Für die internationale Handelsschifffahrt ist das Rote Meer ein Nadelöhr. Und das ist empfindlich bedroht durch Angriffe von Huthi-Terroristen aus dem Jemen. Die deutsche Marine hat sich am Einsatz zur Sicherung der Handelsroute beteiligt. Die Angriffe gehen weiter.
Warum ist der Latte Macciato im Café so teuer geworden? Antwort: Die Schuld haben die Huthi. Wie bitte? Zugegeben, der Satz ist sehr vereinfacht. Aber die arabische Terrorgruppe im fernen Jemen hat tatsächlich etwas damit zu tun, dass wir für Kaffee immer mehr auf den Tisch legen müssen. Was ist da los?
Es liegt an der Kaffeesorte Robusta, ein wichtiger Bestandteil von Bohnenmischungen mit schöner Cremabildung für Espresso und andere Spezialitäten. Sie wächst in Südostasien, überwiegend in Vietnam. Nun aber erschweren kriegerische Handlungen der mächtigen Huthi-Miliz die Verschiffung über das Rote Meer und damit durch den Suezkanal, der wichtigsten Handelsroute zwischen Asien und Europa.
Die wichtigsten Großreedereien der Welt – darunter Hapag-Lloyd (Deutschland) – leiten ihre Frachter rund um Südafrika um. Das bedeutet bis zu zwei Wochen längere Fahrzeiten und somit explodierte Frachtraten, die auch Kaffee-Importeure auf die Verbraucher abwälzen. Mehr als 26.000 Schiffe jährlich befuhren das Gebiet zuletzt. Das entspricht zwölf Prozent des Welthandels und 30 Prozent des globalen Containerverkehrs. Im Mai 2024 gab es im Vergleich zum Vorjahresmonat fast 80 Prozent weniger Passagen.
Ein Faktor in der Weltpolitik
Der Konflikt mit den aus Teheran geförderten Huthi am Roten Meer ist zum Krieg neben dem Krieg geworden. Während die Welt auf das von allen Seiten bedrohte Israel, die Lage in Gaza und die Aktivitäten des Mullah-Regimes in Iran mit seinen Terror-Proxys Hamas und Hisbollah schauen, sind die Huthi im Windschatten zum festen Bestandteil der „Achse des Widerstandes“ geworden. So nennen sich die Gegner Israels unter Führung des Mullah-Regimes im Iran.
Zur Abwehr ist vor dem Jemen eine mächtige US-geführte Kriegsarmada aufgefahren, inklusive Flugzeugträger und Fregatten aus mehr als 20 Staaten, darunter Großbritannien. Programmatischer Name: „Prosperity Guardian“ „Wohlstandswächter). Auftrag: Sicherung der Freiheit der Schifffahrt mittels robuster Mittel. Das bedeutet: Bombardierung von Huthi-Militärstrukturen.
Bis vor Kurzem waren die wild aussehenden Huthi-Krieger nur Insidern bekannt. Jetzt sind sie ein Faktor der Weltpolitik. Die Aufforderung des UN-Sicherheitsrats, umgehend alle Angriffe einzustellen, ignorieren sie und operieren aus einem der ärmsten Länder der Welt – seit Jahren zerrissen durch einen Bürgerkrieg. Fast 4,5 Millionen Binnenflüchtlinge, jeder zweite Einwohner braucht humanitäre Unterstützung, circa 17,6 Millionen Menschen sind ohne regelmäßige Nahrung. Das ist laut Vereinte Nationen eine der größten humanitären Katastrophen unserer Zeit.
Und doch schaffen es die Huthi, die vermögendsten Staaten der Welt vor sich herzutreiben. Sie malträtieren mit iranischer Finanzierung und Ausbildung Handelsschiffe mit Raketen, Drohnen und ferngelenkten Sprengstoffbooten. Und sie fahren todesmutige Angriffe in kleinen Booten, feuern Panzerfäuste auf die Stahlwände von Ozeanriesen ab. Den liberianischen Kohle-Frachter „Tutor“ versenkten sie mit gleich zwei ferngesteuerten Sprengstoffbooten, die Crew entkam in Rettungsbooten. Angriffsbegründung: Ein Schwesterschiff habe einen israelischen Hafen besucht.
