vor“, sagte Knoche in der Sky-Reportage „Meine Geschichte – das Leben von Robin Knoche!“. Um mehr Geld sei es ihm nicht gegangen, dafür aber um mehr Wertschätzung. „Er leidet wie ein Hund“, hatte sein Berater Volker Struth damals gesagt. „Natürlich bist du erst mal extrem enttäuscht und am Boden, weil man es sich anders vorgestellt hat“, gab Knoche zu: „Aus diesem Loch herauszukommen, das hat mental eine Zeit gedauert.“ Und es hat das Angebot von Union gebraucht. Die Eisernen waren auf der Suche nach einem neuen Abwehrchef, und Knoche war ablösefrei zu haben. Man einigte sich schnell – ein Glücksgriff für beide Seiten.
Knoche spielte sich mit national wie international konstant starken Leistungen in den Dunstkreis der Nationalmannschaft, und der Club erhielt zum Schnäppchenpreis einen höchst verlässlichen, zweikampfstarken und dazu treuen Leistungsträger. Anders als beispielsweise Grischa Prömel, Marvin Friedrich oder Robert Andrich nahm Knoche kein Wechselangebot an, sondern er verlängerte sogar seinen Vertrag. „Ich habe mich von Beginn an sehr wohlgefühlt bei Union“, sagte der gebürtige Braunschweiger: „Union hat es mir von Beginn an sehr leicht gemacht und mich super aufgenommen.“ Geschäftsführer Oliver Ruhnert sieht in Knoche „auch in den kommenden Jahren einen wesentlichen Baustein unserer Bundesligamannschaft“.
Im Heimspiel gegen Köln ließ Knoche als zentraler Kopf der Defensive zwar erneut kein Gegentor zu, doch die Abwehr wackelte das ein oder andere Mal. Diesmal war es eher Torhüter Frederik Rönnow zu verdanken, dass die Berliner einen Punkt holten. Der Däne habe „großartig“ gehalten, lobte Trainer Urs Fischer. Auch Mittefeldspieler Janik Haberer meinte: „Fredy hatte einen super Tag, er hat uns ein paarmal im Spiel gehalten.“ Der Hochgelobte wollte sich selbst aber nicht zu stark auf die Schulter klopfen: „Natürlich bin ich froh, wenn ich der Mannschaft helfen kann. Leider hat es nicht für drei Punkte gereicht. Das ist mein Job, da zu sein, wenn wir Chancen zulassen.“
Rönnow sichert den Punkt gegen Köln
Und diesmal waren es ungewohnt viele Chancen. „Wir haben aber auch mitgeholfen, dass er so viele Bälle halten musste“, sagte Fischer süffisant. Dem Trainer gefiel überhaupt nicht, dass seine Spieler die Kölner „eingeladen“ hätten, „gefährlich zu werden“. Knoche und Co. hielten am Ende zwar die Null, aber wirklich souverän war die Defensivleistung nicht. „Normalerweise stehen wir sehr gut und stabil in der defensiven Organisation“, meinte Rönnow, der aber nicht zu hart mit seinen Vorderleuten ins Gericht gehen wollte: „Das passiert manchmal im Fußball“. Mit nur 27 Gegentreffern nach 23 Spielen stellt Union immer noch die zweibeste Abwehr der Bundesliga hinter Tabellenführer Bayern München (22).
Eine positive und zugleich konstante Entwicklung gibt es auch in Sachen Sponsoring. Union und Sportartikel-Ausrüster adidas verkündeten die Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit – und anders als bei Spielerverträgen gaben die Eisernen hier auch stolz die Laufzeit des neuen Kontrakts bekannt: Bis 2030 trägt Union weiter drei Streifen. Die vorzeitige Verlängerung „gibt uns als Club Kraft“, wie Union-Präsident Dirk Zingler betonte. Adidas-Vorstandschef Björn Gulden zeigte sich „beeindruckend“ von der Entwicklung des früheren Zweitligisten zu einem Europacup-Dauergast. „Die Eisernen sind sympathisch und erfolgreich“, sagte Gulden: „Gemeinsam werden wir auch in Zukunft für große Fußballbegeisterung in Berlin und über die Stadtgrenzen hinaus sorgen.“
Was als reine Schuhpartnerschaft begann und dem Club laut Informationen des „Berliner Kuriers“ anfangs „nur“ 700.000 Euro eingebracht hat, hat durch den neuen Vertrag eine ganz andere Dimension erreicht. Dem Vernehmen nach überweist der Konzern nun eine siebenstellige Summe pro Jahr an Union.