Mats Hummels beendet im Sommer seine Karriere als Profi. Dem Fußball wird der Weltmeister aber bestimmt erhalten bleiben. Denn für nahezu alle denkbaren Optionen einer zweiten Karriere scheint er wie geboren.

ist eine bekannte Sportjournalistin - Foto: imago / HJS
Ende der 80er-Jahre rief die „Welt“-Journalistin Ulla Holthoff beim Bundesliga-Trainer Otto Rehhagel an und wollte ihn interviewen. Rehhagel, so berichtete Holthoff später, habe sie für die Sekretärin gehalten und gebeten, sie mit dem zuständigen Redakteur zu verbinden. Als sie sagte, dass sie das Interview führen wolle, fragte er, ob kein Mann da sei, ob sie was vom Fußball verstehe und ob sie überhaupt wisse, was Abseits ist. Den Hinweis, dass sie sich bereits einige Male begegnet seien, habe er mit den Worten kommentiert: „So? Na, wenn Sie hübsch wären, wären Sie mir auch in Erinnerung geblieben.“ Worauf Holthoff erklärte: „Für Ihren Geschmack kann ich nichts.“
Ulla Holthoff hat trotz Stolpersteinen wie diesem Karriere gemacht im Sportjournalismus. Sie war die erste Frau, die im „Aktuellen Sportstudio“ ein Spiel kommentierte, wurde dann Fußball-Chefin des DSF und rief den heute legendären „Doppelpass“ ins Leben, dann war sie zwei Jahre Pressesprecherin des damaligen Bundesligisten SpVgg Unterhaching und ging schließlich zum Bayerischen Rundfunk. Der Kolumnist Oskar Beck nannte sie „Die Mutter des modernen Fußballs“ und schrieb: „Ohne Ulla Holthoff wäre der deutsche Fußball arm dran.“
Geprägt von beiden Eltern

Warum ein Bericht über Mats Hummels mit diesem ungewöhnlichen Karriere-Weg beginnt? Nun, Ulla Holthoff ist die Mutter von Mats Hummels. Fußball-Fachwissen, die Fähigkeit, sich auszudrücken und sich durchzusetzen, könnte sie ihrem Sohn also mitgegeben haben. Und auch von väterlicher Seite wird Hummels für eine Profi-Karriere einige nützliche Gene wie Erfahrungen mitbekommen haben. Denn sein Vater Hermann Hummels war einst Zweitliga-Profi bei der TuS Schloss Neuhaus, wurde danach Trainer und war unter anderem beim FSV Mainz 05 Coach eines gewissen Jürgen Klopp. „Jürgen hatte schon immer eine sensationelle Einstellung. Mit seinem unbändigen Willen konnte er schon immer Berge versetzen“, sagte Hummels senior mal der „Bild“: „Der Ball war nicht immer sein bester Freund. Aber das weiß er selbst am besten.“ Hermann Hummels war es, der Klopp vom Abwehrspieler zum Stürmer umfunktionierte und so dafür sorgte, dass die vom heutigen Trainer-Weltstar selbst immer ironisch kommentierte Spieler-Karriere immerhin mehr als 300 Zweitliga-Einsätze beinhaltete. „In den ersten sechs Spielen, in denen er mich hat vorne spielen lassen, habe ich – glaube ich – fünfmal getroffen“, sagte Klopp später über Hummels, dessen Sohn Mats er später Jahre lang erfolgreich in Dortmund trainieren würde. Und: „Es hat mir sehr imponiert, wie leidenschaftlich er als Trainer gewesen ist.“

Mats Hummels sagte 2010 in einem „tz“-Interview: „Bei mir haben beide Elternteile zur Entwicklung beigetragen. Mit fundierter Kritik, mit Ahnung, mit klarer Meinung. Das hat eine große Rolle gespielt.“ Und macht ihn gemeinsam mit seiner eindrucksvollen Karriere nun wieder interessant für gleich mehrere Märkte. Denn nach rund 18 Jahren als Profi wird Hummels im Sommer seine Karriere als Fußball-Spieler beenden. „Ich kämpfe gerade mit den Emotionen. Jetzt kommt der Moment, um den kein Fußballer herumkommt. Nach über 18 Jahren und so vielen Dingen, die mir der Fußball gegeben hat, beende ich diesen Sommer meine Karriere“, sagte der Abwehrspieler in einem Video in den sozialen Medien. Und weiter: „Es macht mich jetzt schon emotional. Es wird mich noch emotionaler machen, wenn es irgendwann endgültig nicht mehr da ist. Es ist unglaublich schön, das so gehabt zu haben. Es ist mit nichts zu vergleichen. Es ist durch nichts zu ersetzen.“