Es geht aber auch mit großem Besteck. So, wie im August bei einem tödlichen Drohnenangriff auf das 2.000 Kilometer entfernte Tel Aviv, was einen verheerenden Angriff Israels auf die jemenitische Hafenstadt Al-Hodeïda nach sich zog. Dort liegt seit November die auf den Bahamas registrierte „Galaxy Leader“ fest, ein großer Autotransporter mit Anteilsverbindungen nach Israel. Ein Huthi-Kommando hatte ihn mit Hubschrauberhilfe auf offener See entführt. Die 25 Besatzungsmitglieder befinden sich bis heute in Geiselhaft.
Wie professionell die Huthi-Milizen sind, die seit Jahren den halben Jemen und die Weltkulturerbe-Hauptstadt Sanaa beherrschen, bestätigt Oran van Dort, Analyst der niederländischen Rabobank: „Sie verwenden selbst Unterwasserdrohnen und zeigen immer mehr, dass sie tatsächlich Schaden anrichten können.“
Interessen auch von China und Russland
Der Arm der Huthi reicht bis nach Deutschland. Das gemeinnützige amerikanisch-israelische Recherchebüro Middle East Media Research Institute (MEMRI) mit Sitz in Washington stellt fest: Eine bayerische Firma hostete bis ins Frühjahr weltweit verbreitete Propagandavideos. Darin skandierten heroisch dargestellte Terroristen „Tod den Juden“ und „Sieg für den Islam“. MEMRI-Experte Alberto Fernandez wertet es als Versuch junge Menschen, die den Westen hassen, zu radikalisieren. Die Huthi wollten „der Sache Palästinas“ nicht nur mit Waffen, sondern auch durch eine massive Propagandamaschinerie helfen.
Auch die Europäische Union engagiert sich im Roten Meer. Der Staatenverbund ist hin- und hergerissen zwischen der Treue zu den USA und eigenen Handelsinteressen, denen eine neue Frontlinie in der Region in die Quere kommt. Deutschland und andere EU-Staaten haben daher den Einsatz der EU-Marineoperation „Eunavfor Aspides“ durchgesetzt, die rein defensiven Charakter hat: Aufklärung und Abschuss hereinkommender Projektile. Dazu operieren drei Schiffe im Roten Meer. Wesentlich ist die Rolle der deutschen Fregatte „Hamburg“ mit 700 Soldaten an Bord. Sie beobachtet mit Spezialradaren ein Gebiet von Nordseegröße und feuert sekundenschnell Abwehr ab.
Allerdings: Der griechische Kommandeur der EU-Mission, Konteradmiral Vasileios Gryparis, hält die gesamte Mission für wenig effektiv. Nach einer vertraulichen Sitzung in Brüssel wurde bekannt, dass er mindestens zehn Kriegsschiffe und Drohnenunterstützung fordert. Das deutsche Radar könne Objekte im Tiefflug erst ab der Küstenlinie erkennen und nicht schon beim Abschuss im bergigen Jemen. So sei die EU-Flottille mit einem Drohnenschwarm überlistet und ein Handelsschiff beschädigt worden.
Die Lage ist so sensibel, dass sich ein Großmachtkrieg entzünden könnte. Schon sind Marineschiffe aus Russland ins Rote Meer vorgedrungen. Die Seestraße ist die wichtigste Transitroute für russisches Öl nach Indien. Die Huthi betrachten den Kreml als Verbündeten, versprechen, seine Handelsschiffe nicht anzugreifen. China steht ebenfalls auf der Schonliste. Es betrachtet den Jemen als Teil seiner länderumspannenden „Neuen Seidenstraße“ und möchte den Handel mit Europa ungestört betreiben. Dass trotzdem Schiffe aus Russland und China attackiert worden sind, zeigt, dass die aggressive Bewegung nicht alles im Griff hat.
Wie es rund um den Jemen weitergeht, ist unabsehbar. Farea Al-Muslimi von der internationalen Londoner Denkfabrik Chatham House: „Die Huthi sind die wohl unberechenbarste Gruppe, die es derzeit im Nahen Osten gibt.“ Nur eines ist sicher: Der Konflikt trägt bei uns zu Teuerung von Importware bei. Auch die Kaffeepreise werden wohl noch lange Zeit hoch bleiben.