James Cameron ist einer der innovativsten und erfolgreichsten Regisseure aller Zeiten. Sein neuer Film „Avatar: The Way of Water“ ist viermal für den Oscar nominiert, darunter auch für den besten Film. Wer ist dieser Kino-Visionär, der von sich sagt, nur auf der großen Leinwand malen zu wollen?
Der erste „Avatar“-Film stand lange Zeit an der Spitze der erfolgreichsten Kinofilme aller Zeiten und spielte fast drei Milliarden Dollar ein. „Titanic“ aus dem Jahr 1997 lag lange mit mehr als 2,2 Milliarden auf Platz drei. Der Streifen, ebenfalls von Cameron, wurde jedoch gerade von „Avatar: The Way of Water“ abgelöst. Die Fortsetzung (ebenfalls von James Cameron) liegt derzeit bei fast 2,3 Milliarden Dollar. Drei der vier kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten stammen also von nur einem Regisseur. Das ist ein absolutes Novum in der Geschichte des Films.
„Ich bin der König der Welt!“, rief er bei seiner Oscar-Dankesrede mit weit geöffneten Armen. Für sein Spielfilmdrama „Titanic“ hatte James Cameron von 14 Nominierungen tatsächlich elf eingeheimst – darunter den Oscar für den besten Film. Im Überschwang des Triumphes war sein Ausruf absolut verständlich – rief aber sofort viele Neider auf den Plan. Man hielt ihn für versnobt, arrogant, größenwahnsinnig. Heute schlägt James Cameron, 68, vergleichsweise moderatere Töne an, wenn es um seine Erfolge im Filmbusiness geht: „Ich will sicher kein Imperium aufbauen. Alles, was ich will, ist coole Filme machen.“
„Terminator“-Idee im Fiebertraum
Coole Filme macht der gebürtige Kanadier seit 1984, als er mit dem Actionklassiker „Terminator“ seinen zweiten Langfilm vorlegte. Die Inspiration für diese Geschichte entsprang, wie er erzählt, einem schlimmen Fiebertraum, in dem ein nahezu unzerstörbarer Killer-Roboter aus der Zukunft kam, um ihn zu ermorden. Drei Wochen später hatte er das Drehbuch zu „Terminator“ fertig. James Cameron erinnert sich: „Ich hatte damals noch unheimlich Schiss vor Schauspielern. Und plötzlich stand da Arnold Schwarzenegger, der mit seinen beiden ‚Conan‘-Filmen gerade in Hollywood als neuer Action-Star gefeiert wurde. Ich hingegen hatte bis dato nur ziemlich schlimme Flops vorzuweisen. Die Regie für ‚Terminator‘ hatte ich auch nur deswegen bekommen, weil ich mein Drehbuch für einen Dollar an ein Hollywoodstudio verkaufte – allerdings unter der Bedingung, selbst Regie führen zu dürfen. Ich hatte beim Dreh also ziemlich weiche Knie. Ich war wahnsinnig nervös und wollte es mir mit meinem Star auf keinen Fall verderben. Aber wie sich dann herausstellte, war das Projekt für uns beide ein Gewinn.“
Die originelle Endzeit-Story, die für damalige Verhältnisse fulminanten Spezialeffekte, die todesmutige Linda Hamilton als neue Action-Heldin und natürlich der muskelbepackte Androiden-Arnold mit seinem berühmten „I’ll be back“-One-Liner machten „Terminator“ zu einem der einflussreichsten Science-Fiction-Filme der 80er-Jahre. Und zur Blaupause für bislang fünf weitere Kinofilme sowie eine TV-Serie. Bei „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ (1991) führte James Cameron wieder selbst Regie.
Mitte der 80er-Jahre wurde Cameron angeheuert, um das Drehbuch für „Aliens“ (1986) zu schreiben, das Sequel des Kinohits „Alien“ (1979). Mit dem „Terminator“-Erfolg im Rücken wurde Cameron auch gleich noch die Regie übertragen. Und schon da zeigten sich sein eiserner Wille und seine – oft brutale – Durchsetzungskraft, nur seine Vision realisieren zu wollen. Kompromisse? Fehlanzeige! Seine Dispute mit dem Studio und mit den Produzenten sind legendär. Bei „Aliens“ überzog er achselzuckend das Budget, drehte ohne vorherige Absprache mit den Studio-Bossen länger als geplant, behielt aber klugerweise Sigourney Weaver in der Rolle der Ellen Ripley. Unübersehbar schon damals Camerons Meisterschaft, packende Action-Sequenzen und visuelle Extravaganzen mit emotionalen Höhepunkten zu vereinbaren.