Hummels hat aber auch viel erlebt. Geboren in Bergisch-Gladbach, wuchs er in München auf, wo sein Vater jahrelang Nachwuchs-Trainer war. Mit sieben trat er dem FC Bayern bei. Er wurde Profi, kam aber nur zu einem Bundesliga-Einsatz und ließ sich mit 19 zunächst für anderthalb Jahre an Borussia Dortmund verleihen. Dass die Bayern ihn dann für rund vier Millionen Euro fest an den BVB verkauften, mag auch an einer langen Verletzungspause gelegen haben, wurde von vielen aber als Fehler angesehen. „Ich habe immer gesagt, dass Mats eine Bombe wird“, sagte Ausbilder-Ikone Hermann Gerland, einst Hummels’ Trainer in der Zweiten Mannschaft schon ein Jahr später zu spox.com. „Wir hätten ihn niemals verkaufen dürfen.“
Goldenes Tor im Viertelfinale

Mit dem BVB und Klopp wurde Hummels 2011 Deutscher Meister und im Jahr darauf sogar Double-Sieger durch ein 5:2 im Pokalfinale gegen die Bayern. 2016 zahlten die Münchener 35 Millionen, um ihr Eigengewächs zurückzuholen. Nach drei Jahren mit drei Meistertiteln und einem Pokalsieg ging er zurück zum BVB, wo er noch mal Pokalsieger wurde. Aber nicht mehr Meister. Und auch der Champions-League-Sieg blieb ihm verwehrt. 2024 verlor er in seinem letzten Spiel als Dortmunder das Endspiel gegen Real Madrid mit 0:2. Im Wembley-Stadion, wo schon 2013 im Finale gegen die Bayern (1:2) der Traum geendet war. In einer insgesamt unglücklichen Saison bei der AS Rom ließ Hummels seine Karriere noch mit einem Auslands-Engagement ausklingen.
Über allem steht aber der WM-Titel 2014, an dem Hummels einen größeren Anteil hat, als viele denken. Nicht nur wegen seines Goldenen Tores beim 1:0 im Viertelfinale gegen Frankreich. „Mats war für mich der stille Held der WM 2014“, sagte der damalige Bundestrainer Joachim Löw nach der Rücktritts-Nachricht: „Über andere Spieler ist mehr berichtet worden, aber ich weiß nicht, ob wir ohne seine Leistungen – besonders im Finale – wirklich Weltmeister geworden wären.“ Löws Nach-Nachfolger Julian Nagelsmann erklärte, Hummels habe „in seinen besten Jahren internationale Maßstäbe gesetzt“ und sei „zu einem Vorbild für eine ganze Generation von Verteidigern geworden“.

Und so lässt sich der Kreis schließen, wieso und in welchen Berufszweigen Hummels eine Zukunft haben könnte. Er war als Spieler immer ein Leader. Einer, der das Spiel lesen konnte und verstanden hat, der dirigiert hat, der vorangegangen ist und abseits des Feldes intern auch mal mit unangenehmer Wahrheit angeeckt ist. Gleichzeitig war er fast schon eine Stil-Ikone, ein Frauenschwarm, seine Ehe mit Influencerin Cathy wurde im Boulevard ausgiebig beleuchtet. Sowieso war er ein Liebling der Medien. Einer, der charmant reden konnte, witzig war, druckreife Sätze formulierte und eine eigene Meinung hatte.
Was kommt nach der Karriere?
So jemand ist erst einmal prädestiniert als TV-Experte. Wahrscheinlich auch als Funktionär oder Manager, denn an Wirtschafts-Themen ist er auch interessiert. Das Magazin „Das Investment“ listet auf, Hummels sei „an einem Investmentunternehmen sowie weiteren Firmen beteiligt. (…) Investiert ist er zudem in Immobilien unter anderem in Schwabing und München. Zusätzliches Geld verdient Hummels mit Werbedeals als Markenbotschafter verschiedener Firmen wie Hugo Boss und Adidas.“

Doch vor allem und zu guter Letzt scheint Hummels der geborene Trainer zu sein. Der Vater Trainer, er selbst lange Kapitän, einer, der taktisch Ahnung hat, Teams hinter sich bringen kann und sich nach außen gut verkauft. Das ist ein Bild wie gemalt für diesen Posten. Vielleicht sogar eines Tages für den des Bundestrainers. Oder eben Coach des FC Bayern oder des BVB. Denkbar scheint vieles.
Kurzfristig kurioserweise sogar eine Rückkehr als Spieler zum BVB. Wenn auch nur mit einem Vertrag über maximal einen Monat für die Club-WM im Sommer. Die findet außerhalb der normalen Vertragszeiten statt und dem BVB fehlt Innenverteidiger Nico Schlotterbeck noch lange verletzt. „Das wäre ein mega Ding für ihn und für den Verein. Ich würde mich riesig freuen, ihn nochmal zu sehen“, sagte Torhüter Gregor Kobel.
Wenn dann spätestens Ende Juli die Karriere beendet ist, wird sich das Feld der noch aktiven Weltmeister von 2014 weiter lichten. Stand jetzt werden es mit Manuel Neuer, Ron-Robert Zieler, Jérôme Boateng, Matthias Ginter, Julian Draxler, Mario Götze, Thomas Müller und Lukas Podolski noch maximal acht sein, die in der kommenden Saison weiterspielen. Wobei ein Karriere-Ende bei dem im Juni 40 werdenden Podolski wahrscheinlich scheint und bei Müller, der keinen Vertrag mehr beim FC Bayern bekommt, zumindest denkbar.