Den frühen Ruhm in einer fast sieben Jahrzehnte langen Schauspieler-Karriere verdankte Christopher Lee seiner Rolle als Graf Dracula. Auch in den meisten anderen seiner fast 300 Filme zog er das Publikum als Bösewicht in seinen Bann. Daneben machte er sich auch in der Musik-Szene einen Namen.

seine schauspielerische Engagements - Foto: picture alliance / PictureLux / The Hollywood Archive
Der am 27. Mai 1922 im Londoner Stadtteil Belgravia geborene Christopher Frank Carandini Lee musste schon im Alter von gerade mal vier Jahren die Trennung seiner Eltern verkraften und verbrachte danach an der Seite von Mutter und Schwester einen Teil seiner Kindheit im schweizerischen Wengen. Nach der Rückkehr nach London besuchte er bis zum Kriegsausbruch das Wellington College. 1961 heiratete er das dänische Model Birgit Kroencke, zwei Jahre später kam Tochter Christina zur Welt, das Paar sollte sich bis zu Lees Tod die Treue halten. Neben dem Filmgeschäft war Lee auch als Sänger und Musiker sehr aktiv. In „The Wicker Man“ trug er die Ballade „The Tinker of Rye“ vor. Auch bei Studio-Aufnahmen von Opern oder Musicals wie der „Rocky Horror Picture Show“ oder „The King and I“ pflegte er gesanglich mitzuwirken.
Mit 92 Jahren Heavy-Metal-CDs
Seine Eltern hatten sich für ihn eine Diplomatenlaufbahn erwünscht, nur leider fehlte es der Familie am nötigen Kleingeld für den Besuch einer noblen Privatschule und anschließender Elite-Universität. Als Alternative hatte der klassisch ausgebildete Bassbariton eine Karriere in der Opern-Welt ins Auge gefasst. Dort hätte der fast zwei Meter große Hüne vermutlich allein schon wegen seiner körperlichen Präsenz alle Blicke auf sich gezogen. Aber auch seine Stimme war so überzeugend, dass ihn der berühmte schwedische Tenor Jussi Björling eindringlich zu einer Ausbildung am Stockholmer Opernhaus zu überreden versuchte. Und wäre im ersten Nachkriegsjahrzehnt schon Heavy Metal in Mode gewesen, wäre aus Christopher Lee womöglich sogar ein Rockstar geworden. Doch leider konnte er seine Leidenschaft für diesen Musikstil erst in den 1970er-Jahren dank der Songs von Black Sabbath entwickeln. Erst gegen Ende seines 93 Jahre währenden Lebensweges, der am 7. Juni 2015 im Londoner „Chelsea and Westminster Hospital“ infolge von Herz- und Lungenversagen endete, überraschte er mit eigenen Schallplatten-Produktionen.

Mit seiner ersten 1996 veröffentlichten CD „Christopher Lee sings Devils, Rogues and other Villains“ erfüllte er sich mit Liedern von Mozart bis Wagner so etwas wie einen Traum. 2006 erschien seine zweite Solo-CD „Revelation“. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich schon mit den Heavy-Metal-Bands „Rhapsody of Fire“ und „Manowar“ angefreundet. Um schließlich 2010 und 2013 seine eigenen musikalischen Vorstellungen von Heavy Metal in zwei CDs umzusetzen: „Charlemagne: By the Sword and the Cross“ und „Charlemagne: The Omens of Death“. Mit 92 Jahren veröffentlichte er 2014 die EP „Metal Knight“, nachdem er in den Jahren 2012 und 2013 schon EP-Christmas-Songs in hardrockiger Manier publiziert hatte. Und mit einer Single-Auskopplung von „Jingle Bells“ in Heavy-Metal-Version hatte er Ende 2013 sogar den Sprung in die US-Billboard Hot 100 geschafft.
Dass aus Christopher Lee schließlich ein Schauspieler geworden war, war einerseits seiner Unlust zu verdanken, den Schreibtischjob als Büroangestellter diverser Londoner Reedereien nach Rückkehr aus dem Krieg wieder aufzunehmen. Im Krieg hatte er als Mitglied der Royal Air Force und einer nachrichtendienstlichen Spezialeinheit gedient. Andererseits konnte er beim Einstieg ins Filmgeschäft von familiärer Hilfestellung profitieren. Während sein Vater lediglich Berufsoffizier der britischen Armee war, entstammte seine Mutter Estelle Marie einem der ältesten Adelsgeschlechter Italiens. Ihr Cousin, Graf Nicolò Carandini, damals Botschafter in London, machte Christopher Lee bei einem gemeinsamen Mittagessen im Jahr 1946 den Vorschlag, es doch einfach mal mit der Schauspielerei zu versuchen. Zugleich bot er Lee an, für ihn Kontakte zur Rank Organisation, einem renommierten britischen Unternehmen der Unterhaltungsbranche, aufzunehmen.
In „Star Wars“ der Bösewicht