Cameron war in Hollywood bereits als „schwierig“ und „cholerisch“ verschrien – und machte diesem Ruf beim folgenden Film alle Ehre: In „Abyss – Abgrund des Todes“ (1989) muss sich die Besatzung einer Öl-Bohrinsel unheimlichen Gefahren am Meeresgrund stellen. Vor allem die spektakulären Unterwasser-Aufnahmen, gedreht vor den Kaimaninseln, machen den Film auch heute noch sehenswert. Doch später beklagte Hauptdarsteller Ed Harris, Cameron habe sich am Set wie ein Tyrann aufgeführt und die ganze Arbeitsatmosphäre vergiftet. Der Schauspieler betonte zudem, die im Wasser gedrehten Sequenzen seien „physisch und psychisch extrem erschöpfend“ gewesen. „Titanic“-Darstellerin Kate Winslet stieß später ins selbe Horn: Sie bekam während der Dreharbeiten echte Todesangst und glaubte, sie würde bei einigen der hochdramatischen Szenen ertrinken. Winslet jedenfalls schwor, nie wieder mit James Cameron drehen zu wollen. Diesen Schwur hat sie für „Avatar: The Way of Water“ (und eine Millionen-Gage) allerdings nur allzu gerne gebrochen. Denn bei aller harschen Kritik sind sich die Beteiligten einig: Hier ist ein genialer Filmemacher am Werk. Cameron selbst zeigt sich heute einsichtig: „Ich hätte mich damals nicht so aufführen und viel mehr auf die Schauspieler und die Crew eingehen sollen. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und bin nun hoffentlich viel geduldiger bei den Dreharbeiten und einfühlsamer bei den Menschen, mit denen ich arbeite.“
Er setzt seinen Willen durch
Es wird oft unterschätzt, dass James Cameron in seinen Filmen auch immer sehr starke Frauen auftreten lässt. Linda Hamilton, Sigourney Weaver und Jamie Lee Curtis – in der Action-komödie „True Lies – Wahre Lügen“ (1993) – bieten den männlichen Protagonisten nicht nur Paroli, sondern lassen sie mitunter ziemlich alt aussehen. „True Lies“ ist ein Remake des französischen Originals „La Totale“ und handelt von einem Doppelagenten (Schwarzenegger), dessen Ehefrau (Curtis) denkt, er sei bloß ein langweiliger Computer-Verkäufer. Bei dieser actionreichen James-Bond-Persiflage zeigte Cameron, dass er auch richtig witzig sein kann.
Sein nächstes Großprojekt war „Titanic“ (1997). Camerons epische Version des berühmtesten Schiffsuntergangs der Geschichte machte ihn wahrhaftig zum „König der Welt“. Mit einem Budget von über 200 Millionen Dollar war „Titanic“ der bis dahin teuerste Film aller Zeiten. Wieder überzog Cameron das Budget, drehte monatelang in einem gigantischen Wassertank in Mexiko und ließ sogar eine Kopie des Original-Dampfers nachbauen. Vor den Dreharbeiten hatte Cameron sogar diverse Tauchgänge mit einem Unterseeboot zum echten Titanic-Wrack im Atlantischen Ozean unternommen. „Um sich das ganze Unglück noch einmal vor Augen zu führen,“ wie er meinte. Das Projekt stand zeitweise, so munkelte man, sogar auf der Kippe. Aber Cameron setzte sich wieder einmal durch. Seither ist er im Filmbusiness bekannt dafür, dass er bekommt, was er will, und wann er es will. Und zwar ohne Rücksicht auf Budgets oder Starttermine.
Nach dem Welterfolg von „Titanic“ nahm sich James Cameron erst einmal eine Auszeit. Er kümmerte sich mehr um seine Familie und verbrachte viel Zeit mit seiner fünften Frau, der Schauspie-lerin Suzy Amis, ihrem gemeinsamen Sohn und den zwei Töchtern. Außerdem frönte er seiner Leidenschaft, dem Tiefseetauchen. In seiner Freizeit begann er außerdem mit der Niederschrift seines nächsten Projekts. Das ursprünglich 80 Seiten umfassende Treatment, das er bereits 1995 geschrieben hatte, weitete sich mit der Zeit immer mehr aus und wurde schließlich die Grundlage für die „Avatar“-Saga. Die Geschichte, in der sich die Bewohner des Planeten Pandora gegen die militanten Eindringlinge von der Erde verteidigen müssen, um zu überleben, begann mit dem ersten „Avatar“-Film, der 2009 in die Kinos kam.
