Sommerzeit ist Einkaufszeit. Beim 1. FC Saarbrücken wird viel spekuliert. Rüdiger Ziehl zieht eine Bilanz und gibt Einblick in die Transferaktivitäten.
Herr Ziehl, glaubt man Medienberichten, dann gehen Sie permanent mit Spielern essen und haben gefühlt 100 Neuzugänge an der Angel. Im Umfeld überschlägt man sich gerade wieder mit Spekulationen. Wie gehen Sie damit um?
Ich bin ja schon eine gewisse Zeit hier. Das ist ein Stück weit normal bei Traditionsvereinen. Aber ich muss nicht jedes Gerücht kommentieren und auch dementieren. Dann müsste ich jeden Tag auf irgendeinen Zeitungsbericht reagieren. Wir haben einen klaren Plan und arbeiten diesen ab. Nicht jeder Wunsch lässt sich erfüllen, dafür kommen Spieler, die niemand auf der Rechnung hatte.
Einer der Hauptkritikpunkte war der angeblich zu kleine Kader. Auf der anderen Seite war auch nicht absehbar, dass man ins Halbfinale des DFB-Pokals einzieht. Welche Lehren ziehen sie aus der Saison?
Der Kader wird sicher größer werden. Auf der anderen Seite war nicht absehbar, was alles passiert ist. Richard Neudecker war Top-scorer, hat dann Teile der Vorbereitung verpasst und ist schleppend in die Saison gestartet. In der Rückrunde war er komplett verletzt. Die Verletzung von Patrick Schmidt hat uns unheimlich wehgetan. Man kann solche Spieler nicht eins zu eins ersetzen. Es ist ja nicht so, dass wir nicht reagiert haben. Als sich Sebastian Jacob verletzt hatte, haben wir Simon Stehle geholt, später noch Amine Naifi. Im Winter hat sich dann keine optimale Konstellation ergeben.
Wie geht es bei Neudecker und Schmidt weiter?
Neudecker wird bleiben und Schmidt ist ein gefühlter Neuzugang. Ich weiß, dass viele Fans fordern, dass wir jetzt einen neuen Stürmer holen. Aber wenn Paddy fit ist, ist er ein Ausnahmestürmer in dieser Liga. Wir geben ihm die Zeit in der Vorbereitung und können dann situativ entscheiden. Unser Plan ist es, dass wir bis auf zwei, maximal drei Positionen zu Trainingsbeginn komplett sind. Das halten wir uns bewusst offen, weil der Transfermarkt durch die EM gerade in den beiden höheren Ligen erst später ins Rollen kommt. Wir sind an dem Thema dran, aber gerade die Bundesligisten, mit denen wir über eine Leihe sprechen, wollen jetzt noch keine Entscheidung treffen. Das ist auch okay.
Ein Problem war generell die Anzahl der Verletzten im Saisonverlauf. Ihre Wunschformation in der Abwehr stand beispielsweise kaum gemeinsam auf dem Platz. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Wir haben natürlich die Hoffnung, dass uns Bjarne Thoelke in der kommenden Saison öfter zur Verfügung steht. Generell schauen wir uns nach Innenverteidigern um. Die Lücke, die Marcel Gaus auf links hinterlässt, haben wir geschlossen.
Marcel Gaus hat zu seinem Abschied davon gesprochen, dass die Saison zu schlecht beurteilt wurde. Wenn man die Statistik nimmt, hat man mit 60 Punkten das zweitbeste Resultat für den FCS seit Bestehen der Dritten Liga erzielt. Verstehen Sie die Unzufriedenheit, teilweise wurde ja von einer Katastrophen-Saison gesprochen?
Mir hat neulich ein alter Hase im Verein gesagt, dass man nach einem Aufstieg in die Zweite Liga ein Jahr Zeit habe, die Klasse zu halten. Danach muss man sofort um den Aufstieg in die Bundesliga mitspielen. Wer sich die Entwicklung der Aufsteiger anschaut und Branchenkenntnis hat, weiß natürlich, dass das völliger Quatsch ist. Aber die Erwartungshaltung hier ist schon brutal. Man muss nicht alles lesen und kommentieren. Außerhalb des Saarlandes wurde die Saison nicht so negativ bewertet. Wir waren drei Punkte hinter einem Aufstiegsplatz und natürlich sagen wir, dass mehr drin gewesen wäre. Wir sind schon selbstkritisch.