Dort erhielt Lee einen Sieben-Jahres-Vertrag und besuchte gleichzeitig die hauseigene Schauspieler-Schmiede namens „The Charm School“. Seinem Filmdebüt in dem Mystery-Streifen „Korridor der Spiegel“ 1948 folgten bis 1957 mehr als 30 Filme mit weiteren kleineren Rollen. Im Rückblick hatte Lee diese Zeit als seine Lehrjahre angesehen, wie er es einmal in einem Interview mit der „taz“ bekundet hatte: „Ich fing als Schauspieler an, versuchte zu lernen, ein Schauspieler zu sein. Ich brauchte dazu ungefähr zehn Jahre. Heutzutage sind die Stars ja Stars nach einem einzigen Film.“
Den Durchbruch schaffte Lee durch seinen Wechsel zu den Londoner Hammer Film Productions, einem Spezialisten für das Horrorfilm-Genre mit preisgünstig produzierten B-Movies. Gleich mit seinem ersten Engagement für Hammer im Streifen „Frankensteins Fluch“ im Jahr 1957, in dem Lee das Monster seines Schöpfers verkörperte, sorgte er für Aufsehen. Ein Jahr später folgte dann Lees legendärer Auftritt als transsilvanischer Blutsauger in Farbe und mit den ersten wölfischen Fangzähnen in dem Kultfilm „Dracula“. Auf einen Schlag hatte Lee seinen Ruf als „Kronprinz des Schreckens“ oder „Prince of Darkness“ begründet. „Weil er Manieren hatte und höflich war, bevor er zubiss, zärtlich beinahe, aber gnadenlos“, formulierte es die „FAZ“ einmal.
Diesen Sensationserfolg wollte Hammer Productions natürlich in weiteren Streifen mit Lee als Dracula-Protagonisten ausschlachten, weshalb man den Schauspieler mit teils erpresserischen Methoden zu sieben weiteren Filmen in dieser Rolle bis zum Jahr 1973 festnagelte. Zusätzlich ließ sich Lee auch noch für die Hauptrolle in der vom spanischen Regisseur Jess Franco gedrehten Horror-Produktion „Nachts, wenn Dracula erwacht“ im Jahr 1970 überreden.
Obwohl Lee daneben auch in andere Rollen schlüpfte, in denen er meist Bösewichte spielte – etwa in gleich fünf Folgen der „Dr. Fu Man Chu“-Serie in den 1960er-Jahren – erkannte er doch die Gefahr einer Dracula-Schubladenbildung. Deshalb verabschiedete er sich ab Mitte der 1970er-Jahre nahezu komplett vom Horror-Genre und suchte nach neuen cineastischen Herausforderungen. Dabei brillierte er insbesondere in der Rolle des James-Bond-Antagonisten Francisco Scaramanga im Blockbuster „Der Mann mit dem goldenen Colt“ im Jahr 1974. Auch bei diesem Engagement halfen ihm wieder familiäre Verbindungen, weil der Bond-Romanautor Ian Fleming Lees Stiefcousin war.

Bei der Vielzahl seiner Arbeiten, was sich allein in seinem Mitwirken an 266 Kinofilmen sowie diversen Verpflichtungen in TV-Produktionen niederschlug, konnte er thematisch nicht immer wählerisch sein und erhielt daher auch niemals eine Oscar-Nominierung. Daran änderte sich auch nach seinem Wohnsitzwechsel nach Hollywood zwischen 1977 und 1999 nichts, wo er beispielsweise in „Gremlins 2: Die Rückkehr der kleinen Monster“ 1990 den verrückten Wissenschaftler Dr. Catheter mimte. Lee selbst deklarierte den Streifen „Jinnah“ von 1998, in dem er die Rolle des pakistanischen Staatsgründers Muhammad Ali Jinnah verkörperte, als seinen wichtigsten Film. Zu seinem Leidwesen wurde der Streifen allerdings nie in westlichen Kinos gezeigt. Zur besten Produktion, in der er je mitgewirkt hatte, kürte Lee den Streifen „The Wicker Man“ aus dem Jahr 1973, einem ungewöhnlichen Horrorfilm ohne große Schockeffekte. In diesem war Lee in die Rolle von Lord Summerisle geschlüpft, der auf einer schottischen Insel einem heidnischen Fruchtbarkeitskult huldigt.

Kurz vor der Jahrtausendwende drohte Lee, der nur noch bei kleineren Produktionen und im Fernsehen berücksichtigt wurde, langsam aber sicher in Vergessenheit zu geraten. Doch dann holten ihn Fantasy-Star-Regisseure wie Peter Jackson, George Lucas oder Tim Burton, die mit Lees ikonischen Rollen aufgewachsen waren, urplötzlich wieder aus der Versenkung. Tim Burton machte 1999 den Anfang mit dem Schauermärchen „Sleepy Hollow“, auch wenn Lee darin an der Seite des von ihm neben Leonardo DiCaprio am meisten geschätzten Johnny Depp nur die Nebenrolle eines Richters spielte. Burton verpflichtete Lee auch noch für drei weitere Filme, zuletzt für die Horrorkomödie „Dark Shadows“ 2012, in der Lee in einer kleinen Rolle neben seinem gelegentlichen Golf-Partner Alice Cooper zu sehen war.
Peter Jackson und George Lucas verdankte Lee, der sieben Sprachen und zudem leidlich die Fechtkunst beherrschte, sein Mitwirken an den wirtschaftlich mit Abstand erfolgreichsten Produktionen. Peter Jackson übertrug in den Tolkien-Trilogie-Verfilmungen „Der Herr der Ringe“ 2001 bis 2003 und „Der Hobbit“ von 2012 bis 2014 die Rolle des dunklen Magiers Saruman an Lee, obwohl dieser als glühender Tolkien-Fan, der den Autor als junger Mann bei einem Pub-Besuch sogar persönlich kennengelernt hatte, eigentlich auf die Verkörperung des guten Zauberers Gandalf gehofft hatte. George Lucas betraute Lee mit der Rolle des Count Dooku in seinen „Star Wars“-Filmen „Angriff der Klonkrieger“ im Jahr 2002 und „Die Rache der Sith“ 2005. In seinem letzten Film „Engel in Notting Hill“, einem Mystery-Thriller von 2015, war Lee, der 2009 im Rang eines Knight Bachelors in den britischen Adelsstand erhoben wurde, als Off-Screen-Figur nur noch mit seiner Stimme vertreten.