Berauschende visuelle Effekte
„Von Anfang an hatte ich aber eine ganz große Erzählstruktur im Kopf, die für viele Filme reichen würde“, betont Cameron. „Meine Vorbilder waren Tolkiens ‚Herr der Ringe‘-Trilogie oder das, was George Lucas mit seinem ‚Star Wars‘-Imperium geschaffen hat. Schon damals hatte ich genug Material für mindestens fünf ‚Avatar’-Filme. Trotzdem habe ich gezögert, mit dem ersten ‚Avatar‘-Abenteuer zu beginnen – weil die CGI-Technologie damals noch nicht soweit war, um meine Visionen auch adäquat auf die Leinwand zu bringen. Und vor allem, weil mir klar war, dass ich ‚Avatar‘ unbedingt auch im 3D-Format ins Kino bringen wollte.“ Der Film-Magier verweist darauf, dass es spektakuläre computeranimierte Filmsequenzen bereits in Barry Levinsons „Das Geheimnis des verborgenen Tempels“ gab, später auch CGI-Meilensteine in seinen eigenen Filmen „Abyss“ und „Terminator 2“.
„Und dann kam Steven Spielberg mit ‚Jurassic Park‘. Diese fantastischen Effekte wurden allesamt von dem Team bei Industrial Light & Magic geliefert. Darauf folgte Peter Jackson mit Weta Digital und Motion Capture. Als ich Gollum zum ersten Mal auf der Leinwand sah, sagte ich mir: Jetzt kannst du ‚Avatar‘ endlich drehen!“
Für die aktuelle Fortsetzung „Avatar – The Way of Water“ stand ein Abenteuer in der realen Welt Pate: 2012 zwängte sich der 1,87 Meter große Cameron in das 110 Zentimeter breite Cockpit eines Unterseeboots und reiste als erster Mensch mutterseelenallein auf den Grund des elf Kilometer tiefen Mariannengrabens im Pazifischen Ozean. Was er dort sah, hinterließ großen Eindruck bei ihm: „Ich wusste, dass in meinem zweiten ‚Avatar‘-Film die Wunderwelt der Ozeane eine zentrale Rolle spielen würde.“
Zusammen mit seiner Produktionsfirma Lightstorm Entertainment erfand er in den letzten Jahren viele neue CGI-Effekte und revolutionäre Rendering-Techniken. Die visuellen Effekte sind berau-schend. Der neue Film ist noch klarer, noch realistischer, noch heller. Pflanzen, Bäume, Wasser – die ganze Umwelt sieht mittlerweile so echt aus wie im richtigen Leben. „Ich habe Millionen von Dollar ausgegeben, um die richtigen Instrumente für diese Abbildungen zu entwickeln. Zum Beispiel die naturalistischen Lichtreflexe. Oder den Wind in den Haaren. Der Foto-Realismus der neuen ‚Avatar‘-Filme ist also viel ausgeprägter als das, was man bisher zu sehen bekommen hat. Die neuen Techniken sind aber vor allem eine große Zeitersparnis. Ich kann jetzt zwei ‚Avatar‘-Filme in der Zeit machen, die ich früher für einen brauchte.“
Trotz des Quantensprungs in Sachen Spezialeffekte ist James Cameron bemüht, den menschlichen Aspekt zu betonen. „Das ist das Wichtigste überhaupt: Geschichten zu erzählen, die mit uns Menschen zu tun haben, die etwas über die Conditio humana aussagen. Der emotionale Fokus ist mir dabei extrem wichtig. Aber natürlich haben wir auch bei ‚The Way of Water‘ und den weiteren ‚Avatar‘-Filmen viel Mühe und Sorgfalt darauf verwendet, damit unser Einfallsreichtum und unsere Fantasie der technischen Brillanz gerecht werden.“
James Cameron lebt mit seiner Familie seit Längerem überwiegend in Neuseeland – auf einer riesigen Farm nahe der Hauptstadt Wellington, wo er sein biologisches Gemüse selbst anbaut. Denn: „Wir müssen versuchen, unsere Welt grüner zu machen.“