Felix Magath hat kürzlich bei einem Vortrag in Saarbrücken davon gesprochen, dass die Pokalreise zehn Punkte gekostet habe. Mit 70 Punkten wäre der FCS direkt aufgestiegen.
Man muss sich nur anschauen, wie wir rund um das Bayern-Spiel gepunktet haben. Wir haben einen Zähler aus vier Spielen geholt. Unser schlechtestes Saisonspiel haben wir drei Tage nach dem Spiel gegen Gladbach in Duisburg gemacht. Es steht außer Frage, dass es eine körperliche und mentale Mehrbelastung war. Dennoch sehe ich den Ansatz woanders und das nicht mal bei Spielen wie in Lübeck oder zu Hause gegen Halle. Zwei, drei schlechte Tage hat jede Mannschaft mal. Wir hatten viele, zu viele Spiele, in denen wir besser, aber einfach nicht effektiv genug waren. Exemplarisch sind die beiden Heimspiele gegen die Aufsteiger Münster und Regensburg. Bei allem Respekt, aber von den Chancen her müssen wir die klar gewinnen. Dann kamen Spiele wie gegen Ingolstadt hinzu, wo wir Megapech mit dem Schiri hatten.
Wir haben bereits über die Verletztensituation gesprochen. Hinzu kamen Leistungsschwankungen wie bei Kasim Rabihic. War das auch ein Mosaikstein, der gefehlt hat?
Absolut. Viele Leistungsträger sind entweder ausgefallen oder hatten Formtiefs. Ich kann verstehen, dass die Leute nach vier Jahren in der Dritten Liga ungeduldig werden, aber diese enge Liga ist auch kein Wunschkonzert. Bielefeld, Sandhausen, Ingolstadt, 1860 München oder Mannheim haben sicherlich nicht weniger Geld ausgegeben und stehen hinter uns. Unter dem Strich haben wir im Pokal alle Erwartungen übertroffen, in der Liga haben wir nicht das Optimum rausgeholt. Deswegen fällt die Bilanz auch durchwachsen aus.
Mit Luca Kerber geht ein zentraler Mittelfeldspieler, der eine überragende Rückrunde gespielt hat. Wie wollen Sie ihn ersetzen? Namen wie Thore Jacobsen und Kianz Froese werden genannt. Sind diese ein Thema?
Da sind wir dran und auch schon recht weit. Ich kommentiere Namen generell nicht. Wir haben ein bestimmtes Profil für diese Position, das wir besetzen wollen. Die beiden Genannten sind tolle Fußballer, aber eher nicht das, was wir suchen.
Mit Frederik Recktenwald und Andy Breuer verlassen zwei Eigengewächse den Verein. Die Kritik an Ihnen ist groß. Setzen Sie zu wenig auf den eigenen Nachwuchs?
Wir sind im Sommer mit drei U19-Akteuren in die Vorbereitung gegangen. Letztlich liegt es dann an den Jungs, ob sie sich durchsetzen. Unser NLZ-Leiter Karsten Specht kann belegen, dass so viele A-Jugendspieler wie noch nie bei den Profis mittrainiert haben. Am Ende ist es eine Frage der Qualität. Ich wehre mich doch nicht gegen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs. Mit Simon Stehle, Tim Civeja und Fabio Di Michele Sanchez haben junge Spieler Startelfeinsätze gehabt. Es ist für junge Spieler, gerade wenn sie aus dem eigenen Nachwuchs kommen, nicht einfach. Wir haben alles getan, um die Spieler zu schützen, gerade nach außen, weil wir auch eine Verantwortung haben. Aber am Ende ist es manchmal besser, wenn man woanders, mit einem anderen Freundeskreis, neu startet.