Der Start ins neue Jahr war für die Saar-Wirtschaft eher verhalten. Diskussionen um die Zukunft von ZF sorgen für Verunsicherung. Das Land steckt im Strukturwandel, bei schwierigen äußeren Rahmenbedingungen.
Die Stimmung ist nicht sonderlich gut. Beim großen Transformationsprozess werde es auch Rückschläge geben, hatte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger immer wieder mahnend gesagt, selbst zu einer Zeit, als das Saarland mit positiven Schlagzeilen für Aufmerksamkeit sorgte. Die angekündigten Großinvestitionen in eine Halbleiter-Chipfabrik und eine Batteriezellenproduktion ließen vor gut zwei Jahren vorübergehend die eher tristen Botschaften wie den Rückzug von Ford in den Hintergrund treten.
Es waren Hoffnungszeichen, dass das Saarland die Transformation der bislang stark vom Automobilbereich abhängigen Wirtschaftsstruktur schaffen kann. Gleichzeitig hatte sich die Stahlindustrie aufgemacht in eine grüne Zukunft. Die EU hatte nach zähem Ringen den Weg für milliardenschwere Investitionen für grünen Stahl freigemacht.
Die Schlagzeilen habe sich seither deutlich verändert: Die Chinesen haben ihre Pläne für eine Batteriefabrik in Europa zurückgezogen, Wolfspeed hat die Investition nach offizieller Sprachregelung auf zunächst unbestimmte Zeit verschoben.
Das ehemalige Kraftwerk in Ensdorf ist fast ganz verschwunden, das riesige Gelände wird saniert. Eigentlich ein Ansiedlung-Filetstück, höchst attraktiv, auch weil es als „brownfield“ vergleichsweise schnell zur Verfügung stehen würde. Die extrem aufwendigen und langwierigen Verfahren für die Erschließung neuer Flächen, die in Überherrn für das Linslerfeld (einst vorgesehen für SVolt) ihren mühseligen Weg gehen, sind hier nicht nötig.
Extrem schwieriges globales Umfeld
Inzwischen beherrschen wieder andere Meldungen wie die über ZF oder das Stahlwerk Bous die Schlagzeilen und sorgen für Verunsicherung. Obwohl die schwierigen Entwicklungen bei ZF insgesamt und am Standort Saarbrücken mit den noch rund 10.000 Beschäftigten nicht wirklich neu sind. ZF hatte schließlich schon letztes Jahr einen drastischen Personalabbau angekündigt und Werksschließungen nicht ausgeschlossen. Zuletzt hatte ZF Diskussionen um einen möglichen Verkauf des Standortes Saarbrücken dementiert. Gleichzeitig ist aber völlig offen, wie es weitergeht.
ZF ist alleine schon wegen der direkten und indirekten Arbeitsplätze ein Thema von besonderer Aufmerksamkeit und mit einer gewissen Symbolwirkung. Schließlich trifft die Transformation im Automobilbereich den Getriebehersteller besonders.
Vor ziemlich genau zwei Jahren hatten sich Perspektiven noch völlig anders dargestellt. Der US-amerikanische Chiphersteller Wolfspeed hatte nicht nur milliardenschwere Investitionen in den Bau einer neuen Chipfabrik in Ensdorf angekündigt. Das Projekt war auch begleitet von der Idee eines gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungszentrums von Wolfspeed und ZF.
Seither hat sich die Liste der unerfreulichen Nachrichten ständig verlängert.
Dass es auch andere Entwicklungen gibt, geht darüber leicht unter. Die Ansiedlungszusage von Vetter auf dem Ford-Gelände soll ab 2030 bis zu 2000 Arbeitsplätze schaffen. Der weltweit tätige Pharmadienstleister wird damit zu einem Baustein der immer wieder angemahnten Diversifizierung. Auch die Fricke-Gruppe mit einem Logistikzentrum und bis zu 600 Arbeitsplätzen in Tholey gehört zu den immer wieder genannten positiven Beispielen, neben einer ganzen Reihe anderer.
Dass an der großen Transformation, zu der auch ganz zentral der Umbau auf grünen Stahl gehört, letztlich kein Weg vorbeiführt, ist den Menschen im Saarland bewusst. Deutlich mehr als die Hälfte von ihnen (58 Prozent) glauben auch daran, dass das im Saarland gelingen wird. Bei den Jüngeren ist die Zuversicht noch größer (63 Prozent). Das ist eines der Ergebnisse eines Strukturwandelreports, der Anfang November vergangenen Jahres vorgestellt wurde. Beim Streit darüber, ob das Land dafür auch Schulden aufnehmen soll, hat eine Zwei-Drittel-Mehrheit eine klare Meinung: Ja.
Etwas zwiespältiger fiel dabei das Urteil darüber aus, ob das Land auf die richtigen Zukunftsbranchen setzt. Eine Mehrheit (53 Prozent) sagt ja (oder eher ja), aber ein Drittel äußert sich skeptisch. Dass die Entwicklung im Saarland stark von der gesamten, auch globalen Entwicklung abhängt, muss nicht noch mal eigens betont werden. Dabei hat sich die Stimmungslage in der Wirtschaft, aber auch bei den Menschen, zunehmend eingetrübt.
Nach der Bundestagswahl haben Verbände und Kammern ihre schon zuvor erhobenen Forderungen nach Verbesserungen der Rahmenbedingungen, von Strompreisen bis hin zu Bürokratieabbau, bekräftigt. Gleichzeitig belasten die Sorgen über Auswirkungen all der Ankündigungen, die derzeit von der neuen Trump-Administration aus den USA zu hören sind, zunehmend die Stimmung.
Die Perspektiven im Saarland sind aber vielleicht gar nicht so eingetrübt, wie es die Rückschläge und pessimistischen Einschätzungen derzeit nahelegen. Auch wenn SVolt abgesagt und Wolfspeed mehr als fraglich ist: Das Saarland hat damit auch im internationalen Wettbewerb um Ansiedlungen auf sich aufmerksam gemacht, und hat für Ansiedlungswillige, wenn es sie denn wieder in einer Aufschwungsphase geben sollte, auf dieser Basis Angebote parat. Entwicklungen wie die geplante Errichtung eines CISPA-Neubaus in St. Ingbert sind ohnehin zukunftsträchtig.
Aber der Weg ist nicht einfacher geworden und die globalen Entwicklungen sind mit der neuen US-Regierung alles andere als stabiler geworden. Und die Erwartungen an eine neue, vermutlich schwarz-rote Bundesregierung sind wenige Tage nach der Wahl nicht gerade sprunghaft in die Höhe geklettert. Es hängt nun auch viel an den Koalitionsverhandlungen, sie müssen wieder Vertrauen aufbauen und die entsprechenden Signale senden, schließlich hat Wirtschaft bekanntlich auch viel mit Psychologie und Stimmungen zu tun.