Für Reisende ist die Großregion zwischen Saarland, Lothringen, Luxemburg und Wallonien ein idealer Raum – nicht so für die Tourismus-Organisationen, die untereinander sehr viel Zeit mit Abstimmung vertun.
Vier Länder im Herzen Europas, eine gemeinsame Geschichte, Weltkulturerbe, ein umfangreiches und attraktives Kulturangebot und jede Menge Grün für Natur- und Freizeitaktivitäten – das lässt sich normalerweise gut vermarkten, um mehr Touristen in die Großregion zu locken. Wer ein paar Tage im Saarland verbringt, der will auch schnell mal nach Luxemburg, ins benachbarte Lothringen, nach Wallonien oder auch nach Rheinland-Pfalz. Gleiches gilt in umgekehrter Richtung.
Langer Atem benötigt
Doch um dem grenzüberschreitenden Tourismus verstärkt auf die Sprünge zu helfen, wären deutlich mehr Anstrengungen aller beteiligten Länder nötig. Zu unterschiedlich sind die Organisationsstrukturen und Kompetenzen im Tourismus in den jeweiligen Teilregionen, zu gering die Sichtbarkeit touristischer Attraktionen für fremde Besucher, zu wenig ausgeprägt das Bewusstsein, gemeinsam mehr auf die Beine stellen zu können, vom Beherrschen der Sprachen der Nachbarländer seitens der Tourismusakteure einmal ganz zu schweigen. Zwar hat es in der Vergangenheit immer wieder Anläufe gegeben, das grenzüberschreitende Tourismuspotenzial gemeinsam zu heben, und das auch mit Erfolg, so bei der Route des Feuers, dem Blauen Band entlang der Saar, dem Warndt-Weekend oder dem digitalen Tourismusmarketing für die Großregion. Aber ohne finanzielle Förderung durch Interreg-Mittel wäre daraus nichts geworden.
Erschwerend komme hinzu, dass alle tollen Ideen und gutgemeinten Vorschläge im Tourismusbereich immer freiwilliger Natur seien – niemand könne zur Umsetzung einer Maßnahme gezwungen werden; zumindest sei das in Deutschland so, erklärt die Leiterin der Tourismuszentrale Saarland, Birgit Grauvogel. Zudem fehle oftmals das Geld, um bestehende grenzüberschreitende Projekte weiterzuführen oder neue in Angriff zu nehmen. Von sich aus stellt kaum jemand aus knapp bemessenen Budgets Mittel bereit. „Wer grenzüberschreitend im Tourismusbereich aktiv ist, braucht einen langen Atem, sprich viel Zeit allein schon für die vielschichtigen Abstimmungsprozesse“, so die Tourismusmanagerin weiter.
Das wissen auch die verantwortlichen Geldgeber bei Interreg und haben beim letzten Großprojekt zum digitalen Marketing die Förderperiode von vornherein von drei auf fünf Jahre verlängert. Dieses mit rund fünf Millionen Euro ausgestattete Projekt, das Ende 2021 ausgelaufen ist, habe wenigstens das digitale Potenzial deutlich gemacht und gezeigt, wie über Social-Media-Kanäle und Webseiten mit zeitgemäßer Ansprache ausgewählter Zielgruppen Aufmerksamkeit für den Tourismus in der Großregion erzeugt werden kann. Eine organisierte Influencer-Reise, Videos auf Instagram oder das positive Feedback der Besucher in den sozialen Netzwerken beispielsweise hätten für hohe Multiplikatoreffekte gesorgt. „Digitales Marketing für die Großregion funktioniert, die Transformation im Tourismus kann gelingen“, ist sich Grauvogel sicher, „aber der Teufel steckt bei der Umsetzung im Detail“. Nicht kompatible Schnittstellen, Fachkräfte- und Zeitmangel, Sprachprobleme und damit einhergehendes nachlassendes Interesse der beteiligten Partner waren leider mitbestimmende Faktoren im Alltag. Natürlich hat auch Corona drei Jahre lang dem grenzüberschreitenden Tourismus arg zugesetzt, mit Grenzschließungen, Ausgangssperren und Reise- und Hotelstornierungen.
Zwar wurden bereits Mittel für die neue Interreg-Periode beantragt, und noch in diesem Jahr sollte das auch positiv beschieden werden, aber die Wartezeiten sind zu lang im digitalen Zeitalter. Das Ergebnis: Zwei oder drei Jahre alte Videos schaut sich niemand mehr an, auch wenn sie noch so gut gemacht sind, statische Webseiten über die Großregion mit veralteten News erst recht nicht. Das schreckt Touristen eher vom Besuch der Großregion ab. Digitales Marketing muss den gesellschaftlichen Veränderungen vermehrt Rechnung tragen. Potenzielle Besucher wollen schnell und einfach angesprochen und mit Ideen zu den Themen der Zeit wie bspw. Nachhaltigkeit inspiriert werden.
Künftig könnte es durchaus schneller gehen, denn mittlerweile fallen Interreg-Entscheidungen mit in den Bereich der Eurodistrikte, sofern sie nur deren Territorium betreffen. Das betonte die Geschäftsführerin Florence Guillemin. Der Eurodistrict SaarMoselle repräsentiert rund 600.000 Einwohner in fünf französischen Gemeindeverbänden und dem Regionalverband Saarbrücken.
Eurodistrict setzt auf Fahrrad und Wandern
Die Großregion hat jede Menge Trümpfe beim nachhaltigen Tourismus in der Hinterhand und setzt in den nächsten Jahren verstärkt auf den Fahrrad- und Wandertourismus. Dafür braucht es allerdings eine gut ausgebaute Infrastruktur sowie eine gute Erreichbarkeit, woran es leider immer noch hapert. Ein Riesenpotenzial für den Tourismus steckt außerdem in den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris. So nah heran an die Großregion kommt ein derart sportliches Großereignis so schnell nicht wieder. Das gilt es zu nutzen, hat sich selbst die Saarländische Staatskanzlei auf ihre Fahnen geschrieben. Aber auch hier steckt der Teufel wieder mal im Detail. Das Schnüren nationaler Angebotspakete für den Besuch der Olympischen Spiele von Saarbrücken oder Luxemburg aus sind schon aufgrund der zentralen Ticketvergabe in Frankreich inklusive Auslosung so gut wie unmöglich. Die Eintrittspreise sind selbst für Randsportarten astronomisch hoch, und das hohe Preisniveau dürfte sich ebenfalls bei den Anreise- und Hotelpreisen widerspiegeln. Zumindest bei letzterem könnte die Großregion mit schneller Tagesanreise und günstigen Unterkünften punkten.
Ob Paris das überhaupt wünscht, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stößt an ihre Grenzen, wenn es um Wettbewerbsvorteile und Geld geht, auch im Tourismus. Warum in wirtschaftlich angespannten Zeiten etwas abgeben und den Kuchen teilen, wenn man problemlos alles selbst einstecken kann. Letztendlich geht es bei den meisten Themen wie so oft um wirtschaftliche Fragestellungen. Und da sitzt dann oft das Hemd näher als der Rock. Es bleibt also noch viel Überzeugungsarbeit seitens unserer Europapolitiker zu leisten, dass gemeinsam vieles besser und schneller zu erreichen ist.